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Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, I. Semester. II. Band.

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der Verkehr mit Deutschland besonders durch die Hansa aufblühte, im Norden von
einem Unbekannten aus deutschen Liedern .und Sagen zusammengesetzt, wie die
Vorrede und das Werk selbst bei vielen einzelnen Geschichten bezeugt. Obwol
auch nordische und selbst slawische Sagen einen Bestandtheil des Werkes ausmachen,
so ist die Hauptmasse doch deutsch, und man kann es als das größte cyklischc Werk
über unsre alte Nativnalpoesie betrachten,^ von welcher so manche verlorene Rhap¬
sodien nur in dieser Form aufbewahrt sind. --

Berliner Revue. Social - politische Wochenschrift, redigirt von Clemens
Grafen Pinto. Berlin, Heinickc. -- Als der eigentliche Patron dieses Unter¬
nehmens zeichnet sich im Vorwort der Abgeordnete zur zweiten Kammer Freiherr von
Herteseld. In der Vorrede werden über die philantropischen Absichten der Zeit¬
schrift die besten Versprechungen gemacht. "Seit mehr als einem halben Jahr¬
hundert," heißt es, "ist es das unablässige Bemühen aller derer, welche die Frei-
sinnigkeit als ein Gewerbe treiben, die Wahrheit vergessen zu machen, daß es die
socialen Zustände sind, welche die politische Lage der Völker bedingen, und daß die
Politik der Staaten im größten wie im kleinsten auf kein anderes.Fundament ge¬
gründet werden kann, als aus das sociale Gerüste und Mauerwerk der Völker,
welche ihre natürliche Unterlage, sind. Erwachsen aus dem Boden der Revolution,
eingetaucht in die politischen Doctrinen der Gegenwart, bevor sie denken gelernt, hat
jene Classe von Politikern es niemals der Mühe für werth geachtet, die Voraus¬
setzungen ihrer Postulate zu prüfen." -- Das Versprechen ist vortrefflich, und
wenn die Mitarbeiter der Kreuzzeitung sich einmal die Mühe geben wollten, von
ihrem Standpunkt aus, so einseitig er auch sein mag, die socialen Zustände ge¬
wissenhaft zu prüfen, so würde daraus ein unzweifelhafter Gewinn hervorgehen,
denn jede ernsthafte Beschäftigung mit einem Gegenstand hebt die Einseitigkeit
wenigstens bis zu einem gewissen Grade wieder auf. Statt dessen finden wir aber
hier nichts, als ein novellistisches Feuilleton, in welchem die Stichwörter der Partei
an den Mann gebracht werden, kurz die nämliche Art, der politischen Polemik, mit
der uns die Kreuzzeitung schon ohnehin überschüttet. Früher war in der conserva-
tiven Partei ein Mann, der zwar durch seinen Fanatismus häufig zu den barock¬
stem Einfällen verleitet wurde, dem es aber doch ernsthaft um die Sache zu thun
war, und der daher zuweilen eine höchst treffende Bemerkung machte: V. A. Huber.
Seitdem sich aber dieser nach seinem Bruch mit der Ritterschaft von der Behandlung
der Tagesfragen zurückgezogen hat, scheint es keinen Einzigen zu geben, der in
jenen Reihen über den abstracten Gegensatz von Revolution und Legitimität hin¬
auszugehen sich bemühte. Man sagt gegenseitig seine Stichwörter ans und glaubt
etwas gethan zu haben, wenn man recht salbungsvoll gesprochen oder recht gründ¬
lich gelästert hat. Ein uuersrculichcs Geschäft, durch welches die Parteibildung
nicht gewinnen kann.




Herausgegeben vo" Gustav Freyrag "lib Julia", Schmidt.,
Als vcranlwortl. Redacteur legilimin: F. W. Grnnow. -- Verlag von A. L. Hevbig
in Leipzig.
Druck von C, E. Elbert i" Leipzig.

der Verkehr mit Deutschland besonders durch die Hansa aufblühte, im Norden von
einem Unbekannten aus deutschen Liedern .und Sagen zusammengesetzt, wie die
Vorrede und das Werk selbst bei vielen einzelnen Geschichten bezeugt. Obwol
auch nordische und selbst slawische Sagen einen Bestandtheil des Werkes ausmachen,
so ist die Hauptmasse doch deutsch, und man kann es als das größte cyklischc Werk
über unsre alte Nativnalpoesie betrachten,^ von welcher so manche verlorene Rhap¬
sodien nur in dieser Form aufbewahrt sind. —

