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Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, II. Semester. III. Band.

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beibringt und auch -- was uns noch neu ist -- mittheilt, daß Oberst von
Grollmann zuerst Gneisenau veranlaßte, Blücher den Rath zu ertheilen, über
die Marne rechts ab nach Paris zu marschiren, wahrend Napoleon dem Heere
Schwarzenbergs folgte, eine Bewegung, welche bekanntlich den Feldzug und
das Schicksal des französischen Kaisers entschied.--




Korrespondenzen.

Mit der Südlage von Stcnnbul (unter dem it. Breiten¬
grade) ist der Uebelstand verbunden, daß. wenn die Windströmungen aus Norden,
die über den Pontus hinweg durch die offene Pforte, welche das Marmorameer
bietet, nach dem Becken der mittelländischen See sich bewegen, ausbleiben, oder wenn
gar der Wind nach Süden umschlägt, die Temperatur sich leicht zu einer für den
Nordländer schwer zu ertragenden Höhe steigert. Wir haben jetzt selbst in frei¬
gelegenen Landhäusern vierundzwanzig Grad Reaumur, und in Pera, in den engen
und schwülen Straßen, sechs- bis stebenundzwanzig. In dieser Hinsicht erinnert der
diesjährige Sommer an den anfierordcutlich heißen des Jahres 1831. wo das
Wasser in der Hauptstadt so theuer geworden war, daß Unbemittelte die nöthige
Quantität zum Trinken kaum mehr erschwingen konnten. Da man in der Krim
in der jetzigen Jahreszeit dieselbe Witterung wie hier zu haben pflegt, außerdem
Privatbriefe ausdrücklich der schwülen Tage und erquickuugslosen Nächte erwähnen,
so steht zu erwarten, daß auch dort, ähnlich wie es hier schon geschieht, die kleineren
Bäche versiegen und letztlich auch die Tschernaja zum größeren Theil austrocknen
wird. Umstände der Art werden, ungeachtet man ans England schon vor längerer
Zeit zwei große, je mit einem Apparat zum Destillirer des Seewassers versehene
Schiffe nach Balaklava entsendet hat, sür die Verbündeten viele Beschwerden mit
sich führen; im Besondern aber werden die Russen dnrch dieselben zu leiden haben,
die der Nutzung jenes Auskunstsmittels nicht theilhaftig sind. Wie es heißt waren
sie im Frühjahr bemüht, eine Anzahl von Brunnen zu graben, hatten indeß nur
daun und wann Erfolg.

Man kann mit diesen Verhältnissen das Erscheinen des Corps von 33--40,000
Mann auf den Höhen der Farm Makenzie vielleicht in Verbindung bringen. Das¬
selbe steht dort ziemlich unbeweglich, und wurde wol nur dorthin verlegt, um die
dortigen Brunnen benutzen zu können.

Zeitungsangaben (nämlich der hier erscheinenden Blätter) und Gerüchte stimmen
darin miteinander überein, daß die Arbeiten gegen den Malakowthurm unausgesetzt
vorwärts schreiten, aber daß mau des schwierigen Bodens wegen deßungcachtet
nur langsam Terrain gewinnt. Die Russen feuern in Vergleich mit früher ziemlich
heftig, und nahmen in den letzten Tagen Anlaß, den Zustoß neuer, ihnen über
Perekop zugegangener Verstärkungen den Verbündeten durch einen Hagel von Bom¬
ben und Kugeln zu verkünden. Nach Annahme der Einen sind die neu eingetroffe¬
nen Truppen ein Theil des Corps von General Lüders -- nach der der Anderen


beibringt und auch — was uns noch neu ist — mittheilt, daß Oberst von
Grollmann zuerst Gneisenau veranlaßte, Blücher den Rath zu ertheilen, über
die Marne rechts ab nach Paris zu marschiren, wahrend Napoleon dem Heere
Schwarzenbergs folgte, eine Bewegung, welche bekanntlich den Feldzug und
das Schicksal des französischen Kaisers entschied.—




Korrespondenzen.

Mit der Südlage von Stcnnbul (unter dem it. Breiten¬
grade) ist der Uebelstand verbunden, daß. wenn die Windströmungen aus Norden,
die über den Pontus hinweg durch die offene Pforte, welche das Marmorameer
bietet, nach dem Becken der mittelländischen See sich bewegen, ausbleiben, oder wenn
gar der Wind nach Süden umschlägt, die Temperatur sich leicht zu einer für den
Nordländer schwer zu ertragenden Höhe steigert. Wir haben jetzt selbst in frei¬
gelegenen Landhäusern vierundzwanzig Grad Reaumur, und in Pera, in den engen
und schwülen Straßen, sechs- bis stebenundzwanzig. In dieser Hinsicht erinnert der
diesjährige Sommer an den anfierordcutlich heißen des Jahres 1831. wo das
Wasser in der Hauptstadt so theuer geworden war, daß Unbemittelte die nöthige
Quantität zum Trinken kaum mehr erschwingen konnten. Da man in der Krim
in der jetzigen Jahreszeit dieselbe Witterung wie hier zu haben pflegt, außerdem
Privatbriefe ausdrücklich der schwülen Tage und erquickuugslosen Nächte erwähnen,
so steht zu erwarten, daß auch dort, ähnlich wie es hier schon geschieht, die kleineren
Bäche versiegen und letztlich auch die Tschernaja zum größeren Theil austrocknen
wird. Umstände der Art werden, ungeachtet man ans England schon vor längerer
Zeit zwei große, je mit einem Apparat zum Destillirer des Seewassers versehene
Schiffe nach Balaklava entsendet hat, sür die Verbündeten viele Beschwerden mit
sich führen; im Besondern aber werden die Russen dnrch dieselben zu leiden haben,
die der Nutzung jenes Auskunstsmittels nicht theilhaftig sind. Wie es heißt waren
sie im Frühjahr bemüht, eine Anzahl von Brunnen zu graben, hatten indeß nur
daun und wann Erfolg.

Man kann mit diesen Verhältnissen das Erscheinen des Corps von 33—40,000
Mann auf den Höhen der Farm Makenzie vielleicht in Verbindung bringen. Das¬
selbe steht dort ziemlich unbeweglich, und wurde wol nur dorthin verlegt, um die
dortigen Brunnen benutzen zu können.

Zeitungsangaben (nämlich der hier erscheinenden Blätter) und Gerüchte stimmen
darin miteinander überein, daß die Arbeiten gegen den Malakowthurm unausgesetzt
vorwärts schreiten, aber daß mau des schwierigen Bodens wegen deßungcachtet
nur langsam Terrain gewinnt. Die Russen feuern in Vergleich mit früher ziemlich
heftig, und nahmen in den letzten Tagen Anlaß, den Zustoß neuer, ihnen über
Perekop zugegangener Verstärkungen den Verbündeten durch einen Hagel von Bom¬
ben und Kugeln zu verkünden. Nach Annahme der Einen sind die neu eingetroffe¬
nen Truppen ein Theil des Corps von General Lüders — nach der der Anderen


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341580_99919/245>, abgerufen am 22.12.2024.