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Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, I. Semester. II. Band.

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Auf diese Zeit des verkehrten Classicismus, die in dem holländischen Ge¬
schmack blos zur Bizarrerie führte, in dem französischen dagegen für eine Zeit,
wo man in Schuhen und Strümpfen, gepudert und mit dem Galanteriedegen
an der Seite ging, einige recht imposante Kunstwerke hervorgerufen hat, folgte
die Zeit der Romantik, wo man sich an der Natur nicht erfreuen zu können
glaubte, wenn sie nicht zugleich schrecklich und entsetzlich war. Während in
dem frühern Stil alles ein regelmäßiges, symmetrisches, rein decoratives An¬
setzn annahm, mußte jetzt aller Zweck versteckt werden. Man wollte einen
labyrinthischen, geheimnißvollen, mysteriösen Eindruck machen. Es schien
nothwendig, so wenig als möglich'vor Augen zu sehen und nur durch einige
seltene Perspectiven einen Blick auf das Ganze möglich zu machen. In einer
völligen Ebene, wo man durch unsägliche Arbeit nur einen Chimborasso von
30--40 Fuß Höhe hervorbringen konnte, erzeugte man Abgründe und Nia¬
garafälle; man schlug hohe Brücken, wo kein Wasser vorhanden war, und wo
man auf der einen Seite heraufklcttern mußte, um auf der andern wieder her-
unterzukletlern; man legte künstlich gewundene Gänge an, die in einen Sack
endigten, kurz man war auf das peinlichste bemüht, so zwecklos als möglich
zu arbeiten. Wenn in einem solchen Park auch nur ein einzelner Platz vor¬
handen war, auf dem man herumlaufen konnte, ohne zu klettern, so galt das
als ein arger Verstoß gegen die höhere Romantik. Um den Unsinn vollständig
zu machen trat an einem einsam gelegenen Ort auch wol eine Eremitage mit
einer Puppe oder einem wirklichen Einsiedler hervor, oder ein japanisches
Tempelchen/ oder ein griechischer Altar, oder am liebsten alles das bunt durch¬
einander. Auch die Lächerlichkeit dieses Geschmacks, die gewiß weit größer war,
als die französische, hat man nun glücklich überwunden und dadurch für die
reinen Principien Platz gewonnen.

Wie schwierig es ist, für diese Gattung des Luxus Regeln und Vor¬
schriften aufzustellen, begreift man leicht, wenn man erwägt, daß die Garten¬
kunst weniger, als irgendeine andere, über das Material zu disponiren hat.
So lange Zeit auch die Architektur bedarf, um ein Gebäude im großen Stil
zu vollenden, so kann'sie doch Schritt für Schritt weiter gehen, und was sie
angelegt hat, augenblicklich genießen. Wenn der Gärtner dagegen nicht über
Pücklersche Mittel disponirt, so baß er aufgewachsene Bäume meilenweit von
einem Ort zum andern schaffen kann, muß er die Weiterentwicklung seiner
Anlagen der Zukunft überlassen, und bei der Unruhe und Unstetigkeir der
Eigenthumsverhältnisse wird man nicht gern für eine spätere Generation arbei¬
ten wollen, zu der man vielleicht in gar keinem Verhältniß steht.'

Aus diesem Grunde wird man es dem Verfasser nicht verübeln, wenn er
seinen ersten Plänen sehr großartig gedachte Vermögensverhältnisse unterlegt,
denn nur hier ist eine gewisse freie Verfügung möglich, und der kleine Be-


Auf diese Zeit des verkehrten Classicismus, die in dem holländischen Ge¬
schmack blos zur Bizarrerie führte, in dem französischen dagegen für eine Zeit,
wo man in Schuhen und Strümpfen, gepudert und mit dem Galanteriedegen
an der Seite ging, einige recht imposante Kunstwerke hervorgerufen hat, folgte
die Zeit der Romantik, wo man sich an der Natur nicht erfreuen zu können
glaubte, wenn sie nicht zugleich schrecklich und entsetzlich war. Während in
dem frühern Stil alles ein regelmäßiges, symmetrisches, rein decoratives An¬
setzn annahm, mußte jetzt aller Zweck versteckt werden. Man wollte einen
labyrinthischen, geheimnißvollen, mysteriösen Eindruck machen. Es schien
nothwendig, so wenig als möglich'vor Augen zu sehen und nur durch einige
seltene Perspectiven einen Blick auf das Ganze möglich zu machen. In einer
völligen Ebene, wo man durch unsägliche Arbeit nur einen Chimborasso von
30—40 Fuß Höhe hervorbringen konnte, erzeugte man Abgründe und Nia¬
garafälle; man schlug hohe Brücken, wo kein Wasser vorhanden war, und wo
man auf der einen Seite heraufklcttern mußte, um auf der andern wieder her-
unterzukletlern; man legte künstlich gewundene Gänge an, die in einen Sack
endigten, kurz man war auf das peinlichste bemüht, so zwecklos als möglich
zu arbeiten. Wenn in einem solchen Park auch nur ein einzelner Platz vor¬
handen war, auf dem man herumlaufen konnte, ohne zu klettern, so galt das
als ein arger Verstoß gegen die höhere Romantik. Um den Unsinn vollständig
zu machen trat an einem einsam gelegenen Ort auch wol eine Eremitage mit
einer Puppe oder einem wirklichen Einsiedler hervor, oder ein japanisches
Tempelchen/ oder ein griechischer Altar, oder am liebsten alles das bunt durch¬
einander. Auch die Lächerlichkeit dieses Geschmacks, die gewiß weit größer war,
als die französische, hat man nun glücklich überwunden und dadurch für die
reinen Principien Platz gewonnen.

