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Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, I. Semester. II. Band.

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sitzer, der sich in die gegebenen Verhältnisse schicken muß, kann sich daraus
wenigstens ungefähr die Methode für seine kleinern Verhältnisse abstrahiren. --
Die Hauptregel, die hier eingeschärft wird, ist folgende: Der Park muß sich
der Architektur anschließen, die er ergänzen und erweitern soll; er muß also in
seiner innern Anlage eine Verwandtschaft mit dem Charakter derselben zeigen
und darf sich niemals durch einzelne Zufälligkeiten verlocken lassen, etwas in
sich aufzunehmen, was der harmonischen Anlage deS Ganzen widerspricht. Im
Uebrigen wird er die Anlage des Bodens benutzen und ausbeuten müssen, so daß
dieser den Eindruck macht, nicht künstlich in ein fremdes und unangemessenes Terri¬
torium verpflanzt, sondern natürlich ans demselben hervorgewachsen zu sein. Da¬
her wird die Reihenfolge der Lieferungen, soviel es möglich ist, die denkbaren
Voraussetzungen des Bodens und der Architektur in einer gewissen Vollständigkeit
classificiren, um eine Anwendung für den bestimmten Fall möglich zu machen.
Das Weitere muß man in dem Werke selbst nachsehen, welches das Nach-'
denken anf eine angenehme Weise anregt und zugleich durch die schöne Aus¬
stattung dem Auge einen augenblicklichen Genuß gewährt. --

Die Gegenstände, welche das zweite Werk darzustellen beabsichtigt, sind: Kan¬
delaber und Vasen, sodann Brunnen, Sitze im Freien, Denksteine, Altäre, Kan¬
zeln, Taufbecken, Orgeln, Tische, Sessel, Lagerstätten, ferner Wand-, Arm- und
Kronleuchter, Oefen und Kamine, die Umrahmungen zu Spiegeln lind Bildern,
Schränke, Kisten, Consolen, Thüren, Gitterwerk, auch die ornamentale Behand¬
lung der Stoffe je nach ihrer Verwendung, sowie überhaupt Dekorationen auf
Wänden, Fußböden und Decken.

Der Verfasser sucht nachzuweisen, daß für unsere Zeit der Architekt vor¬
zugsweise berufen ist, für diese Gattung der Kunst den Maßstab zu finden.
Es handelt sich nämlich nicht darum, fertige organische Gebilde der Natur nach¬
zuahmen, sondern es sollen ähnlich wie bei einzelnen Architekturtheilen, z. B. der
Säule, künstlerisch aus geometrischen und organischen Formen zusammen ver¬
arbeitete Organismen geschaffen werden, so daß ein lebensvolles Gebilde, dessen
Aufbau und Entwicklung man bei verständigem und sinnigem Beschauen Schritt
für Schritt folgen kann, hervorwächst.

Im Alterthum war dieses Ueberwiegen der Architektur nicht nöthig. Die
lebendige Anschauung der Natur führte zu einem allgemeineren Verständniß
der eigenthümlichen Sprache, welche die organischen Gestalten, sowie die
krystallinischen Formationen zu uns reden; und da die Kunst in gewisser Beziehung
nichts ist, als ein Belauschen der geheimsten Absichten der Natur, so waren
damals alle Menschen mehr oder weniger künstlerisch begabt, und es durfte
nicht einmal unter den wirklichen Künstlern eine völlige Trennung der ein¬
zelnen Kunstübungen festgehalten werden. Unsre Zeit dagegen bedarf erst eines
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Grenzboten. II. -18os.

sitzer, der sich in die gegebenen Verhältnisse schicken muß, kann sich daraus
wenigstens ungefähr die Methode für seine kleinern Verhältnisse abstrahiren. —
Die Hauptregel, die hier eingeschärft wird, ist folgende: Der Park muß sich
der Architektur anschließen, die er ergänzen und erweitern soll; er muß also in
seiner innern Anlage eine Verwandtschaft mit dem Charakter derselben zeigen
und darf sich niemals durch einzelne Zufälligkeiten verlocken lassen, etwas in
sich aufzunehmen, was der harmonischen Anlage deS Ganzen widerspricht. Im
Uebrigen wird er die Anlage des Bodens benutzen und ausbeuten müssen, so daß
dieser den Eindruck macht, nicht künstlich in ein fremdes und unangemessenes Terri¬
torium verpflanzt, sondern natürlich ans demselben hervorgewachsen zu sein. Da¬
her wird die Reihenfolge der Lieferungen, soviel es möglich ist, die denkbaren
Voraussetzungen des Bodens und der Architektur in einer gewissen Vollständigkeit
classificiren, um eine Anwendung für den bestimmten Fall möglich zu machen.
Das Weitere muß man in dem Werke selbst nachsehen, welches das Nach-'
denken anf eine angenehme Weise anregt und zugleich durch die schöne Aus¬
stattung dem Auge einen augenblicklichen Genuß gewährt. —

Die Gegenstände, welche das zweite Werk darzustellen beabsichtigt, sind: Kan¬
delaber und Vasen, sodann Brunnen, Sitze im Freien, Denksteine, Altäre, Kan¬
zeln, Taufbecken, Orgeln, Tische, Sessel, Lagerstätten, ferner Wand-, Arm- und
Kronleuchter, Oefen und Kamine, die Umrahmungen zu Spiegeln lind Bildern,
Schränke, Kisten, Consolen, Thüren, Gitterwerk, auch die ornamentale Behand¬
lung der Stoffe je nach ihrer Verwendung, sowie überhaupt Dekorationen auf
Wänden, Fußböden und Decken.

