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Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, I. Semester. II. Band.

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dem Eingehen in die Leiblichkeit verlierend, ihren Vater als Gott, grade so
wie dieser mit seinen Brüdern im Universum seinen Vater als Gott ehrt, und
sofort bis zum Ureltervater des gesammten Göttergeschlechts auf dem Sterne
Kolob, der so groß ist, daß eine seiner Umdrehungen und folglich einer seiner
Tage tausend unsrer Jahre dauert.

nachzuweisen, wie sich damit das Folgende verträgt, ist nicht unsre Sache.
Es genüge die Bemerkung, daß es aus derselben authentischen Quelle geschöpft
ist, wie das Vorige. Die von dem Gotte, welcher unser Vater ist, erzeugten
Geister haben die Wahl, entweder zu bleiben, wo sie sind, oder einen materi¬
ellen Leib anzunehmen und durch ein Leben der Prüfung auf Erden sich zu
größerer Herrlichkeit emporzuarbeiten, als sie bei ihrem Vater als Geister ge¬
nießen. Sobald ein solcher Gottessohn Besitz von seinem irdischen Leibes¬
tempel nimmt (welches geschieht, wenn der Embryo sich zu regen anfängt), so
wird der Mensch eine lebende Seele. Die Grundstoffe, aus denen der Mensch
zusammengesetzt ist, sind eine grobe Materie oder Leiblichkeit und eine feinere,
auf welche die Schwerkraft nicht wirkt und welche ohne ein Wunder nicht sicht¬
bar ist, der Geist. Letzterer ist in Wahrheit eigentlich substantieller als der
Körper, denn er ist dem Wechsel und der Vergänglichkeit nicht unterworfen.
Der Tod trennt sie; dann aber bewacht der Geist jedes Theilchen seines ge¬
liebten Leibestempels, bis das Werde,der Auferstehung ertönt.

Der Tod wurde durch den Fall Adams in die Welt gebracht, welcher
"der große Patriarch" ist, und welchen die Schrift "Michael, den Alten der
Tage mit Haaren wie Wolle" nennt. Anderwärts heißt es aber, Adam oder
Michael sei gefallen, damit es Menschen gäbe; er habe mit vollem Bewußtsein
der Folgen vom Apfel gegessen, und sein Thun sei in der Oekonomie der Welt-
begebenheiten vorausgesehen gewesen. Er sündigte, erklärt der große Dogma-
tiker, dessen Schriften wir hier folgen, damit sterbliche Leiber entstehen könnten,
geeignet zur Wohnung von Geistern, sobald es denselben beliebte, ihre Prü¬
fungszeit anzutreten. Entspricht ein solcher Geist seiner ursprünglichen Absicht
nicht, besteht er die Prüfung nicht, sündigt er in seinem Leben als Mensch, so
wird ihm nach seinem Tode eine niedrigere Stufe des Daseins und der Prüfung
angewiesen, und ist er auf dieser wieder ungehorsam, noch eine tiefere, bis er
endlich zur Unterwerfung kommt und nun Erlaubniß erhält, seinen Weg Stufe
für Stufe aufwärts zurückzulegen und nach der alten Herrlichkeit der Kinder
Gottes zu gelangen.

Ein Beispiel hierzu bietet das Leben eines der hervorragendsten Apostel
der Sekte, Taylors, des jetzigen Präsidenten der Mormonen auf den Sand-
wichsinseln. Dieser würdige Herr wurde einst von Zweifeln hinsichtlich der
Nichtigkeit des Systems beschlichen und dachte aus der Kirche zu scheiden. Da
erschien plötzlich ein Engel vor ihm, warnte ihn vor seinem Beginnen und


dem Eingehen in die Leiblichkeit verlierend, ihren Vater als Gott, grade so
wie dieser mit seinen Brüdern im Universum seinen Vater als Gott ehrt, und
sofort bis zum Ureltervater des gesammten Göttergeschlechts auf dem Sterne
Kolob, der so groß ist, daß eine seiner Umdrehungen und folglich einer seiner
Tage tausend unsrer Jahre dauert.

nachzuweisen, wie sich damit das Folgende verträgt, ist nicht unsre Sache.
Es genüge die Bemerkung, daß es aus derselben authentischen Quelle geschöpft
ist, wie das Vorige. Die von dem Gotte, welcher unser Vater ist, erzeugten
Geister haben die Wahl, entweder zu bleiben, wo sie sind, oder einen materi¬
ellen Leib anzunehmen und durch ein Leben der Prüfung auf Erden sich zu
größerer Herrlichkeit emporzuarbeiten, als sie bei ihrem Vater als Geister ge¬
nießen. Sobald ein solcher Gottessohn Besitz von seinem irdischen Leibes¬
tempel nimmt (welches geschieht, wenn der Embryo sich zu regen anfängt), so
wird der Mensch eine lebende Seele. Die Grundstoffe, aus denen der Mensch
zusammengesetzt ist, sind eine grobe Materie oder Leiblichkeit und eine feinere,
auf welche die Schwerkraft nicht wirkt und welche ohne ein Wunder nicht sicht¬
bar ist, der Geist. Letzterer ist in Wahrheit eigentlich substantieller als der
Körper, denn er ist dem Wechsel und der Vergänglichkeit nicht unterworfen.
Der Tod trennt sie; dann aber bewacht der Geist jedes Theilchen seines ge¬
liebten Leibestempels, bis das Werde,der Auferstehung ertönt.

Der Tod wurde durch den Fall Adams in die Welt gebracht, welcher
„der große Patriarch" ist, und welchen die Schrift „Michael, den Alten der
Tage mit Haaren wie Wolle" nennt. Anderwärts heißt es aber, Adam oder
Michael sei gefallen, damit es Menschen gäbe; er habe mit vollem Bewußtsein
der Folgen vom Apfel gegessen, und sein Thun sei in der Oekonomie der Welt-
begebenheiten vorausgesehen gewesen. Er sündigte, erklärt der große Dogma-
tiker, dessen Schriften wir hier folgen, damit sterbliche Leiber entstehen könnten,
geeignet zur Wohnung von Geistern, sobald es denselben beliebte, ihre Prü¬
fungszeit anzutreten. Entspricht ein solcher Geist seiner ursprünglichen Absicht
nicht, besteht er die Prüfung nicht, sündigt er in seinem Leben als Mensch, so
wird ihm nach seinem Tode eine niedrigere Stufe des Daseins und der Prüfung
angewiesen, und ist er auf dieser wieder ungehorsam, noch eine tiefere, bis er
endlich zur Unterwerfung kommt und nun Erlaubniß erhält, seinen Weg Stufe
für Stufe aufwärts zurückzulegen und nach der alten Herrlichkeit der Kinder
Gottes zu gelangen.

Ein Beispiel hierzu bietet das Leben eines der hervorragendsten Apostel
der Sekte, Taylors, des jetzigen Präsidenten der Mormonen auf den Sand-
wichsinseln. Dieser würdige Herr wurde einst von Zweifeln hinsichtlich der
Nichtigkeit des Systems beschlichen und dachte aus der Kirche zu scheiden. Da
erschien plötzlich ein Engel vor ihm, warnte ihn vor seinem Beginnen und


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341580_99385/90>, abgerufen am 29.06.2024.