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Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, II. Semester. III. Band.

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die den Sommer dies Jahr außerhalb der Stadt zubringen, außerdem die zahl¬
reichen Fremden manche Villa mit Beschlag belegt haben, so sind die Miethpreise
ganz außerordentlich in die Höhe gegangen und sie werden sich aus doppeltem
Grunde auf dieser Höhe behaupten, zunächst, weil die Baumaterialien infolge der
großartigen Baracken- und Kasernenbanten der Franzosen und Engländer sich außer¬
ordentlich verthencrt haben und dann, weil es im Allgemeinen wol an Capital fehlt
und das vorhandene zum größern Theil von dem außerordentlich lebhaften Handel
in Anspruch genommen wird. Man schlägt vielleicht nicht im gehörigen Maße die
Größe der commerziellen VermittluugSrvllc an, welche die hiesige europäische Be¬
völkerung von Pera und Galata in Verbindung mit eingebornen Armeniern und
und Juden zwischen Europa und der musclmanischcn und christlichen Hauptmasse der
hiesigen Stadt- und Landesbewohner einnimmt. Um in dieser Hinsicht einen an¬
nähernd richtigen Begriff von den beiden Frankcnstädtcu zu bekommen, wird es
nicht genügen zu wissen, daß man allein in Galata etwa zweitausend Firmen zählt.
Man muß dazu auch die zahlreichen Kleinverkäufer rechnen, die auf offner Straße
und in Buden ihre Waaren feil haben und die Inhaber der großen Magazine und
Läden von Pera. Dieser Handel ist das ganze Jahr hindurch lebhaft, aber er
hat zu gewissen Zeiten, wie leicht begreiflich, einen lebhafter" Schwung wie in
andren. In diesem Sommer ist das Geschäft, nach den zahlreich anlangenden
Schiffen und den sehr vergnügten Gesichtern der Kaufleute zu urtheilen, besonders
großartig. Es thut dabei viel, daß die alliirtc Krimarmee ihren nächsten Bedarf
von hier entnimmt, indem die meisten hiesigen unternehmenden Häuser Comman-
diten in Kamiesch oder Balaklava haben.

Die Versorgung der verbündeten Krimheere und der zahlreichen militärischen
Fremden, die zeitweilig ihren Wohnsitz hier aufgeschlagen haben, hat das Gute zu
Wege gebracht, daß die auf Comfort Bezug nehmenden Gegenstände innerhalb des
Handels sich in diesem Jahre außerordentlich vermehrt haben. So sah man, um
nur hier ein Beispiel anzuführen, welches dahin einschlägt, im vergangenen Jahre
in den Händen der englischen Offiziere, Aerzte und Vervflegungsbcamten die ersten
Meißen, großen Sonnenschirme. Heute siud dieselben allgemein und man kann in
diesem Sommer kaum zwanzig Schritt weit in den Straßen von Pera und Galata
gehen, ohne irgendeinem derselben zu begegnen.

Der Sultan wird im gegenwärtigen Jahre seinen Ausenthalt im Tschiraghan-
Palais nicht wechseln, und zwar scheint dies, seinen Grund mit darin zu haben,
daß sein eigentliches Svmmcrschloß, Beglerbai, für den Kaiser Napoleon eingerichtet
wurde. Es ist ein bemerkenswerther Umstand, daß immer aufs neue wieder Ge¬
rüchte auftauchen, wonach die Reise desselben nach der Krim und mithin sein Be-
nies in Konstantinopel noch nicht aufgegeben worden sei. Vor der Hand wird
indeß erst Monsieur Thonvcnel erscheinen, für den man die Zimmer im französischen
Gesandtschastspalais von Therapia schon bereit hält.

