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Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, I. Semester. II. Band.

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Die Belagerung wu Sclmstvpvl
durch die Heere der Westmächte gegenüber der Belagerung und
Erstürmung von Tarragona durch Marschall Suchet
im Jahre 1811.
Avr einem deutschen ysfizicr, ftnher in englischen Diensten.

Fast el" Jahr ist verflossen, seitdem die Heere der Westmachte mit ihren
türkischen Verbündeten in der wünschen Halbinsel Posto gefaßt haben. Sieg¬
reiche Schlachten sind von ihnen gegen numerisch überlegene Feinde geliefert,
während der Kampf, dem sie mit des Winters Kälte, mit Wasserfluten, mit
allen möglichen Entbehrungen zu bestehen hatten, wenig geringer war, als
jener schreckliche Kampf, dem die große französische Armee auf dem Rückzüge
über die Bereßina so grausenerregend erliegen mußte. Selbst dann, als sie
durch. Seuchen der schrecklichsten Art so decimirt waren, daß der Bestand der
Bataillone auf Compagnien geschmolzen war, gingen Engländer, Franzosen und
selbst die Türken noch siegreich aus den Kämpfen in den Laufgräben hervor.
Die überstandenen Strapazen haben den übrig gebliebenen Kern des Heeres
nur noch härter und widerstandsfähiger gemacht. Sollte man nicht einen guten
Erfolg von einem wohlgerichteten Schlage erwarten dürfen, der den Verbün¬
deten etwas mehr als Spielraum zu freiem Abzug gewährt, nachdem sich um die
Veteranen so zahlreiche Zuzüge frischer Krieger geschart haben, die brennend
die erste Gelegenheit herbeisehnen, für die bisher gefallenen Kameraden blutige
Rache zu nehmen?

Trotz deS wohlgerichteten Feuers von mehr denn 300 schweren Geschützen,
deren Donner seit Monden und länger die Festungswerke erbeben machte und
zertrümmerte, unerachtet die Arbeiten der Belagerer Den Umfassungsmauern so nahe
gerückt sind, daß sie dem Feinde in grimmigem Hohn die leeren Porterflaschen
ins Angesicht schleudern, so -- hat man bis jetzt einen Sturm noch nicht ge¬
wagt; es ist bei den Vorbereitungen geblieben und wer kann sagen, ob selbst
diese ausreichend sind, wenn der tapfere Pelissier, wie es den Anschein gewinnt,
das Rechte erfaßt hat? Noch weht das russische Kriegsbanner stolz und her¬
ausfordernd wie zu Anfang ,der Belagerung auf den Forts, wo man nach den
ungeheuern aufgebotenen Mitteln das Aufhissen der weißen Flagge täglich


Krcnzboten. II. >8öL. .61
Die Belagerung wu Sclmstvpvl
durch die Heere der Westmächte gegenüber der Belagerung und
Erstürmung von Tarragona durch Marschall Suchet
im Jahre 1811.
Avr einem deutschen ysfizicr, ftnher in englischen Diensten.

Fast el» Jahr ist verflossen, seitdem die Heere der Westmachte mit ihren
türkischen Verbündeten in der wünschen Halbinsel Posto gefaßt haben. Sieg¬
reiche Schlachten sind von ihnen gegen numerisch überlegene Feinde geliefert,
während der Kampf, dem sie mit des Winters Kälte, mit Wasserfluten, mit
allen möglichen Entbehrungen zu bestehen hatten, wenig geringer war, als
jener schreckliche Kampf, dem die große französische Armee auf dem Rückzüge
über die Bereßina so grausenerregend erliegen mußte. Selbst dann, als sie
durch. Seuchen der schrecklichsten Art so decimirt waren, daß der Bestand der
Bataillone auf Compagnien geschmolzen war, gingen Engländer, Franzosen und
selbst die Türken noch siegreich aus den Kämpfen in den Laufgräben hervor.
Die überstandenen Strapazen haben den übrig gebliebenen Kern des Heeres
nur noch härter und widerstandsfähiger gemacht. Sollte man nicht einen guten
Erfolg von einem wohlgerichteten Schlage erwarten dürfen, der den Verbün¬
deten etwas mehr als Spielraum zu freiem Abzug gewährt, nachdem sich um die
Veteranen so zahlreiche Zuzüge frischer Krieger geschart haben, die brennend
die erste Gelegenheit herbeisehnen, für die bisher gefallenen Kameraden blutige
Rache zu nehmen?

