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Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, I. Semester. II. Band.

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feiern sie ihre nächtlichen Feste auf dem Kopasz Tetö, einer Spitze des To-
kaiergebirgs.'

Nach den Proceßacten der Herenverfolgungen des 16. und 17. Jahr-
Hunderts weiß man im Allgemeinen ungefähr Folgendes. Von Junker
Flederwisch, Grünwedel, Kuhfuß, Voland oder wie der Teufel sonst heißt,
bestellt, ritt die Here, nachdem sie sich mit einer Salbe Füße und Achseln
eingerieben, auf einem Rocken, Besen, einer Katze oder Osengabel, eine
Zauberformel murmelnd, zum Schornstein hinaus und durch die Lüfte über
Berg und Thal nach dem Versammlungsorte. Zuweilen holte der Böse seine
Buhle selbst ab, indem er entweder als Bock erschien, den sie zum Ritte bestieg
oder indem er sie mit schwarzen, dem Erdboden entftiegenen Rossen entführte,
oder aber, indem er sie seines in die Luft ausgebreiteten Mantels sich als
Fahrzeug bedienen hieß.

Am Versammlungsorte angelangt begegnete sie einer Menge von Ge¬
nossinnen, von denen eine jede ihren besondern Teufel bei sich hatte und unter
denen sich selbst verstorbene Frauen befanden. Inmitten des ganzen Trosses aber
thronte in Gestalt eines ungeheuern Ziegenbocks mit schwarzem Menschen¬
antlitze ernst und schweigsam auf hohem Stuhle der oberste der Dämonen,
Satan in eigner Person. Alle erweisen ihm ihre Verehrung durch Niederknien
und Handkuß. Trug er an einer besondres Wohlgefallen, so ernannte er
sie zur Herenkönigin, worauf sie zum Zeichen ihrer Würde einen goldnen
Schuh an den rechten Fuß zog. Dann begann beim Scheine schwarzer
Fackeln, die an einem dem großen Bocke zwischen den Hörnern brennenden
Lichte entzündet wurden, ein wildes Gelage, bei dem Brot und Salz mangel¬
ten und aus Kuhklauen und Roßköpfen getrunken wurde. Nach der Mahlzeit,
bei welcher Pferdefleisch eine Hauptrolle spielte und die weder sättigte noch
nährte, legten sie dem Meister Rechenschaft von ihren Uebelthaten ab und
verpflichteten sich zu neuen Freveln für das nächste Jahr. Diejenigen, welche
nicht genug Schaden angerichtet hatten, wurden mit Schlägen bestraft. End¬
lich begann ein toller Neigen um den Thron Satans, wozu ein Musikant auf¬
spielte, der auf einem Baume saß und dessen Geige oder Dudelsack ein Pferdekopf,
dessen Pfeife oder Fiedelbogen ein Katzenschwanz war. Die Tanzenden drehten
einander den Rücken, nicht das Gesicht zu. Der Neigen soll dem der Schwert¬
tänzer geglichen haben, welche bei Zunftaufzügen eine Rolle spielen. Nach
Aufführung desselben trieben sie allerlei Ungebühr und Unzucht und zum Schlüsse
brannte der große Bock sich selbst zu Asche, die unter'vie Theilnehmerinnen
der Feier vertheilt wurde und mit der sie Schaden stifteten. Die Rückfahrt
erfolgte wie die Hinreise und niemand im Hause der Zauberschweftern wurde
von ihrer Abwesenheit etwas gewahr.

Dies ist, wie angedeutet, eine Skizze der Sache nach den Untersuchungs-


Grenzbvten. II- -I8S6. 42

feiern sie ihre nächtlichen Feste auf dem Kopasz Tetö, einer Spitze des To-
kaiergebirgs.'

Nach den Proceßacten der Herenverfolgungen des 16. und 17. Jahr-
Hunderts weiß man im Allgemeinen ungefähr Folgendes. Von Junker
Flederwisch, Grünwedel, Kuhfuß, Voland oder wie der Teufel sonst heißt,
bestellt, ritt die Here, nachdem sie sich mit einer Salbe Füße und Achseln
eingerieben, auf einem Rocken, Besen, einer Katze oder Osengabel, eine
Zauberformel murmelnd, zum Schornstein hinaus und durch die Lüfte über
Berg und Thal nach dem Versammlungsorte. Zuweilen holte der Böse seine
Buhle selbst ab, indem er entweder als Bock erschien, den sie zum Ritte bestieg
oder indem er sie mit schwarzen, dem Erdboden entftiegenen Rossen entführte,
oder aber, indem er sie seines in die Luft ausgebreiteten Mantels sich als
Fahrzeug bedienen hieß.