In den beiden diplomatische" Schwestcrvrtschasteu auf dem europäischen Ufer
des oberen Bosporus, dem letzterwähnten und Bujukdere, herrscht in diesem
Sommer durchaus uicht das heitere und unbefangene Treiben, wie im vergangenen
Jahre, und namentlich früher, denn auch vor 12 Monaten walteten schon manche
Umstände vor, welche der Harmlosigkeit Abbruch thaten. Damals wandelten um


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die den Sommer dies Jahr außerhalb der Stadt zubringen, außerdem die zahl¬
reichen Fremden manche Villa mit Beschlag belegt haben, so sind die Miethpreise
ganz außerordentlich in die Höhe gegangen und sie werden sich aus doppeltem
Grunde auf dieser Höhe behaupten, zunächst, weil die Baumaterialien infolge der
großartigen Baracken- und Kasernenbanten der Franzosen und Engländer sich außer¬
ordentlich verthencrt haben und dann, weil es im Allgemeinen wol an Capital fehlt
und das vorhandene zum größern Theil von dem außerordentlich lebhaften Handel
in Anspruch genommen wird. Man schlägt vielleicht nicht im gehörigen Maße die
Größe der commerziellen VermittluugSrvllc an, welche die hiesige europäische Be¬
völkerung von Pera und Galata in Verbindung mit eingebornen Armeniern und
und Juden zwischen Europa und der musclmanischcn und christlichen Hauptmasse der
hiesigen Stadt- und Landesbewohner einnimmt. Um in dieser Hinsicht einen an¬
nähernd richtigen Begriff von den beiden Frankcnstädtcu zu bekommen, wird es
nicht genügen zu wissen, daß man allein in Galata etwa zweitausend Firmen zählt.
Man muß dazu auch die zahlreichen Kleinverkäufer rechnen, die auf offner Straße
und in Buden ihre Waaren feil haben und die Inhaber der großen Magazine und
Läden von Pera. Dieser Handel ist das ganze Jahr hindurch lebhaft, aber er
hat zu gewissen Zeiten, wie leicht begreiflich, einen lebhafter» Schwung wie in
andren. In diesem Sommer ist das Geschäft, nach den zahlreich anlangenden
Schiffen und den sehr vergnügten Gesichtern der Kaufleute zu urtheilen, besonders
großartig. Es thut dabei viel, daß die alliirtc Krimarmee ihren nächsten Bedarf
von hier entnimmt, indem die meisten hiesigen unternehmenden Häuser Comman-
diten in Kamiesch oder Balaklava haben.

Die Versorgung der verbündeten Krimheere und der zahlreichen militärischen
Fremden, die zeitweilig ihren Wohnsitz hier aufgeschlagen haben, hat das Gute zu
Wege gebracht, daß die auf Comfort Bezug nehmenden Gegenstände innerhalb des
Handels sich in diesem Jahre außerordentlich vermehrt haben. So sah man, um
nur hier ein Beispiel anzuführen, welches dahin einschlägt, im vergangenen Jahre
in den Händen der englischen Offiziere, Aerzte und Vervflegungsbcamten die ersten
Meißen, großen Sonnenschirme. Heute siud dieselben allgemein und man kann in
diesem Sommer kaum zwanzig Schritt weit in den Straßen von Pera und Galata
gehen, ohne irgendeinem derselben zu begegnen.

Der Sultan wird im gegenwärtigen Jahre seinen Ausenthalt im Tschiraghan-
Palais nicht wechseln, und zwar scheint dies, seinen Grund mit darin zu haben,
daß sein eigentliches Svmmcrschloß, Beglerbai, für den Kaiser Napoleon eingerichtet
wurde. Es ist ein bemerkenswerther Umstand, daß immer aufs neue wieder Ge¬
rüchte auftauchen, wonach die Reise desselben nach der Krim und mithin sein Be-
nies in Konstantinopel noch nicht aufgegeben worden sei. Vor der Hand wird
indeß erst Monsieur Thonvcnel erscheinen, für den man die Zimmer im französischen
Gesandtschastspalais von Therapia schon bereit hält.

