Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, II. Semester. III. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

an, während sie nach Stöbers Angabe nur 0,i60238Ä M. ist. Seit Jomard
sind eine Menge Versuche gemacht worden, die Verhältnisse in der großen Py¬
ramide aufzufinden, die man für astronomische hielt, wozu die winkelrechte Lage
nach den i Weltgegenden die Veranlassung geben mochte. Genug, die Py¬
ramiden sind nach Lepsius und Bunsen, welche Menes nach Manetho
3426 Jahre vor Christus Prof. Seyffarth aber 2782 vor Christus setzen, die
ältesten Bauten der Erde und ihre wissenschaftlich geführte Anlage ist daher
das früheste wissenschaftliche Product.

In den Denkmälern der Baukunst von Jules Gailhabaud wird
ebenfalls jeglicher Nebenzweck der Pyramiden geleugnet, die nur Grabmäler
gewesen sein können, aber Bauten, die durch ihre Kolossalität sowol, wie
durch ihre sorgsame Technik sich schon im Alterthum den Ruhm erwarben, in
die Zahl der Wunderwerke der Kunst aufgenommen zu werden.

Lepsius hat gefunden, daß die Pyramiden oft nach innen sorgsamer, als
nach außen gebaut sind und sagt: der König vollendete in den ersten Regie¬
rungsjahren eine mäßige Pyramide und legte dann, wenn ihm noch neue
Jahre vergönnt waren, einen Mantel nach dem andern um, bis er endlich
zu einem Punkte gelangte, wo eine jede neue Vergrößerung schon allein ein
Riesenwerk war und viele Jahre zur Ausführung brauchte; dann mußte er an
die letzte Vollendung denken.

Wir stimmen jedoch dein Verfasser einer vor einiger Zeit erschienenen
Schrift, deren Titel uns nicht mehr gegenwärtig ist, vollkommen bei, wenn
er etwa Folgendes sagte: "Es ist gleichgiltig zu wissen, durch welche äußer¬
lichen Zwecke, Antriebe und Umstände die alten und neuen Bauten hervorge¬
rufen worden sind, sobald man.nicht zu erfassen und zu ergründen vermag, wo
die ersten und letzten Antriebe, die Grundtriebe zu suchen sind, in welchem
natürlichen und übernatürlichen Sinn und Geist alle die Kunst und Wissen-
lchaft gehalten ist; sobald man die Idee nicht begreift, sobald man nicht
Sinn und Verstand hat, zwischen den Zeilen, den Bauwerken und Formen zu
lesen und inne zu werden, wie oft der menschliche Geist das Unendliche und
Ewige, das Geistige im Sinne führt, wenn er scheinbar nur das Materielle
ausgestattet hat." Aehnlich äußerte sich übrigens schon Diodor von Sicilien
über die 3 großen Pyramiden und deren Baumeister, obgleich er noch keine
Ahnung von dem architektonisch mathematischen Geiste haben konnte, der in
diesen Bauten liegt und die Seele derselben ist. Eben dies führt uns zu der
Röberschen Schrift zurück, aus der wir noch Folgendes mitzutheilen uns ver¬
anlaßt fühlen:

Es ist Herrn Roher gelungen, in den Pyramiden eine eigenthümliche Ge¬
setzmäßigkeit der Anlage zu entdecken. Die einzelnen Verhältnisse lassen keinen
Zweifel übrig, daß der Ursprung der Geometrie weit über die Meneödyna-


Grenzl'öden, III. 18so.

an, während sie nach Stöbers Angabe nur 0,i60238Ä M. ist. Seit Jomard
sind eine Menge Versuche gemacht worden, die Verhältnisse in der großen Py¬
ramide aufzufinden, die man für astronomische hielt, wozu die winkelrechte Lage
nach den i Weltgegenden die Veranlassung geben mochte. Genug, die Py¬
ramiden sind nach Lepsius und Bunsen, welche Menes nach Manetho
3426 Jahre vor Christus Prof. Seyffarth aber 2782 vor Christus setzen, die
ältesten Bauten der Erde und ihre wissenschaftlich geführte Anlage ist daher
das früheste wissenschaftliche Product.

In den Denkmälern der Baukunst von Jules Gailhabaud wird
ebenfalls jeglicher Nebenzweck der Pyramiden geleugnet, die nur Grabmäler
gewesen sein können, aber Bauten, die durch ihre Kolossalität sowol, wie
durch ihre sorgsame Technik sich schon im Alterthum den Ruhm erwarben, in
die Zahl der Wunderwerke der Kunst aufgenommen zu werden.

