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Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, II. Semester. III. Band.

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schwüle Pcsthi'.und ist durch Töne gemalt. Die moderne Jnstrumentation hat
sowol in der materiellen Wirkung als in den sublimerer Objecten ihrer Malerei
mehr raffinirr, zum Theil mit glücklichem Erfolg, allein im Wesentlichen ist
immer dasselbe Verfahren geblieben.

Die Aufführung gelang erfreulich. Daß kein störendes Mißgeschick ein¬
trat, war ein Glück, denn keine Sorgfalt kann dies verhüten; daß alles frisch
und freudig eingriff und tüchtig zusammenhielt, war das Verdienst der Mit¬
wirkenden. Die Wirkung war allgemein und groß, offenbar war das Publi-
eum von derselben Freude durchdrungen wie die auf dem Orchester, es war
eine Stimmung, ein Gefühl von Glück und Befriedigung, wie nur daS wahr¬
haft Schöne und Vortreffliche es hervorruft. Den Preis trug natürlich Frau
Goldschmidt davon, die beiden Arien von ihr gehört zu haben wird jeder
der Anwesenden als einen bleibenden Gewinn empfinden. Nachdem die zweite
Arie geendigt war, wurde der Jubel sogroß, daß auch die Musiker mitten in die
Schöpfung hinein, an der sie doch selbst Theil nahmen, einen Tusch bliesen.
Herrn Schneider wurde jedenfalls verdienter, reicher Beifall zu Theil und
auch Herr Mitterwurzer ging nicht leer aus.

Das herrliche Wetter, welches den ersten Tag begünstigte, und das Ge¬
lingen des Concerts hatte eine so gute Stimmung verbreitet, daß, als es am
Montag trübe und unfreundlich war, auch mitunter regnete, dies von keinem
üblen Einfluß mehr war. Am Morgen wurde in einer langen Probe noch
einmal alles vorgenommen, was am Abend zur Aufführung kommen sollte;
man konnte derselben wieder mit Ruhe entgegensehen.

Das zweite Concert wurde eröffnet durch Mendelssohns schon er¬
wähnte Ouvertüre: Meeresstille und glückliche Fahrt; als die brillanteste
seiner Concertouverturen war sie wohl hier an ihrem Platz, obgleich sie nicht
die schönste ist. Sie wurde präcis und gut ausgeführt, nur hatte man daS
rasche Tempo zu bedauern, das allerdings vom Componisten selbst angegeben
ist; es war unmöglich die einzelnen Achtel zu hören, auch an den Stellen,
welche dadurch ihren eigenthümlichen Charakter bekommen. Nun darf zwar
das Allegro den Charakter deS feurigen Dahinströmens ja nicht verlieren,
allein es muß sich ein Mittel finden lassen, das beiden Forderungen genügt,
wenn man nicht dem Componisten Schuld geben will, daß er sich bei der Aus¬
führung seiner Intentionen vergriffen habe.

Den Hauptplatz dieses Concerts nahm Schumanns Paradies und
Per! ein. DaS ganze Programm des Musikfestes zeigt, daß man ohne alle
Tendenzmacherei und ohne ängstliche Rücksicht nach irgend welcher Seite vor
allen Dingen anerkannt gute Musik aufführen und der Gegenwart wie der
Vergangenheit gerecht werden wollte. Wenn daher der Schöpfung ein ähn¬
liches Werk aus neuer Zeit an die Seite gestellt werden sollte, so war man,


Grenzboten. III- 18no. ^

schwüle Pcsthi'.und ist durch Töne gemalt. Die moderne Jnstrumentation hat
sowol in der materiellen Wirkung als in den sublimerer Objecten ihrer Malerei
mehr raffinirr, zum Theil mit glücklichem Erfolg, allein im Wesentlichen ist
immer dasselbe Verfahren geblieben.

Die Aufführung gelang erfreulich. Daß kein störendes Mißgeschick ein¬
trat, war ein Glück, denn keine Sorgfalt kann dies verhüten; daß alles frisch
und freudig eingriff und tüchtig zusammenhielt, war das Verdienst der Mit¬
wirkenden. Die Wirkung war allgemein und groß, offenbar war das Publi-
eum von derselben Freude durchdrungen wie die auf dem Orchester, es war
eine Stimmung, ein Gefühl von Glück und Befriedigung, wie nur daS wahr¬
haft Schöne und Vortreffliche es hervorruft. Den Preis trug natürlich Frau
Goldschmidt davon, die beiden Arien von ihr gehört zu haben wird jeder
der Anwesenden als einen bleibenden Gewinn empfinden. Nachdem die zweite
Arie geendigt war, wurde der Jubel sogroß, daß auch die Musiker mitten in die
Schöpfung hinein, an der sie doch selbst Theil nahmen, einen Tusch bliesen.
Herrn Schneider wurde jedenfalls verdienter, reicher Beifall zu Theil und
auch Herr Mitterwurzer ging nicht leer aus.

Das herrliche Wetter, welches den ersten Tag begünstigte, und das Ge¬
lingen des Concerts hatte eine so gute Stimmung verbreitet, daß, als es am
Montag trübe und unfreundlich war, auch mitunter regnete, dies von keinem
üblen Einfluß mehr war. Am Morgen wurde in einer langen Probe noch
einmal alles vorgenommen, was am Abend zur Aufführung kommen sollte;
man konnte derselben wieder mit Ruhe entgegensehen.

Das zweite Concert wurde eröffnet durch Mendelssohns schon er¬
wähnte Ouvertüre: Meeresstille und glückliche Fahrt; als die brillanteste
seiner Concertouverturen war sie wohl hier an ihrem Platz, obgleich sie nicht
die schönste ist. Sie wurde präcis und gut ausgeführt, nur hatte man daS
rasche Tempo zu bedauern, das allerdings vom Componisten selbst angegeben
ist; es war unmöglich die einzelnen Achtel zu hören, auch an den Stellen,
welche dadurch ihren eigenthümlichen Charakter bekommen. Nun darf zwar
das Allegro den Charakter deS feurigen Dahinströmens ja nicht verlieren,
allein es muß sich ein Mittel finden lassen, das beiden Forderungen genügt,
wenn man nicht dem Componisten Schuld geben will, daß er sich bei der Aus¬
führung seiner Intentionen vergriffen habe.

Den Hauptplatz dieses Concerts nahm Schumanns Paradies und
Per! ein. DaS ganze Programm des Musikfestes zeigt, daß man ohne alle
Tendenzmacherei und ohne ängstliche Rücksicht nach irgend welcher Seite vor
allen Dingen anerkannt gute Musik aufführen und der Gegenwart wie der
Vergangenheit gerecht werden wollte. Wenn daher der Schöpfung ein ähn¬
liches Werk aus neuer Zeit an die Seite gestellt werden sollte, so war man,


Grenzboten. III- 18no. ^
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341580_99919/25>, abgerufen am 22.07.2024.