Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, I. Semester. II. Band.Der Ruf des Mucssui erklang von der Galerie der Minarets kaum hernieder, als Hauptsammelpunkte sür das Volk sind in diesen Tagen am Abend die Orte, -- Der Frühling in Konstantinopel. -- Man Es war für das frische und nachhaltige Entfalten der Vegetation in der Grenzboten. II. -lijüö. öl)
Der Ruf des Mucssui erklang von der Galerie der Minarets kaum hernieder, als Hauptsammelpunkte sür das Volk sind in diesen Tagen am Abend die Orte, — Der Frühling in Konstantinopel. — Man Es war für das frische und nachhaltige Entfalten der Vegetation in der Grenzboten. II. -lijüö. öl)
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Der Ruf des Mucssui erklang von der Galerie der Minarets kaum hernieder, als
zahlreiche Trommeln und Pfeifen das ihrige thaten, um den noch schlafenden Nest
der Gläubigen zu erwecken. Gestern Abend war ganz Stambul, waren Skutari
und Top Hane. nebst den am Bosporus entlang liegenden türkischen Vierteln festlich
erleuchtet, jede der manchmal vielfach übersetzten Minarctgalerien umschwebt ein
strahlender Kreis von Lampen; in demselben Schmuck leuchten die hohen Thürme von
Galata und des Seriaskerats; und so nahe sind diese Lichtmassen zueinander ge¬
stellt, daß über das ganze weite Häusermeer eine Lichtzvne wie ein breiter, hellerer
Aethcrstrciscn schwebt. ,
Hauptsammelpunkte sür das Volk sind in diesen Tagen am Abend die Orte,
wo das bekannte Schattenspiel zur Aufführung kommt, in welchem als Hauptpersonen
der Kara Göß und der Hadschi Ewald figuriren. Die Späße sind, obwol. Männer
und Frauen zuschauen, so unanständiger Art, daß sie sich nicht andeuten lassen.
Auch Frauen spielen mit.
— Der Frühling in Konstantinopel. — Man
kann in den letzten Tagen den Frühling als aus seinem Höhenpunkt angekommen
betrachten. Noch in der vergangenen Woche gab es manche Striche in der nächsten
Umgebung der Hauptstadt, wo die Vegetation minder weit wie anderwärts vor¬
geschritten war. Aus den dem rauhen Nordwind ausgesetzten Plateaus zumal
lag noch mancher Baum und mancher Strauch in Knospen. Jetzt haben auch
die letzten Spätlinge ihre frischen Laubmassen entfaltet; die in hundert Schattirun-
gen überfließend zumeist da ein contrastvolles Bild bieten, wo sie die ernsten und
dunklen, fast schwarzgrün ausschauenden Cypressen zum Hintergrund haben. Und
schon kommen die Früchte in der reichsten Fülle. Nicht nur jene großen und aro¬
matischen Erdbeeren, die man in den fruchtreichen Thälern von Flamur und Ortakoj
zieht, sondern auch die Kirschen vou der weißen, fleischigen Art, mit rothen Backen,
welche der Türke Kcras nennt, bis zur sauern, glasigen, die er.Wischne he,ißt. Aus
den Straßen verkünden die Ausrufer jeden Tag neue frische Gemüse; die Arti¬
schocken waren seit Februar ans den Tafeln der türkischen Paschen und reichen Ar¬
menier, seit April auf den Tischen der Bemittelteren, und jetzt sind sie allgemein.
Aber schon treten ihnen auch in der Bahmia, die man in länglichen Körben prciscn-
tirt, und im Kaback, einer Art von Gurkenfrncht, Concurrenten auf; ja schon
runden sich die Trauben und versprechen am Ende des nächsten Monats eine über¬
raschende Frühreife.
Es war für das frische und nachhaltige Entfalten der Vegetation in der
hiesigen Umgegend und längs den Gestaden des Bosporus ein wichtiger Um¬
stand, daß noch in den letzten Wochen wahrhaft tropische Regengüsse den Boden
befruchteten, oder richtiger zu sagen, bis in die Tiefe ausweichten. Aus dieser
Periode datirt sich das, Was mau in Anwendung auf den gegenwärtigen
Pflanzenwuchs einen Frühling in zweiter Potenz nennen kann. Für die
Bäume, Sträucher, sür die ganze Welt der Gewächse begann eine neue Periode
des Entfaltens; allerwärts hinter dem schon dunkler gewordenen Grün, dem die
Sonne bereits die wässerigeren Säfte entzogen, schössen neue Triebe ans.
jeder Strauch reckte, wie mittelst einer verjüngten Kraft, ein neues, letztes und
Grenzboten. II. -lijüö. öl)
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