Lepsius hat gefunden, daß die Pyramiden oft nach innen sorgsamer, als
nach außen gebaut sind und sagt: der König vollendete in den ersten Regie¬
rungsjahren eine mäßige Pyramide und legte dann, wenn ihm noch neue
Jahre vergönnt waren, einen Mantel nach dem andern um, bis er endlich
zu einem Punkte gelangte, wo eine jede neue Vergrößerung schon allein ein
Riesenwerk war und viele Jahre zur Ausführung brauchte; dann mußte er an
die letzte Vollendung denken.

Wir stimmen jedoch dein Verfasser einer vor einiger Zeit erschienenen
Schrift, deren Titel uns nicht mehr gegenwärtig ist, vollkommen bei, wenn
er etwa Folgendes sagte: „Es ist gleichgiltig zu wissen, durch welche äußer¬
lichen Zwecke, Antriebe und Umstände die alten und neuen Bauten hervorge¬
rufen worden sind, sobald man.nicht zu erfassen und zu ergründen vermag, wo
die ersten und letzten Antriebe, die Grundtriebe zu suchen sind, in welchem
natürlichen und übernatürlichen Sinn und Geist alle die Kunst und Wissen-
lchaft gehalten ist; sobald man die Idee nicht begreift, sobald man nicht
Sinn und Verstand hat, zwischen den Zeilen, den Bauwerken und Formen zu
lesen und inne zu werden, wie oft der menschliche Geist das Unendliche und
Ewige, das Geistige im Sinne führt, wenn er scheinbar nur das Materielle
ausgestattet hat." Aehnlich äußerte sich übrigens schon Diodor von Sicilien
über die 3 großen Pyramiden und deren Baumeister, obgleich er noch keine
Ahnung von dem architektonisch mathematischen Geiste haben konnte, der in
diesen Bauten liegt und die Seele derselben ist. Eben dies führt uns zu der
Röberschen Schrift zurück, aus der wir noch Folgendes mitzutheilen uns ver¬
anlaßt fühlen:

Es ist Herrn Roher gelungen, in den Pyramiden eine eigenthümliche Ge¬
setzmäßigkeit der Anlage zu entdecken. Die einzelnen Verhältnisse lassen keinen
Zweifel übrig, daß der Ursprung der Geometrie weit über die Meneödyna-