Trotz deS wohlgerichteten Feuers von mehr denn 300 schweren Geschützen,
deren Donner seit Monden und länger die Festungswerke erbeben machte und
zertrümmerte, unerachtet die Arbeiten der Belagerer Den Umfassungsmauern so nahe
gerückt sind, daß sie dem Feinde in grimmigem Hohn die leeren Porterflaschen
ins Angesicht schleudern, so — hat man bis jetzt einen Sturm noch nicht ge¬
wagt; es ist bei den Vorbereitungen geblieben und wer kann sagen, ob selbst
diese ausreichend sind, wenn der tapfere Pelissier, wie es den Anschein gewinnt,
das Rechte erfaßt hat? Noch weht das russische Kriegsbanner stolz und her¬
ausfordernd wie zu Anfang ,der Belagerung auf den Forts, wo man nach den
ungeheuern aufgebotenen Mitteln das Aufhissen der weißen Flagge täglich


Krcnzboten. II. >8öL. .61
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[0409] Die Belagerung wu Sclmstvpvl durch die Heere der Westmächte gegenüber der Belagerung und Erstürmung von Tarragona durch Marschall Suchet im Jahre 1811. Avr einem deutschen ysfizicr, ftnher in englischen Diensten. Fast el» Jahr ist verflossen, seitdem die Heere der Westmachte mit ihren türkischen Verbündeten in der wünschen Halbinsel Posto gefaßt haben. Sieg¬ reiche Schlachten sind von ihnen gegen numerisch überlegene Feinde geliefert, während der Kampf, dem sie mit des Winters Kälte, mit Wasserfluten, mit allen möglichen Entbehrungen zu bestehen hatten, wenig geringer war, als jener schreckliche Kampf, dem die große französische Armee auf dem Rückzüge über die Bereßina so grausenerregend erliegen mußte. Selbst dann, als sie durch. Seuchen der schrecklichsten Art so decimirt waren, daß der Bestand der Bataillone auf Compagnien geschmolzen war, gingen Engländer, Franzosen und selbst die Türken noch siegreich aus den Kämpfen in den Laufgräben hervor. Die überstandenen Strapazen haben den übrig gebliebenen Kern des Heeres nur noch härter und widerstandsfähiger gemacht. Sollte man nicht einen guten Erfolg von einem wohlgerichteten Schlage erwarten dürfen, der den Verbün¬ deten etwas mehr als Spielraum zu freiem Abzug gewährt, nachdem sich um die Veteranen so zahlreiche Zuzüge frischer Krieger geschart haben, die brennend die erste Gelegenheit herbeisehnen, für die bisher gefallenen Kameraden blutige Rache zu nehmen? Trotz deS wohlgerichteten Feuers von mehr denn 300 schweren Geschützen, deren Donner seit Monden und länger die Festungswerke erbeben machte und zertrümmerte, unerachtet die Arbeiten der Belagerer Den Umfassungsmauern so nahe gerückt sind, daß sie dem Feinde in grimmigem Hohn die leeren Porterflaschen ins Angesicht schleudern, so — hat man bis jetzt einen Sturm noch nicht ge¬ wagt; es ist bei den Vorbereitungen geblieben und wer kann sagen, ob selbst diese ausreichend sind, wenn der tapfere Pelissier, wie es den Anschein gewinnt, das Rechte erfaßt hat? Noch weht das russische Kriegsbanner stolz und her¬ ausfordernd wie zu Anfang ,der Belagerung auf den Forts, wo man nach den ungeheuern aufgebotenen Mitteln das Aufhissen der weißen Flagge täglich Krcnzboten. II. >8öL. .61

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341580_99385/409>, abgerufen am 28.09.2024.