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Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, I. Semester. II. Band.

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Strecke" ihres gelobten Landes waren, Dann, wenn zu den Füßen der gigan¬
tischen Bäume alles in rauchenden Trümmern liegt, wenn die von der Flamme
gedörrten Lianen wie ein feuriger Pfeil zum Gipfel ihrer alten Stützen hinaus¬
flattern, und von Rauch geschwärzt, hoch an den Zweigen zittern, wenn die
gleichfalls verzehrten Blätter in Staub zerfallen, und wie die Asche eines
Vulkans in der Luft wirbeln, dann beginnt die Art ihr Werk. Neger treten
vor und greifen den Baum an, nicht bei der Wurzel, -- ihn zu fällen würde
Wochen, ihn in der Länge zu spalten und zu trennen Monate erfordern, --
nein, sie begnügen sich, einen tiefen, bis ins Herz dringenden Kerb einzuhauen,
welcher den Lauf des Saftes stört: und der alte Bewohner der Wälder sieht
sein Haupt trocken werden und verdorren, welches so mancher Frühling mit
Blumen an goldenen Stielen schmückte. Die Neste deö verbrannten Mooses
bedecken mit ihrer Todtenfarbe den Fuß des Baumes, zittern in unheimlichem
Geflüster, und verscheuchen noch lange die Drosseln, deren hungrige Schaar
um die Erstlinge der Ernte mit dem Ansiedler im Kampfe liegt. Die Pflan¬
zungen bestehen dann aus nichts, als umhegten Feldern, mit halbverbrannten
Baumstämmen bedeckt, welche schwarz und melancholisch in die Lüfte ragen.
Endlich kommt ein Sturm, und der todtwunde Baum stürzt krachend zu Bo¬
den, rollt in Trümmer" dahin und zerdrückt hier und da Maisfelder, Rohr,
Baumwollenstauden, und vielleicht einen trägen Neger, den man, wäre er
nicht todt, gepeitscht haben würde, weil er unter dem Schatten desselben einge¬
schlafen war.

So macht die Zerstörung und Industrie mit jedem Winter neue Fort¬
schritte. Was aber wird aus dem Jndia"er, dessen Hütte am Ufer des Flusses
stand, und dessen einsames Versteck von dem Feuer des Ansiedlers verwüstet
wurde? Traurig, sinnend, entfernt er sich; eine Falte mehr legt sich auf seine
Stirn. Jagd ist sei" Leben; wo aber das Wild finden, welches vor dein An¬
blick des weißen Menschen tief in die Wüsten hineinsticht? "Mögen sie aus¬
wandern mit ihren Bären und Büffeln," antworten die Ansiedler, "oder ihre
Bogen wegwerfen, mit uns arbeiten und den Pflug ziehen!" Wie armselig
und elend es uns auch erscheinen mag, so hat das wilde Leben für sie doch
zu viel Reiz; sie sind dort geboren, dieses Land gehört vielleicht ihnen, sie
sind lange die alleinigen Besitzer desselben gewesen. Aber die rothen Söhne
des Landes ziehen in die Fremde, bei ungastlichen Stämmen Brot und Wasser
zu erbetteln, in der Mitte zwischen ihren noch freien Feinden und den immer
weiter vorrückenden Weißen, werden sie die Beute der Siour, Osagen, oder
Comanches. Auch dem Indianer, welcher die Gebeine seiner Väter auf den
Rücken ladet, und seine theure Last bis zu dem Orte trägt, wo er finster
und schweigend die neue Hütte aufschlägt, ist nicht jedes Land einerlei. Das
Vaterland des Wilden war seine Hütte am User des Flusses, überschattet von


Strecke» ihres gelobten Landes waren, Dann, wenn zu den Füßen der gigan¬
tischen Bäume alles in rauchenden Trümmern liegt, wenn die von der Flamme
gedörrten Lianen wie ein feuriger Pfeil zum Gipfel ihrer alten Stützen hinaus¬
flattern, und von Rauch geschwärzt, hoch an den Zweigen zittern, wenn die
gleichfalls verzehrten Blätter in Staub zerfallen, und wie die Asche eines
Vulkans in der Luft wirbeln, dann beginnt die Art ihr Werk. Neger treten
vor und greifen den Baum an, nicht bei der Wurzel, — ihn zu fällen würde
Wochen, ihn in der Länge zu spalten und zu trennen Monate erfordern, —
nein, sie begnügen sich, einen tiefen, bis ins Herz dringenden Kerb einzuhauen,
welcher den Lauf des Saftes stört: und der alte Bewohner der Wälder sieht
sein Haupt trocken werden und verdorren, welches so mancher Frühling mit
Blumen an goldenen Stielen schmückte. Die Neste deö verbrannten Mooses
bedecken mit ihrer Todtenfarbe den Fuß des Baumes, zittern in unheimlichem
Geflüster, und verscheuchen noch lange die Drosseln, deren hungrige Schaar
um die Erstlinge der Ernte mit dem Ansiedler im Kampfe liegt. Die Pflan¬
zungen bestehen dann aus nichts, als umhegten Feldern, mit halbverbrannten
Baumstämmen bedeckt, welche schwarz und melancholisch in die Lüfte ragen.
Endlich kommt ein Sturm, und der todtwunde Baum stürzt krachend zu Bo¬
den, rollt in Trümmer» dahin und zerdrückt hier und da Maisfelder, Rohr,
Baumwollenstauden, und vielleicht einen trägen Neger, den man, wäre er
nicht todt, gepeitscht haben würde, weil er unter dem Schatten desselben einge¬
schlafen war.

