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Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, I. Semester. II. Band.

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wenden, als unerschrocken tapfer von Seiten der Belagerten, gekämpft. Der
vierte Tag war angebrochen, aber es erschien immer noch kein Zeichen auf den
Wällen, welches den Wunsch zu erkennen gegeben hätte, die Festung mit
Kapitulation zu übergeben. So begann der letzte Act des schrecklichen Spiels,
welches die Franzosen in einem letzten stürmischen Anlaufe zum Meister der
gewaltigen Feste machte. Es kostete ihnen gegen 3000 Mann und an
200 Offiziere, unter denen allein 14 vom Generalstabe. 6000 Spanier sielen
unter dem Bajonett der Sieger. Der Nest und 480 Offiziere, unter denen
der heldenmüthige Marschall Contreras -- fast alle verwundet wie er selbst --
wurden zu Gefangenen gemacht.

Der fortgesetzte Widerstand des Gouverneurs mich Vier Stürmen bei
gangbarer Bresche, ist gewiß ein seltnes Beispiel in der Geschichte. Marschall
Suchet machte ihm beim ersten Empfang in seinem Hauptquartiere Constanti
schwere Vorwürfe, daS Leben sovieler Tausende noch in den letzten Augen¬
blicken nutzlos geopfert zu bilden. Jedenfalls mag es schwer sei", den äußer¬
sten Grenzpunkt der militärischen Ehre zu bezeichnen. -- Spanien hat aber die
Namen Contreras und Palafor, den sein>ermuthigen Vertheidigern Von Sara^
gossa, neben vielen gleichartigen patriotischen Helden aus einer Zeit in seine
Landesgeschichte eingetragen, als man in manchen andern mit Napoleon in
Krieg verwickelten Reichen deren nicht viele zu Buche bringen konnte. -- Am
die letzten Tage, in denen Suchet unaufhaltsam dem gesteckten Ziele näher
rückte, richtig zu bezeichnen, könnte man sie eine fortdauernde fürchterliche Schlacht
nennen!

Referent nahm an zwei verschiedenen Erpcditionen theil, welche, einmal
unter dem Generallieutenant Sir John Mmrav, das andere Mal unter Lord
William Bentinck, die Bestimmung hatten, Tarragona den Franzosen wieder zu
entreißen. Beide führten nicht zum Ziele, obgleich sie Von einer zahlreichen
Flotte und einem ausgezeichneten Belagerungsgeschütz unterstützt waren. ,

Die erste verunglückte offenkundig an der Unentschlossenheit und gänzlichen
Unfähigkeit des Commandirenden. Das Fort Se. Philipp auf den Höhen vo"
Balaguer, welches auch Suche,t im Jahre 18-11 hatte nehmen müssen, um
seine rechte Flanke zu decken, ehe er zur Belagerung von Tarragona schreiten
konnte, capitulirte nach zweitägigem Beschießen, im Augenblick, als der Sturm
begonnen werden sollte. Tarragona wurde vom 6.--12. Juni 1813 von-der
Flotte und den Landbatterien so wirksam beschossen, daß schon am 11. Morgens
eine Bresche hinlänglich gangbar war. Des Sieges gewiß standen die Sturm -
colorum des Befehls zum Angriff gewärtig. ES hätte eines einzigen herz¬
haften Anlaufs von Seiten der Engländer bedurft, um die nicht zahlreich be¬
setzte Festung zu nehmen; aber die ebensoviel Mitleid als Zorn erregende Un¬
entschlossenheit des Anführers, welche kurz vorher schon die Schuld trug, daß


wenden, als unerschrocken tapfer von Seiten der Belagerten, gekämpft. Der
vierte Tag war angebrochen, aber es erschien immer noch kein Zeichen auf den
Wällen, welches den Wunsch zu erkennen gegeben hätte, die Festung mit
Kapitulation zu übergeben. So begann der letzte Act des schrecklichen Spiels,
welches die Franzosen in einem letzten stürmischen Anlaufe zum Meister der
gewaltigen Feste machte. Es kostete ihnen gegen 3000 Mann und an
200 Offiziere, unter denen allein 14 vom Generalstabe. 6000 Spanier sielen
unter dem Bajonett der Sieger. Der Nest und 480 Offiziere, unter denen
der heldenmüthige Marschall Contreras — fast alle verwundet wie er selbst —
wurden zu Gefangenen gemacht.

Der fortgesetzte Widerstand des Gouverneurs mich Vier Stürmen bei
gangbarer Bresche, ist gewiß ein seltnes Beispiel in der Geschichte. Marschall
Suchet machte ihm beim ersten Empfang in seinem Hauptquartiere Constanti
schwere Vorwürfe, daS Leben sovieler Tausende noch in den letzten Augen¬
blicken nutzlos geopfert zu bilden. Jedenfalls mag es schwer sei», den äußer¬
sten Grenzpunkt der militärischen Ehre zu bezeichnen. — Spanien hat aber die
Namen Contreras und Palafor, den sein>ermuthigen Vertheidigern Von Sara^
gossa, neben vielen gleichartigen patriotischen Helden aus einer Zeit in seine
Landesgeschichte eingetragen, als man in manchen andern mit Napoleon in
Krieg verwickelten Reichen deren nicht viele zu Buche bringen konnte. -- Am
die letzten Tage, in denen Suchet unaufhaltsam dem gesteckten Ziele näher
rückte, richtig zu bezeichnen, könnte man sie eine fortdauernde fürchterliche Schlacht
nennen!

Referent nahm an zwei verschiedenen Erpcditionen theil, welche, einmal
unter dem Generallieutenant Sir John Mmrav, das andere Mal unter Lord
William Bentinck, die Bestimmung hatten, Tarragona den Franzosen wieder zu
entreißen. Beide führten nicht zum Ziele, obgleich sie Von einer zahlreichen
Flotte und einem ausgezeichneten Belagerungsgeschütz unterstützt waren. ,

Die erste verunglückte offenkundig an der Unentschlossenheit und gänzlichen
Unfähigkeit des Commandirenden. Das Fort Se. Philipp auf den Höhen vo»
Balaguer, welches auch Suche,t im Jahre 18-11 hatte nehmen müssen, um
seine rechte Flanke zu decken, ehe er zur Belagerung von Tarragona schreiten
konnte, capitulirte nach zweitägigem Beschießen, im Augenblick, als der Sturm
begonnen werden sollte. Tarragona wurde vom 6.—12. Juni 1813 von-der
Flotte und den Landbatterien so wirksam beschossen, daß schon am 11. Morgens
eine Bresche hinlänglich gangbar war. Des Sieges gewiß standen die Sturm -
colorum des Befehls zum Angriff gewärtig. ES hätte eines einzigen herz¬
haften Anlaufs von Seiten der Engländer bedurft, um die nicht zahlreich be¬
setzte Festung zu nehmen; aber die ebensoviel Mitleid als Zorn erregende Un¬
entschlossenheit des Anführers, welche kurz vorher schon die Schuld trug, daß


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341580_99385/414>, abgerufen am 03.07.2024.