Wie schwierig es ist, für diese Gattung des Luxus Regeln und Vor¬
schriften aufzustellen, begreift man leicht, wenn man erwägt, daß die Garten¬
kunst weniger, als irgendeine andere, über das Material zu disponiren hat.
So lange Zeit auch die Architektur bedarf, um ein Gebäude im großen Stil
zu vollenden, so kann'sie doch Schritt für Schritt weiter gehen, und was sie
angelegt hat, augenblicklich genießen. Wenn der Gärtner dagegen nicht über
Pücklersche Mittel disponirt, so baß er aufgewachsene Bäume meilenweit von
einem Ort zum andern schaffen kann, muß er die Weiterentwicklung seiner
Anlagen der Zukunft überlassen, und bei der Unruhe und Unstetigkeir der
Eigenthumsverhältnisse wird man nicht gern für eine spätere Generation arbei¬
ten wollen, zu der man vielleicht in gar keinem Verhältniß steht.'

Aus diesem Grunde wird man es dem Verfasser nicht verübeln, wenn er
seinen ersten Plänen sehr großartig gedachte Vermögensverhältnisse unterlegt,
denn nur hier ist eine gewisse freie Verfügung möglich, und der kleine Be-


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[0352] Auf diese Zeit des verkehrten Classicismus, die in dem holländischen Ge¬ schmack blos zur Bizarrerie führte, in dem französischen dagegen für eine Zeit, wo man in Schuhen und Strümpfen, gepudert und mit dem Galanteriedegen an der Seite ging, einige recht imposante Kunstwerke hervorgerufen hat, folgte die Zeit der Romantik, wo man sich an der Natur nicht erfreuen zu können glaubte, wenn sie nicht zugleich schrecklich und entsetzlich war. Während in dem frühern Stil alles ein regelmäßiges, symmetrisches, rein decoratives An¬ setzn annahm, mußte jetzt aller Zweck versteckt werden. Man wollte einen labyrinthischen, geheimnißvollen, mysteriösen Eindruck machen. Es schien nothwendig, so wenig als möglich'vor Augen zu sehen und nur durch einige seltene Perspectiven einen Blick auf das Ganze möglich zu machen. In einer völligen Ebene, wo man durch unsägliche Arbeit nur einen Chimborasso von 30—40 Fuß Höhe hervorbringen konnte, erzeugte man Abgründe und Nia¬ garafälle; man schlug hohe Brücken, wo kein Wasser vorhanden war, und wo man auf der einen Seite heraufklcttern mußte, um auf der andern wieder her- unterzukletlern; man legte künstlich gewundene Gänge an, die in einen Sack endigten, kurz man war auf das peinlichste bemüht, so zwecklos als möglich zu arbeiten. Wenn in einem solchen Park auch nur ein einzelner Platz vor¬ handen war, auf dem man herumlaufen konnte, ohne zu klettern, so galt das als ein arger Verstoß gegen die höhere Romantik. Um den Unsinn vollständig zu machen trat an einem einsam gelegenen Ort auch wol eine Eremitage mit einer Puppe oder einem wirklichen Einsiedler hervor, oder ein japanisches Tempelchen/ oder ein griechischer Altar, oder am liebsten alles das bunt durch¬ einander. Auch die Lächerlichkeit dieses Geschmacks, die gewiß weit größer war, als die französische, hat man nun glücklich überwunden und dadurch für die reinen Principien Platz gewonnen. Wie schwierig es ist, für diese Gattung des Luxus Regeln und Vor¬ schriften aufzustellen, begreift man leicht, wenn man erwägt, daß die Garten¬ kunst weniger, als irgendeine andere, über das Material zu disponiren hat. So lange Zeit auch die Architektur bedarf, um ein Gebäude im großen Stil zu vollenden, so kann'sie doch Schritt für Schritt weiter gehen, und was sie angelegt hat, augenblicklich genießen. Wenn der Gärtner dagegen nicht über Pücklersche Mittel disponirt, so baß er aufgewachsene Bäume meilenweit von einem Ort zum andern schaffen kann, muß er die Weiterentwicklung seiner Anlagen der Zukunft überlassen, und bei der Unruhe und Unstetigkeir der Eigenthumsverhältnisse wird man nicht gern für eine spätere Generation arbei¬ ten wollen, zu der man vielleicht in gar keinem Verhältniß steht.' Aus diesem Grunde wird man es dem Verfasser nicht verübeln, wenn er seinen ersten Plänen sehr großartig gedachte Vermögensverhältnisse unterlegt, denn nur hier ist eine gewisse freie Verfügung möglich, und der kleine Be-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341580_99385/352>, abgerufen am 01.07.2024.