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Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, I. Semester. II. Band.

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Schnellfeuer, was immer auch seinen Werth hat, und namentlich auf Fahren
erhalten hat. . >

Ich will hier gern eingestehen, daß ich im Irrthum gewesen, wenn ich in
dem Aufsatze ("die vier Armeen in der Krim" XIII. Jahrgang, II. Semester,
i>9. Heft der Grenzboten) aus den Leistung".'" der russischen Geschützwaffe in
der Schlacht an der Alma (Ä0. Sept. 18kli) den Schluß zog: dieselbe wirke
mehr als Positions-, wie als Manöverartillerie. Von der ältern zarischen
Artillerie durste dies allerdings gesagt werden, in neuerer Zeit ist indeß das
umgekehrte Verhältniß eingetreten. Eine schlagendere Beweisführung dafür
kann nicht gegeben werden/ als durch ein Eingehen auf gewisse Einzelheiten
der Schlacht von Jnkerman. An diesem Tage war die russische Infanterie tapfer
wie immer, aber nicht selten schlecht geführt. Den Anspruch aus das Verdienst,
sie vor einer großen Katastrophe geschützt zu haben, darf die Artillerie allein und
mit vollstem Recht erheben. Was sich auch darüber diesseits geäußert hat, that es
nicht anders, als in den Ausdrücken der anerkennendsten Bewunderung. Seit
diesem Tage auch steht es fest: daß die russische Geschützwaffe, weit entfernt,
an ihrer frühern Manövrirunfähigkeit weiter zu leiden, im Gegentheil die
gelenkeste Artillerie Europas ist. Man stelle sich nur vor, daß sie am 6. No¬
vember das Plateau von Jnkerman, welches ihr Gefechtsfeld war, auf einem
steilen und rauhen Pfade längs der linken Thalwand der Tschcrnaja zu er¬
reichen hatte; daß sie hier ein zerrissenes Hügelterrain vorfand, welches zum
Theil mit Unterholz bestanden war, und die Massen der Infanterie ihr, indem
sie sie zum Theil maskirten, nur ein beschränktes Wirkungsfeld ließen. Den¬
noch waren alle Bewegungen zweckgerecht und das Feuer, wenn es auch besser
hätte gezielt werden können, war wohlgenährt bis zur letzten Periode des
Kampfes, in welcher der Rückzug der Russen sich entschied.

Wenn man die Localverhältnisse in Betracht zieht, muß es als ein
wahres Wunder angesehen werden, daß die Russen die Schlacht abzubrechen
vermochten, ohne eine einzige Kanone zu verlieren. Kaum jemals ist ein Rück¬
gang von einer erheblichen Anzahl (80) Geschützen unter schwierigern Ver¬
hältnissen zur Ausführung gekommen, und englische.und französische Offiziere
sind einstimmig in ihrer.Anerkennung dieser glänzenden Leistung.

Obschon sie eingestandenermaßen überraschte, kaun man dennoch andrer¬
seits nicht umhin zuzugeben, daß man in Nußland vorzugsweise sich in der Lage
befindet, im Manöver der Artillerie große Resultate zu erreichen. Wenn irgend¬
wo steht im Reich des Zaren das Fuhrwesen auf einer hohen Stufe der Aus¬
bildung. Man irrt, wenn man dem russischen Pferde als Haupteigenschaft, die
den Reiter zu tragen, beimißt^ Im Grunde genommen ist es ungleich mehr,
ja durchgängig, mit wenigen Ausnahmen, eher Zug- wie Lastthier. Dazu
kommt die ungeheure Zahl des Pferdestapels, der sich nach einer mäßigen


Schnellfeuer, was immer auch seinen Werth hat, und namentlich auf Fahren
erhalten hat. . >

Ich will hier gern eingestehen, daß ich im Irrthum gewesen, wenn ich in
dem Aufsatze („die vier Armeen in der Krim" XIII. Jahrgang, II. Semester,
i>9. Heft der Grenzboten) aus den Leistung«.'« der russischen Geschützwaffe in
der Schlacht an der Alma (Ä0. Sept. 18kli) den Schluß zog: dieselbe wirke
mehr als Positions-, wie als Manöverartillerie. Von der ältern zarischen
Artillerie durste dies allerdings gesagt werden, in neuerer Zeit ist indeß das
umgekehrte Verhältniß eingetreten. Eine schlagendere Beweisführung dafür
kann nicht gegeben werden/ als durch ein Eingehen auf gewisse Einzelheiten
der Schlacht von Jnkerman. An diesem Tage war die russische Infanterie tapfer
wie immer, aber nicht selten schlecht geführt. Den Anspruch aus das Verdienst,
sie vor einer großen Katastrophe geschützt zu haben, darf die Artillerie allein und
mit vollstem Recht erheben. Was sich auch darüber diesseits geäußert hat, that es
nicht anders, als in den Ausdrücken der anerkennendsten Bewunderung. Seit
diesem Tage auch steht es fest: daß die russische Geschützwaffe, weit entfernt,
an ihrer frühern Manövrirunfähigkeit weiter zu leiden, im Gegentheil die
gelenkeste Artillerie Europas ist. Man stelle sich nur vor, daß sie am 6. No¬
vember das Plateau von Jnkerman, welches ihr Gefechtsfeld war, auf einem
steilen und rauhen Pfade längs der linken Thalwand der Tschcrnaja zu er¬
reichen hatte; daß sie hier ein zerrissenes Hügelterrain vorfand, welches zum
Theil mit Unterholz bestanden war, und die Massen der Infanterie ihr, indem
sie sie zum Theil maskirten, nur ein beschränktes Wirkungsfeld ließen. Den¬
noch waren alle Bewegungen zweckgerecht und das Feuer, wenn es auch besser
hätte gezielt werden können, war wohlgenährt bis zur letzten Periode des
Kampfes, in welcher der Rückzug der Russen sich entschied.