In den beiden diplomatische» Schwestcrvrtschasteu auf dem europäischen Ufer
des oberen Bosporus, dem letzterwähnten und Bujukdere, herrscht in diesem
Sommer durchaus uicht das heitere und unbefangene Treiben, wie im vergangenen
Jahre, und namentlich früher, denn auch vor 12 Monaten walteten schon manche
Umstände vor, welche der Harmlosigkeit Abbruch thaten. Damals wandelten um


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[0163] die den Sommer dies Jahr außerhalb der Stadt zubringen, außerdem die zahl¬ reichen Fremden manche Villa mit Beschlag belegt haben, so sind die Miethpreise ganz außerordentlich in die Höhe gegangen und sie werden sich aus doppeltem Grunde auf dieser Höhe behaupten, zunächst, weil die Baumaterialien infolge der großartigen Baracken- und Kasernenbanten der Franzosen und Engländer sich außer¬ ordentlich verthencrt haben und dann, weil es im Allgemeinen wol an Capital fehlt und das vorhandene zum größern Theil von dem außerordentlich lebhaften Handel in Anspruch genommen wird. Man schlägt vielleicht nicht im gehörigen Maße die Größe der commerziellen VermittluugSrvllc an, welche die hiesige europäische Be¬ völkerung von Pera und Galata in Verbindung mit eingebornen Armeniern und und Juden zwischen Europa und der musclmanischcn und christlichen Hauptmasse der hiesigen Stadt- und Landesbewohner einnimmt. Um in dieser Hinsicht einen an¬ nähernd richtigen Begriff von den beiden Frankcnstädtcu zu bekommen, wird es nicht genügen zu wissen, daß man allein in Galata etwa zweitausend Firmen zählt. Man muß dazu auch die zahlreichen Kleinverkäufer rechnen, die auf offner Straße und in Buden ihre Waaren feil haben und die Inhaber der großen Magazine und Läden von Pera. Dieser Handel ist das ganze Jahr hindurch lebhaft, aber er hat zu gewissen Zeiten, wie leicht begreiflich, einen lebhafter» Schwung wie in andren. In diesem Sommer ist das Geschäft, nach den zahlreich anlangenden Schiffen und den sehr vergnügten Gesichtern der Kaufleute zu urtheilen, besonders großartig. Es thut dabei viel, daß die alliirtc Krimarmee ihren nächsten Bedarf von hier entnimmt, indem die meisten hiesigen unternehmenden Häuser Comman- diten in Kamiesch oder Balaklava haben. Die Versorgung der verbündeten Krimheere und der zahlreichen militärischen Fremden, die zeitweilig ihren Wohnsitz hier aufgeschlagen haben, hat das Gute zu Wege gebracht, daß die auf Comfort Bezug nehmenden Gegenstände innerhalb des Handels sich in diesem Jahre außerordentlich vermehrt haben. So sah man, um nur hier ein Beispiel anzuführen, welches dahin einschlägt, im vergangenen Jahre in den Händen der englischen Offiziere, Aerzte und Vervflegungsbcamten die ersten Meißen, großen Sonnenschirme. Heute siud dieselben allgemein und man kann in diesem Sommer kaum zwanzig Schritt weit in den Straßen von Pera und Galata gehen, ohne irgendeinem derselben zu begegnen. Der Sultan wird im gegenwärtigen Jahre seinen Ausenthalt im Tschiraghan- Palais nicht wechseln, und zwar scheint dies, seinen Grund mit darin zu haben, daß sein eigentliches Svmmcrschloß, Beglerbai, für den Kaiser Napoleon eingerichtet wurde. Es ist ein bemerkenswerther Umstand, daß immer aufs neue wieder Ge¬ rüchte auftauchen, wonach die Reise desselben nach der Krim und mithin sein Be- nies in Konstantinopel noch nicht aufgegeben worden sei. Vor der Hand wird indeß erst Monsieur Thonvcnel erscheinen, für den man die Zimmer im französischen Gesandtschastspalais von Therapia schon bereit hält. In den beiden diplomatische» Schwestcrvrtschasteu auf dem europäischen Ufer des oberen Bosporus, dem letzterwähnten und Bujukdere, herrscht in diesem Sommer durchaus uicht das heitere und unbefangene Treiben, wie im vergangenen Jahre, und namentlich früher, denn auch vor 12 Monaten walteten schon manche Umstände vor, welche der Harmlosigkeit Abbruch thaten. Damals wandelten um 20*

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341580_99919/163>, abgerufen am 22.12.2024.