So macht die Zerstörung und Industrie mit jedem Winter neue Fort¬
schritte. Was aber wird aus dem Jndia»er, dessen Hütte am Ufer des Flusses
stand, und dessen einsames Versteck von dem Feuer des Ansiedlers verwüstet
wurde? Traurig, sinnend, entfernt er sich; eine Falte mehr legt sich auf seine
Stirn. Jagd ist sei» Leben; wo aber das Wild finden, welches vor dein An¬
blick des weißen Menschen tief in die Wüsten hineinsticht? „Mögen sie aus¬
wandern mit ihren Bären und Büffeln," antworten die Ansiedler, „oder ihre
Bogen wegwerfen, mit uns arbeiten und den Pflug ziehen!" Wie armselig
und elend es uns auch erscheinen mag, so hat das wilde Leben für sie doch
zu viel Reiz; sie sind dort geboren, dieses Land gehört vielleicht ihnen, sie
sind lange die alleinigen Besitzer desselben gewesen. Aber die rothen Söhne
des Landes ziehen in die Fremde, bei ungastlichen Stämmen Brot und Wasser
zu erbetteln, in der Mitte zwischen ihren noch freien Feinden und den immer
weiter vorrückenden Weißen, werden sie die Beute der Siour, Osagen, oder
Comanches. Auch dem Indianer, welcher die Gebeine seiner Väter auf den
Rücken ladet, und seine theure Last bis zu dem Orte trägt, wo er finster
und schweigend die neue Hütte aufschlägt, ist nicht jedes Land einerlei. Das
Vaterland des Wilden war seine Hütte am User des Flusses, überschattet von


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[0422] Strecke» ihres gelobten Landes waren, Dann, wenn zu den Füßen der gigan¬ tischen Bäume alles in rauchenden Trümmern liegt, wenn die von der Flamme gedörrten Lianen wie ein feuriger Pfeil zum Gipfel ihrer alten Stützen hinaus¬ flattern, und von Rauch geschwärzt, hoch an den Zweigen zittern, wenn die gleichfalls verzehrten Blätter in Staub zerfallen, und wie die Asche eines Vulkans in der Luft wirbeln, dann beginnt die Art ihr Werk. Neger treten vor und greifen den Baum an, nicht bei der Wurzel, — ihn zu fällen würde Wochen, ihn in der Länge zu spalten und zu trennen Monate erfordern, — nein, sie begnügen sich, einen tiefen, bis ins Herz dringenden Kerb einzuhauen, welcher den Lauf des Saftes stört: und der alte Bewohner der Wälder sieht sein Haupt trocken werden und verdorren, welches so mancher Frühling mit Blumen an goldenen Stielen schmückte. Die Neste deö verbrannten Mooses bedecken mit ihrer Todtenfarbe den Fuß des Baumes, zittern in unheimlichem Geflüster, und verscheuchen noch lange die Drosseln, deren hungrige Schaar um die Erstlinge der Ernte mit dem Ansiedler im Kampfe liegt. Die Pflan¬ zungen bestehen dann aus nichts, als umhegten Feldern, mit halbverbrannten Baumstämmen bedeckt, welche schwarz und melancholisch in die Lüfte ragen. Endlich kommt ein Sturm, und der todtwunde Baum stürzt krachend zu Bo¬ den, rollt in Trümmer» dahin und zerdrückt hier und da Maisfelder, Rohr, Baumwollenstauden, und vielleicht einen trägen Neger, den man, wäre er nicht todt, gepeitscht haben würde, weil er unter dem Schatten desselben einge¬ schlafen war. So macht die Zerstörung und Industrie mit jedem Winter neue Fort¬ schritte. Was aber wird aus dem Jndia»er, dessen Hütte am Ufer des Flusses stand, und dessen einsames Versteck von dem Feuer des Ansiedlers verwüstet wurde? Traurig, sinnend, entfernt er sich; eine Falte mehr legt sich auf seine Stirn. Jagd ist sei» Leben; wo aber das Wild finden, welches vor dein An¬ blick des weißen Menschen tief in die Wüsten hineinsticht? „Mögen sie aus¬ wandern mit ihren Bären und Büffeln," antworten die Ansiedler, „oder ihre Bogen wegwerfen, mit uns arbeiten und den Pflug ziehen!" Wie armselig und elend es uns auch erscheinen mag, so hat das wilde Leben für sie doch zu viel Reiz; sie sind dort geboren, dieses Land gehört vielleicht ihnen, sie sind lange die alleinigen Besitzer desselben gewesen. Aber die rothen Söhne des Landes ziehen in die Fremde, bei ungastlichen Stämmen Brot und Wasser zu erbetteln, in der Mitte zwischen ihren noch freien Feinden und den immer weiter vorrückenden Weißen, werden sie die Beute der Siour, Osagen, oder Comanches. Auch dem Indianer, welcher die Gebeine seiner Väter auf den Rücken ladet, und seine theure Last bis zu dem Orte trägt, wo er finster und schweigend die neue Hütte aufschlägt, ist nicht jedes Land einerlei. Das Vaterland des Wilden war seine Hütte am User des Flusses, überschattet von

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341580_99385/422>, abgerufen am 01.07.2024.