Wenn man die Localverhältnisse in Betracht zieht, muß es als ein
wahres Wunder angesehen werden, daß die Russen die Schlacht abzubrechen
vermochten, ohne eine einzige Kanone zu verlieren. Kaum jemals ist ein Rück¬
gang von einer erheblichen Anzahl (80) Geschützen unter schwierigern Ver¬
hältnissen zur Ausführung gekommen, und englische.und französische Offiziere
sind einstimmig in ihrer.Anerkennung dieser glänzenden Leistung.

Obschon sie eingestandenermaßen überraschte, kaun man dennoch andrer¬
seits nicht umhin zuzugeben, daß man in Nußland vorzugsweise sich in der Lage
befindet, im Manöver der Artillerie große Resultate zu erreichen. Wenn irgend¬
wo steht im Reich des Zaren das Fuhrwesen auf einer hohen Stufe der Aus¬
bildung. Man irrt, wenn man dem russischen Pferde als Haupteigenschaft, die
den Reiter zu tragen, beimißt^ Im Grunde genommen ist es ungleich mehr,
ja durchgängig, mit wenigen Ausnahmen, eher Zug- wie Lastthier. Dazu
kommt die ungeheure Zahl des Pferdestapels, der sich nach einer mäßigen


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[0476] Schnellfeuer, was immer auch seinen Werth hat, und namentlich auf Fahren erhalten hat. . > Ich will hier gern eingestehen, daß ich im Irrthum gewesen, wenn ich in dem Aufsatze („die vier Armeen in der Krim" XIII. Jahrgang, II. Semester, i>9. Heft der Grenzboten) aus den Leistung«.'« der russischen Geschützwaffe in der Schlacht an der Alma (Ä0. Sept. 18kli) den Schluß zog: dieselbe wirke mehr als Positions-, wie als Manöverartillerie. Von der ältern zarischen Artillerie durste dies allerdings gesagt werden, in neuerer Zeit ist indeß das umgekehrte Verhältniß eingetreten. Eine schlagendere Beweisführung dafür kann nicht gegeben werden/ als durch ein Eingehen auf gewisse Einzelheiten der Schlacht von Jnkerman. An diesem Tage war die russische Infanterie tapfer wie immer, aber nicht selten schlecht geführt. Den Anspruch aus das Verdienst, sie vor einer großen Katastrophe geschützt zu haben, darf die Artillerie allein und mit vollstem Recht erheben. Was sich auch darüber diesseits geäußert hat, that es nicht anders, als in den Ausdrücken der anerkennendsten Bewunderung. Seit diesem Tage auch steht es fest: daß die russische Geschützwaffe, weit entfernt, an ihrer frühern Manövrirunfähigkeit weiter zu leiden, im Gegentheil die gelenkeste Artillerie Europas ist. Man stelle sich nur vor, daß sie am 6. No¬ vember das Plateau von Jnkerman, welches ihr Gefechtsfeld war, auf einem steilen und rauhen Pfade längs der linken Thalwand der Tschcrnaja zu er¬ reichen hatte; daß sie hier ein zerrissenes Hügelterrain vorfand, welches zum Theil mit Unterholz bestanden war, und die Massen der Infanterie ihr, indem sie sie zum Theil maskirten, nur ein beschränktes Wirkungsfeld ließen. Den¬ noch waren alle Bewegungen zweckgerecht und das Feuer, wenn es auch besser hätte gezielt werden können, war wohlgenährt bis zur letzten Periode des Kampfes, in welcher der Rückzug der Russen sich entschied. Wenn man die Localverhältnisse in Betracht zieht, muß es als ein wahres Wunder angesehen werden, daß die Russen die Schlacht abzubrechen vermochten, ohne eine einzige Kanone zu verlieren. Kaum jemals ist ein Rück¬ gang von einer erheblichen Anzahl (80) Geschützen unter schwierigern Ver¬ hältnissen zur Ausführung gekommen, und englische.und französische Offiziere sind einstimmig in ihrer.Anerkennung dieser glänzenden Leistung. Obschon sie eingestandenermaßen überraschte, kaun man dennoch andrer¬ seits nicht umhin zuzugeben, daß man in Nußland vorzugsweise sich in der Lage befindet, im Manöver der Artillerie große Resultate zu erreichen. Wenn irgend¬ wo steht im Reich des Zaren das Fuhrwesen auf einer hohen Stufe der Aus¬ bildung. Man irrt, wenn man dem russischen Pferde als Haupteigenschaft, die den Reiter zu tragen, beimißt^ Im Grunde genommen ist es ungleich mehr, ja durchgängig, mit wenigen Ausnahmen, eher Zug- wie Lastthier. Dazu kommt die ungeheure Zahl des Pferdestapels, der sich nach einer mäßigen

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341580_99385/476>, abgerufen am 29.06.2024.