Grenzl'öden, III. 18so.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0121" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/100041"/>
          <p xml:id="ID_346" prev="#ID_345"> an, während sie nach Stöbers Angabe nur 0,i60238Ä M. ist. Seit Jomard<lb/>
sind eine Menge Versuche gemacht worden, die Verhältnisse in der großen Py¬<lb/>
ramide aufzufinden, die man für astronomische hielt, wozu die winkelrechte Lage<lb/>
nach den i Weltgegenden die Veranlassung geben mochte. Genug, die Py¬<lb/>
ramiden sind nach Lepsius und Bunsen, welche Menes nach Manetho<lb/>
3426 Jahre vor Christus Prof. Seyffarth aber 2782 vor Christus setzen, die<lb/>
ältesten Bauten der Erde und ihre wissenschaftlich geführte Anlage ist daher<lb/>
das früheste wissenschaftliche Product.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_347"> In den Denkmälern der Baukunst von Jules Gailhabaud wird<lb/>
ebenfalls jeglicher Nebenzweck der Pyramiden geleugnet, die nur Grabmäler<lb/>
gewesen sein können, aber Bauten, die durch ihre Kolossalität sowol, wie<lb/>
durch ihre sorgsame Technik sich schon im Alterthum den Ruhm erwarben, in<lb/>
die Zahl der Wunderwerke der Kunst aufgenommen zu werden.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_348"> Lepsius hat gefunden, daß die Pyramiden oft nach innen sorgsamer, als<lb/>
nach außen gebaut sind und sagt: der König vollendete in den ersten Regie¬<lb/>
rungsjahren eine mäßige Pyramide und legte dann, wenn ihm noch neue<lb/>
Jahre vergönnt waren, einen Mantel nach dem andern um, bis er endlich<lb/>
zu einem Punkte gelangte, wo eine jede neue Vergrößerung schon allein ein<lb/>
Riesenwerk war und viele Jahre zur Ausführung brauchte; dann mußte er an<lb/>
die letzte Vollendung denken.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_349"> Wir stimmen jedoch dein Verfasser einer vor einiger Zeit erschienenen<lb/>
Schrift, deren Titel uns nicht mehr gegenwärtig ist, vollkommen bei, wenn<lb/>
er etwa Folgendes sagte: &#x201E;Es ist gleichgiltig zu wissen, durch welche äußer¬<lb/>
lichen Zwecke, Antriebe und Umstände die alten und neuen Bauten hervorge¬<lb/>
rufen worden sind, sobald man.nicht zu erfassen und zu ergründen vermag, wo<lb/>
die ersten und letzten Antriebe, die Grundtriebe zu suchen sind, in welchem<lb/>
natürlichen und übernatürlichen Sinn und Geist alle die Kunst und Wissen-<lb/>
lchaft gehalten ist; sobald man die Idee nicht begreift, sobald man nicht<lb/>
Sinn und Verstand hat, zwischen den Zeilen, den Bauwerken und Formen zu<lb/>
lesen und inne zu werden, wie oft der menschliche Geist das Unendliche und<lb/>
Ewige, das Geistige im Sinne führt, wenn er scheinbar nur das Materielle<lb/>
ausgestattet hat." Aehnlich äußerte sich übrigens schon Diodor von Sicilien<lb/>
über die 3 großen Pyramiden und deren Baumeister, obgleich er noch keine<lb/>
Ahnung von dem architektonisch mathematischen Geiste haben konnte, der in<lb/>
diesen Bauten liegt und die Seele derselben ist. Eben dies führt uns zu der<lb/>
Röberschen Schrift zurück, aus der wir noch Folgendes mitzutheilen uns ver¬<lb/>
anlaßt fühlen:</p><lb/>
          <p xml:id="ID_350" next="#ID_351"> Es ist Herrn Roher gelungen, in den Pyramiden eine eigenthümliche Ge¬<lb/>
setzmäßigkeit der Anlage zu entdecken. Die einzelnen Verhältnisse lassen keinen<lb/>
Zweifel übrig, daß der Ursprung der Geometrie weit über die Meneödyna-</p><lb/>
          <fw type="sig" place="bottom"> Grenzl'öden, III. 18so.</fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0121] an, während sie nach Stöbers Angabe nur 0,i60238Ä M. ist. Seit Jomard sind eine Menge Versuche gemacht worden, die Verhältnisse in der großen Py¬ ramide aufzufinden, die man für astronomische hielt, wozu die winkelrechte Lage nach den i Weltgegenden die Veranlassung geben mochte. Genug, die Py¬ ramiden sind nach Lepsius und Bunsen, welche Menes nach Manetho 3426 Jahre vor Christus Prof. Seyffarth aber 2782 vor Christus setzen, die ältesten Bauten der Erde und ihre wissenschaftlich geführte Anlage ist daher das früheste wissenschaftliche Product. In den Denkmälern der Baukunst von Jules Gailhabaud wird ebenfalls jeglicher Nebenzweck der Pyramiden geleugnet, die nur Grabmäler gewesen sein können, aber Bauten, die durch ihre Kolossalität sowol, wie durch ihre sorgsame Technik sich schon im Alterthum den Ruhm erwarben, in die Zahl der Wunderwerke der Kunst aufgenommen zu werden. Lepsius hat gefunden, daß die Pyramiden oft nach innen sorgsamer, als nach außen gebaut sind und sagt: der König vollendete in den ersten Regie¬ rungsjahren eine mäßige Pyramide und legte dann, wenn ihm noch neue Jahre vergönnt waren, einen Mantel nach dem andern um, bis er endlich zu einem Punkte gelangte, wo eine jede neue Vergrößerung schon allein ein Riesenwerk war und viele Jahre zur Ausführung brauchte; dann mußte er an die letzte Vollendung denken. Wir stimmen jedoch dein Verfasser einer vor einiger Zeit erschienenen Schrift, deren Titel uns nicht mehr gegenwärtig ist, vollkommen bei, wenn er etwa Folgendes sagte: „Es ist gleichgiltig zu wissen, durch welche äußer¬ lichen Zwecke, Antriebe und Umstände die alten und neuen Bauten hervorge¬ rufen worden sind, sobald man.nicht zu erfassen und zu ergründen vermag, wo die ersten und letzten Antriebe, die Grundtriebe zu suchen sind, in welchem natürlichen und übernatürlichen Sinn und Geist alle die Kunst und Wissen- lchaft gehalten ist; sobald man die Idee nicht begreift, sobald man nicht Sinn und Verstand hat, zwischen den Zeilen, den Bauwerken und Formen zu lesen und inne zu werden, wie oft der menschliche Geist das Unendliche und Ewige, das Geistige im Sinne führt, wenn er scheinbar nur das Materielle ausgestattet hat." Aehnlich äußerte sich übrigens schon Diodor von Sicilien über die 3 großen Pyramiden und deren Baumeister, obgleich er noch keine Ahnung von dem architektonisch mathematischen Geiste haben konnte, der in diesen Bauten liegt und die Seele derselben ist. Eben dies führt uns zu der Röberschen Schrift zurück, aus der wir noch Folgendes mitzutheilen uns ver¬ anlaßt fühlen: Es ist Herrn Roher gelungen, in den Pyramiden eine eigenthümliche Ge¬ setzmäßigkeit der Anlage zu entdecken. Die einzelnen Verhältnisse lassen keinen Zweifel übrig, daß der Ursprung der Geometrie weit über die Meneödyna- Grenzl'öden, III. 18so.

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341580_99919
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341580_99919/121
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341580_99919/121>, abgerufen am 21.06.2024.