Der Verfasser sucht nachzuweisen, daß für unsere Zeit der Architekt vor¬
zugsweise berufen ist, für diese Gattung der Kunst den Maßstab zu finden.
Es handelt sich nämlich nicht darum, fertige organische Gebilde der Natur nach¬
zuahmen, sondern es sollen ähnlich wie bei einzelnen Architekturtheilen, z. B. der
Säule, künstlerisch aus geometrischen und organischen Formen zusammen ver¬
arbeitete Organismen geschaffen werden, so daß ein lebensvolles Gebilde, dessen
Aufbau und Entwicklung man bei verständigem und sinnigem Beschauen Schritt
für Schritt folgen kann, hervorwächst.

Im Alterthum war dieses Ueberwiegen der Architektur nicht nöthig. Die
lebendige Anschauung der Natur führte zu einem allgemeineren Verständniß
der eigenthümlichen Sprache, welche die organischen Gestalten, sowie die
krystallinischen Formationen zu uns reden; und da die Kunst in gewisser Beziehung
nichts ist, als ein Belauschen der geheimsten Absichten der Natur, so waren
damals alle Menschen mehr oder weniger künstlerisch begabt, und es durfte
nicht einmal unter den wirklichen Künstlern eine völlige Trennung der ein¬
zelnen Kunstübungen festgehalten werden. Unsre Zeit dagegen bedarf erst eines
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Grenzboten. II. -18os.
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[0353] sitzer, der sich in die gegebenen Verhältnisse schicken muß, kann sich daraus wenigstens ungefähr die Methode für seine kleinern Verhältnisse abstrahiren. — Die Hauptregel, die hier eingeschärft wird, ist folgende: Der Park muß sich der Architektur anschließen, die er ergänzen und erweitern soll; er muß also in seiner innern Anlage eine Verwandtschaft mit dem Charakter derselben zeigen und darf sich niemals durch einzelne Zufälligkeiten verlocken lassen, etwas in sich aufzunehmen, was der harmonischen Anlage deS Ganzen widerspricht. Im Uebrigen wird er die Anlage des Bodens benutzen und ausbeuten müssen, so daß dieser den Eindruck macht, nicht künstlich in ein fremdes und unangemessenes Terri¬ torium verpflanzt, sondern natürlich ans demselben hervorgewachsen zu sein. Da¬ her wird die Reihenfolge der Lieferungen, soviel es möglich ist, die denkbaren Voraussetzungen des Bodens und der Architektur in einer gewissen Vollständigkeit classificiren, um eine Anwendung für den bestimmten Fall möglich zu machen. Das Weitere muß man in dem Werke selbst nachsehen, welches das Nach-' denken anf eine angenehme Weise anregt und zugleich durch die schöne Aus¬ stattung dem Auge einen augenblicklichen Genuß gewährt. — Die Gegenstände, welche das zweite Werk darzustellen beabsichtigt, sind: Kan¬ delaber und Vasen, sodann Brunnen, Sitze im Freien, Denksteine, Altäre, Kan¬ zeln, Taufbecken, Orgeln, Tische, Sessel, Lagerstätten, ferner Wand-, Arm- und Kronleuchter, Oefen und Kamine, die Umrahmungen zu Spiegeln lind Bildern, Schränke, Kisten, Consolen, Thüren, Gitterwerk, auch die ornamentale Behand¬ lung der Stoffe je nach ihrer Verwendung, sowie überhaupt Dekorationen auf Wänden, Fußböden und Decken. Der Verfasser sucht nachzuweisen, daß für unsere Zeit der Architekt vor¬ zugsweise berufen ist, für diese Gattung der Kunst den Maßstab zu finden. Es handelt sich nämlich nicht darum, fertige organische Gebilde der Natur nach¬ zuahmen, sondern es sollen ähnlich wie bei einzelnen Architekturtheilen, z. B. der Säule, künstlerisch aus geometrischen und organischen Formen zusammen ver¬ arbeitete Organismen geschaffen werden, so daß ein lebensvolles Gebilde, dessen Aufbau und Entwicklung man bei verständigem und sinnigem Beschauen Schritt für Schritt folgen kann, hervorwächst. Im Alterthum war dieses Ueberwiegen der Architektur nicht nöthig. Die lebendige Anschauung der Natur führte zu einem allgemeineren Verständniß der eigenthümlichen Sprache, welche die organischen Gestalten, sowie die krystallinischen Formationen zu uns reden; und da die Kunst in gewisser Beziehung nichts ist, als ein Belauschen der geheimsten Absichten der Natur, so waren damals alle Menschen mehr oder weniger künstlerisch begabt, und es durfte nicht einmal unter den wirklichen Künstlern eine völlige Trennung der ein¬ zelnen Kunstübungen festgehalten werden. Unsre Zeit dagegen bedarf erst eines ' Grenzboten. II. -18os.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341580_99385/353>, abgerufen am 03.07.2024.