Am Versammlungsorte angelangt begegnete sie einer Menge von Ge¬
nossinnen, von denen eine jede ihren besondern Teufel bei sich hatte und unter
denen sich selbst verstorbene Frauen befanden. Inmitten des ganzen Trosses aber
thronte in Gestalt eines ungeheuern Ziegenbocks mit schwarzem Menschen¬
antlitze ernst und schweigsam auf hohem Stuhle der oberste der Dämonen,
Satan in eigner Person. Alle erweisen ihm ihre Verehrung durch Niederknien
und Handkuß. Trug er an einer besondres Wohlgefallen, so ernannte er
sie zur Herenkönigin, worauf sie zum Zeichen ihrer Würde einen goldnen
Schuh an den rechten Fuß zog. Dann begann beim Scheine schwarzer
Fackeln, die an einem dem großen Bocke zwischen den Hörnern brennenden
Lichte entzündet wurden, ein wildes Gelage, bei dem Brot und Salz mangel¬
ten und aus Kuhklauen und Roßköpfen getrunken wurde. Nach der Mahlzeit,
bei welcher Pferdefleisch eine Hauptrolle spielte und die weder sättigte noch
nährte, legten sie dem Meister Rechenschaft von ihren Uebelthaten ab und
verpflichteten sich zu neuen Freveln für das nächste Jahr. Diejenigen, welche
nicht genug Schaden angerichtet hatten, wurden mit Schlägen bestraft. End¬
lich begann ein toller Neigen um den Thron Satans, wozu ein Musikant auf¬
spielte, der auf einem Baume saß und dessen Geige oder Dudelsack ein Pferdekopf,
dessen Pfeife oder Fiedelbogen ein Katzenschwanz war. Die Tanzenden drehten
einander den Rücken, nicht das Gesicht zu. Der Neigen soll dem der Schwert¬
tänzer geglichen haben, welche bei Zunftaufzügen eine Rolle spielen. Nach
Aufführung desselben trieben sie allerlei Ungebühr und Unzucht und zum Schlüsse
brannte der große Bock sich selbst zu Asche, die unter'vie Theilnehmerinnen
der Feier vertheilt wurde und mit der sie Schaden stifteten. Die Rückfahrt
erfolgte wie die Hinreise und niemand im Hause der Zauberschweftern wurde
von ihrer Abwesenheit etwas gewahr.

Dies ist, wie angedeutet, eine Skizze der Sache nach den Untersuchungs-


Grenzbvten. II- -I8S6. 42
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[0337] feiern sie ihre nächtlichen Feste auf dem Kopasz Tetö, einer Spitze des To- kaiergebirgs.' Nach den Proceßacten der Herenverfolgungen des 16. und 17. Jahr- Hunderts weiß man im Allgemeinen ungefähr Folgendes. Von Junker Flederwisch, Grünwedel, Kuhfuß, Voland oder wie der Teufel sonst heißt, bestellt, ritt die Here, nachdem sie sich mit einer Salbe Füße und Achseln eingerieben, auf einem Rocken, Besen, einer Katze oder Osengabel, eine Zauberformel murmelnd, zum Schornstein hinaus und durch die Lüfte über Berg und Thal nach dem Versammlungsorte. Zuweilen holte der Böse seine Buhle selbst ab, indem er entweder als Bock erschien, den sie zum Ritte bestieg oder indem er sie mit schwarzen, dem Erdboden entftiegenen Rossen entführte, oder aber, indem er sie seines in die Luft ausgebreiteten Mantels sich als Fahrzeug bedienen hieß. Am Versammlungsorte angelangt begegnete sie einer Menge von Ge¬ nossinnen, von denen eine jede ihren besondern Teufel bei sich hatte und unter denen sich selbst verstorbene Frauen befanden. Inmitten des ganzen Trosses aber thronte in Gestalt eines ungeheuern Ziegenbocks mit schwarzem Menschen¬ antlitze ernst und schweigsam auf hohem Stuhle der oberste der Dämonen, Satan in eigner Person. Alle erweisen ihm ihre Verehrung durch Niederknien und Handkuß. Trug er an einer besondres Wohlgefallen, so ernannte er sie zur Herenkönigin, worauf sie zum Zeichen ihrer Würde einen goldnen Schuh an den rechten Fuß zog. Dann begann beim Scheine schwarzer Fackeln, die an einem dem großen Bocke zwischen den Hörnern brennenden Lichte entzündet wurden, ein wildes Gelage, bei dem Brot und Salz mangel¬ ten und aus Kuhklauen und Roßköpfen getrunken wurde. Nach der Mahlzeit, bei welcher Pferdefleisch eine Hauptrolle spielte und die weder sättigte noch nährte, legten sie dem Meister Rechenschaft von ihren Uebelthaten ab und verpflichteten sich zu neuen Freveln für das nächste Jahr. Diejenigen, welche nicht genug Schaden angerichtet hatten, wurden mit Schlägen bestraft. End¬ lich begann ein toller Neigen um den Thron Satans, wozu ein Musikant auf¬ spielte, der auf einem Baume saß und dessen Geige oder Dudelsack ein Pferdekopf, dessen Pfeife oder Fiedelbogen ein Katzenschwanz war. Die Tanzenden drehten einander den Rücken, nicht das Gesicht zu. Der Neigen soll dem der Schwert¬ tänzer geglichen haben, welche bei Zunftaufzügen eine Rolle spielen. Nach Aufführung desselben trieben sie allerlei Ungebühr und Unzucht und zum Schlüsse brannte der große Bock sich selbst zu Asche, die unter'vie Theilnehmerinnen der Feier vertheilt wurde und mit der sie Schaden stifteten. Die Rückfahrt erfolgte wie die Hinreise und niemand im Hause der Zauberschweftern wurde von ihrer Abwesenheit etwas gewahr. Dies ist, wie angedeutet, eine Skizze der Sache nach den Untersuchungs- Grenzbvten. II- -I8S6. 42

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341580_99385/337>, abgerufen am 01.07.2024.