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Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, I. Semester. II. Band.

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hett des Blicks und Leichtigkeit des Befehls erhielt, welche nöthig werde", wo
ein Wille mehre Hunderttausende zu führen hat.

Diese neue Art der Taktik, welche sich für immer an den Namen Napo¬
leons knüpfen wird, wird als Taktik der discreten Haufen bezeichnet.
Ihr Wesen ist die doppelte Verbindung 1) der drei Waffen in der Division,
A) der drei Gesechtsarten, der Linie, Colonnen und des zerstreuten Gefechts in
der Schlacht. In ihr ist die Colonne die eigentliche Fundamentalstellung, die
entweder selbst zum Gefecht gebraucht wird oder aus welcher die übrigen Ge¬
fechtsformen hervorgehn. Der Fall des preußischen Staates im Jahre 1806
und 1807 kann in militärischer Beziehung bezeichnet werden als die großartigste
Niederlage der Lineartaktik gegenüber dem neuen Princip. Diese Krieg¬
führung besteht noch jetzt, und welche Modifikationen sie auch noch im
Einzelnen erfahren mag, alle Schlachten der nächsten europäischen Kriege
werden nach ihren Grundzügen geschlagen werden. Die letzten vierzig Jahre,
welche man im Allgemeinen Jahre des Friedens nennen kann, haben in dem
europäische" Heerwesen allerdings manches geändert. Vor allem sind die An-
griffswaffen i" einer Weise vervollkommnet worden, die aus Taktik und Stra¬
tegie ihren Einfluß schon gegenwärtig äußert. Das Steinschloßgewehr der In¬
fanterie wurde durch das Percussionsgewehr verdrängt und dieses scheint grade
jetzt durch neue Erfindunge.n beseitigt zu werden, welche eine sorgfältigere Aus¬
bildung des Jnfanteristen nöthig machen, aber auch die Schnelligkeit des Schie¬
ßens, die Treffer und die Distancen des wirksamen Schusses, um das Doppelte,
ja Dreifache vermehren. Nicht geringer sind die Fortschritte, welche die Artille¬
rie gemacht hat, die Schnelligkeit und Sicherheit auch ihrer Schüsse ist ver¬
mehr! worden, die allgemeine Anwendung der Granaten- und Naketenbatterien
hat die Bedeutung dieser Waffe noch sehr gesteigert. Die Vervollkommnung
deö Jnfanteriegewehrs wird in der nächsten Zukunft sicher noch wichtige Ver¬
änderungen auch in der Artillerie zur Folge haben; und das nächste Problem für
sie dürfte eine Vergrößerung des Kalibers ohne Verminderung der Beweglich¬
keit werden. Wenigstens wird das jetzt bei allen Armeen am häufigsten an¬
gewandte Feldgeschütz, der Sechspfünder, sich nur unter Umständen gegen das
neue Jnsanteriegewehr behaupten können, welches Visiere bis auf sechshundert
Schritt hat, wenigstens bis auf vierhundert Schritt mit noch großer Wahr¬
scheinlichkeit des Treffens auf einen einzelnen Mann zielen kann; und die Schüsse
mit einer Schnelligkeit abgibt, welche unsren Ererziermeiftern noch vor zwei
Jahrzehnden märchenhaft erschienen wäre.

Jedes größere Gefecht hat nach dieser taktischen Methode ungefähr folgen¬
den Verlauf.

Haben die feindlichen Heere sich eines dem andern genähert, so wird die
erste Aufgabe, Zweck und Absicht deö Gegners, Stärke, Aufstellung und daS


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hett des Blicks und Leichtigkeit des Befehls erhielt, welche nöthig werde», wo
ein Wille mehre Hunderttausende zu führen hat.

Diese neue Art der Taktik, welche sich für immer an den Namen Napo¬
leons knüpfen wird, wird als Taktik der discreten Haufen bezeichnet.
Ihr Wesen ist die doppelte Verbindung 1) der drei Waffen in der Division,
A) der drei Gesechtsarten, der Linie, Colonnen und des zerstreuten Gefechts in
der Schlacht. In ihr ist die Colonne die eigentliche Fundamentalstellung, die
entweder selbst zum Gefecht gebraucht wird oder aus welcher die übrigen Ge¬
fechtsformen hervorgehn. Der Fall des preußischen Staates im Jahre 1806
und 1807 kann in militärischer Beziehung bezeichnet werden als die großartigste
Niederlage der Lineartaktik gegenüber dem neuen Princip. Diese Krieg¬
führung besteht noch jetzt, und welche Modifikationen sie auch noch im
Einzelnen erfahren mag, alle Schlachten der nächsten europäischen Kriege
werden nach ihren Grundzügen geschlagen werden. Die letzten vierzig Jahre,
welche man im Allgemeinen Jahre des Friedens nennen kann, haben in dem
europäische» Heerwesen allerdings manches geändert. Vor allem sind die An-
griffswaffen i» einer Weise vervollkommnet worden, die aus Taktik und Stra¬
tegie ihren Einfluß schon gegenwärtig äußert. Das Steinschloßgewehr der In¬
fanterie wurde durch das Percussionsgewehr verdrängt und dieses scheint grade
jetzt durch neue Erfindunge.n beseitigt zu werden, welche eine sorgfältigere Aus¬
bildung des Jnfanteristen nöthig machen, aber auch die Schnelligkeit des Schie¬
ßens, die Treffer und die Distancen des wirksamen Schusses, um das Doppelte,
ja Dreifache vermehren. Nicht geringer sind die Fortschritte, welche die Artille¬
rie gemacht hat, die Schnelligkeit und Sicherheit auch ihrer Schüsse ist ver¬
mehr! worden, die allgemeine Anwendung der Granaten- und Naketenbatterien
hat die Bedeutung dieser Waffe noch sehr gesteigert. Die Vervollkommnung
deö Jnfanteriegewehrs wird in der nächsten Zukunft sicher noch wichtige Ver¬
änderungen auch in der Artillerie zur Folge haben; und das nächste Problem für
sie dürfte eine Vergrößerung des Kalibers ohne Verminderung der Beweglich¬
keit werden. Wenigstens wird das jetzt bei allen Armeen am häufigsten an¬
gewandte Feldgeschütz, der Sechspfünder, sich nur unter Umständen gegen das
neue Jnsanteriegewehr behaupten können, welches Visiere bis auf sechshundert
Schritt hat, wenigstens bis auf vierhundert Schritt mit noch großer Wahr¬
scheinlichkeit des Treffens auf einen einzelnen Mann zielen kann; und die Schüsse
mit einer Schnelligkeit abgibt, welche unsren Ererziermeiftern noch vor zwei
Jahrzehnden märchenhaft erschienen wäre.

Jedes größere Gefecht hat nach dieser taktischen Methode ungefähr folgen¬
den Verlauf.

Haben die feindlichen Heere sich eines dem andern genähert, so wird die
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341580_99385/521>, abgerufen am 03.07.2024.