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Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, II. Semester. III. Band.

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nahe genug war, um eS zu hindern. Beide aber waren bedeutend an den
Köpfen verwundet, so daß der eine, welcher auch vom Pferde getreten und be¬
schädigt worden, gar nicht ausstand, der andere aber langsam zu mir heran¬
kam und Pardon verlangte. Gleichzeitig näherten sich auch meine Leute und
nun dauerte es nicht lange, so war alles gefangen, wobei von feindlicher
Seite nur wenige Schüsse gefallen waren, da ein jeder dadurch zu säumen
fürchtete und schwerlich zu treffen hoffen durfte. Die Gefangenen waren meist
alle schwer blessirt, so daß ich sie getrost der Aufsicht von zwei Mann überlassen
durfte. Nachdem ich ihnen die Waffen abnehmen und in gehöriger Ent¬
fernung auf einen Haufen hatte legen lassen, sammelte ich meine Mann¬
schaft und ging grade ins Dorf hinein. Gleich am Eingänge fand ich mehre
von der Besatzung, völlig angekleidet und bewaffnet, die ich indessen für eine
Art Dorfwache hielt, weshalb ich glaubte, nicht säumen zu dürfen, sie sogleich
niederzumachen, was denn auch geschah. Einer der Leute suchte sich durch die
Flucht zureiten; ich'setzte ihm nach und als er in einen Winkel, zwischen
einem Häuschen und einer tiefen, mit Dreiern abgeschlagenen Mistgrube gerieth,
konnte er weder vor, noch rückwärts, sondern es blieb ihm nichts übrig, als
sich mir gegenüber an die Mauer zu lehnen. Der Raum war so schmal, daß
ich kaum das Pferd hätte wenden können; dies indeß nicht beachtend, war ich
immer dicht hinter ihm und als er nun nicht weiter konnte, fo stellte er sich
fest, legte an und schoß etwa aus der Entfernung von drei Schritt auf mich, fehlte
aber und erhielt in dem Augenblick, wo er meinem Pferde mit dem Bajonett
einen Stich in die Brust gab, von mir einen Hieb, oaß er stürzte. Zugleich
aber hob sich mein Pferd, vom Schmerze getrieben, so hoch es vermochte und
stürzte, zurücktretend, mit mir jählings in die Mistgrube, in der ich, im tiefsten
Schnee, wie vergraben unter dem Pferde lag. Gleichwol war ich im Augenblick
unversehrt wieder heraus, auch mein Pferd half sich und ohne zu wissen, daß es
blessirt sei, setzte ich mich wieder auf, während alle meine Leute sich auch schon
wieder um mich gesammelt hatten, wozu mein braver Unterfftzier Leute sie
mit dem Zuruf aufforderte: "Alles hierher, der Lieutenant ist getroffen!" Er
hatte nämlich geglaubt, ich sei von dem Schuß gefallen. Wie sehr ich mich
in der Erwartung getäuscht hatte, die Besatzung in ihren Betten zu finden,
war mir leider schon klar geworden; alles war auf den Beinen, in voller
Rüstung, doch aber schien meine Ankunft dies nicht bewirkt zu haben, da alles
sich ruhig verhielt. Ich ertheilte daher Befehle, durchaus kein Zusammentreffe"
zu gestatten, sondern alles einzeln gefangen zu nehmen oder niederzuhauen,
wobei es aber nicht unterbleiben konnte, daß von feindlicher Seite Schüsse
fielen, die alles allarmirten. Das Schloß auf dem Edelhofe war, ein hohes,
massives Gebäude, mit zwei Flügeln und ziemlich großem Hofraume. Den
Unteroffizier Leute ließ ich mit zehn Mann das Dorf beobachten, um mich


nahe genug war, um eS zu hindern. Beide aber waren bedeutend an den
Köpfen verwundet, so daß der eine, welcher auch vom Pferde getreten und be¬
schädigt worden, gar nicht ausstand, der andere aber langsam zu mir heran¬
kam und Pardon verlangte. Gleichzeitig näherten sich auch meine Leute und
nun dauerte es nicht lange, so war alles gefangen, wobei von feindlicher
Seite nur wenige Schüsse gefallen waren, da ein jeder dadurch zu säumen
fürchtete und schwerlich zu treffen hoffen durfte. Die Gefangenen waren meist
alle schwer blessirt, so daß ich sie getrost der Aufsicht von zwei Mann überlassen
durfte. Nachdem ich ihnen die Waffen abnehmen und in gehöriger Ent¬
fernung auf einen Haufen hatte legen lassen, sammelte ich meine Mann¬
schaft und ging grade ins Dorf hinein. Gleich am Eingänge fand ich mehre
von der Besatzung, völlig angekleidet und bewaffnet, die ich indessen für eine
Art Dorfwache hielt, weshalb ich glaubte, nicht säumen zu dürfen, sie sogleich
niederzumachen, was denn auch geschah. Einer der Leute suchte sich durch die
Flucht zureiten; ich'setzte ihm nach und als er in einen Winkel, zwischen
einem Häuschen und einer tiefen, mit Dreiern abgeschlagenen Mistgrube gerieth,
konnte er weder vor, noch rückwärts, sondern es blieb ihm nichts übrig, als
sich mir gegenüber an die Mauer zu lehnen. Der Raum war so schmal, daß
ich kaum das Pferd hätte wenden können; dies indeß nicht beachtend, war ich
immer dicht hinter ihm und als er nun nicht weiter konnte, fo stellte er sich
fest, legte an und schoß etwa aus der Entfernung von drei Schritt auf mich, fehlte
aber und erhielt in dem Augenblick, wo er meinem Pferde mit dem Bajonett
einen Stich in die Brust gab, von mir einen Hieb, oaß er stürzte. Zugleich
aber hob sich mein Pferd, vom Schmerze getrieben, so hoch es vermochte und
stürzte, zurücktretend, mit mir jählings in die Mistgrube, in der ich, im tiefsten
Schnee, wie vergraben unter dem Pferde lag. Gleichwol war ich im Augenblick
unversehrt wieder heraus, auch mein Pferd half sich und ohne zu wissen, daß es
blessirt sei, setzte ich mich wieder auf, während alle meine Leute sich auch schon
wieder um mich gesammelt hatten, wozu mein braver Unterfftzier Leute sie
mit dem Zuruf aufforderte: „Alles hierher, der Lieutenant ist getroffen!" Er
hatte nämlich geglaubt, ich sei von dem Schuß gefallen. Wie sehr ich mich
in der Erwartung getäuscht hatte, die Besatzung in ihren Betten zu finden,
war mir leider schon klar geworden; alles war auf den Beinen, in voller
Rüstung, doch aber schien meine Ankunft dies nicht bewirkt zu haben, da alles
sich ruhig verhielt. Ich ertheilte daher Befehle, durchaus kein Zusammentreffe»
zu gestatten, sondern alles einzeln gefangen zu nehmen oder niederzuhauen,
wobei es aber nicht unterbleiben konnte, daß von feindlicher Seite Schüsse
fielen, die alles allarmirten. Das Schloß auf dem Edelhofe war, ein hohes,
massives Gebäude, mit zwei Flügeln und ziemlich großem Hofraume. Den
Unteroffizier Leute ließ ich mit zehn Mann das Dorf beobachten, um mich


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341580_99919/194>, abgerufen am 22.07.2024.