Berliner Revue. Social - politische Wochenschrift, redigirt von Clemens
Grafen Pinto. Berlin, Heinickc. — Als der eigentliche Patron dieses Unter¬
nehmens zeichnet sich im Vorwort der Abgeordnete zur zweiten Kammer Freiherr von
Herteseld. In der Vorrede werden über die philantropischen Absichten der Zeit¬
schrift die besten Versprechungen gemacht. „Seit mehr als einem halben Jahr¬
hundert," heißt es, „ist es das unablässige Bemühen aller derer, welche die Frei-
sinnigkeit als ein Gewerbe treiben, die Wahrheit vergessen zu machen, daß es die
socialen Zustände sind, welche die politische Lage der Völker bedingen, und daß die
Politik der Staaten im größten wie im kleinsten auf kein anderes.Fundament ge¬
gründet werden kann, als aus das sociale Gerüste und Mauerwerk der Völker,
welche ihre natürliche Unterlage, sind. Erwachsen aus dem Boden der Revolution,
eingetaucht in die politischen Doctrinen der Gegenwart, bevor sie denken gelernt, hat
jene Classe von Politikern es niemals der Mühe für werth geachtet, die Voraus¬
setzungen ihrer Postulate zu prüfen." — Das Versprechen ist vortrefflich, und
wenn die Mitarbeiter der Kreuzzeitung sich einmal die Mühe geben wollten, von
ihrem Standpunkt aus, so einseitig er auch sein mag, die socialen Zustände ge¬
wissenhaft zu prüfen, so würde daraus ein unzweifelhafter Gewinn hervorgehen,
denn jede ernsthafte Beschäftigung mit einem Gegenstand hebt die Einseitigkeit
wenigstens bis zu einem gewissen Grade wieder auf. Statt dessen finden wir aber
hier nichts, als ein novellistisches Feuilleton, in welchem die Stichwörter der Partei
an den Mann gebracht werden, kurz die nämliche Art, der politischen Polemik, mit
der uns die Kreuzzeitung schon ohnehin überschüttet. Früher war in der conserva-
tiven Partei ein Mann, der zwar durch seinen Fanatismus häufig zu den barock¬
stem Einfällen verleitet wurde, dem es aber doch ernsthaft um die Sache zu thun
war, und der daher zuweilen eine höchst treffende Bemerkung machte: V. A. Huber.
Seitdem sich aber dieser nach seinem Bruch mit der Ritterschaft von der Behandlung
der Tagesfragen zurückgezogen hat, scheint es keinen Einzigen zu geben, der in
jenen Reihen über den abstracten Gegensatz von Revolution und Legitimität hin¬
auszugehen sich bemühte. Man sagt gegenseitig seine Stichwörter ans und glaubt
etwas gethan zu haben, wenn man recht salbungsvoll gesprochen oder recht gründ¬
lich gelästert hat. Ein uuersrculichcs Geschäft, durch welches die Parteibildung
nicht gewinnen kann.




Herausgegeben vo» Gustav Freyrag »lib Julia», Schmidt.,
Als vcranlwortl. Redacteur legilimin: F. W. Grnnow. — Verlag von A. L. Hevbig
in Leipzig.
Druck von C, E. Elbert i» Leipzig.
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[0328] der Verkehr mit Deutschland besonders durch die Hansa aufblühte, im Norden von einem Unbekannten aus deutschen Liedern .und Sagen zusammengesetzt, wie die Vorrede und das Werk selbst bei vielen einzelnen Geschichten bezeugt. Obwol auch nordische und selbst slawische Sagen einen Bestandtheil des Werkes ausmachen, so ist die Hauptmasse doch deutsch, und man kann es als das größte cyklischc Werk über unsre alte Nativnalpoesie betrachten,^ von welcher so manche verlorene Rhap¬ sodien nur in dieser Form aufbewahrt sind. — Berliner Revue. Social - politische Wochenschrift, redigirt von Clemens Grafen Pinto. Berlin, Heinickc. — Als der eigentliche Patron dieses Unter¬ nehmens zeichnet sich im Vorwort der Abgeordnete zur zweiten Kammer Freiherr von Herteseld. In der Vorrede werden über die philantropischen Absichten der Zeit¬ schrift die besten Versprechungen gemacht. „Seit mehr als einem halben Jahr¬ hundert," heißt es, „ist es das unablässige Bemühen aller derer, welche die Frei- sinnigkeit als ein Gewerbe treiben, die Wahrheit vergessen zu machen, daß es die socialen Zustände sind, welche die politische Lage der Völker bedingen, und daß die Politik der Staaten im größten wie im kleinsten auf kein anderes.Fundament ge¬ gründet werden kann, als aus das sociale Gerüste und Mauerwerk der Völker, welche ihre natürliche Unterlage, sind. Erwachsen aus dem Boden der Revolution, eingetaucht in die politischen Doctrinen der Gegenwart, bevor sie denken gelernt, hat jene Classe von Politikern es niemals der Mühe für werth geachtet, die Voraus¬ setzungen ihrer Postulate zu prüfen." — Das Versprechen ist vortrefflich, und wenn die Mitarbeiter der Kreuzzeitung sich einmal die Mühe geben wollten, von ihrem Standpunkt aus, so einseitig er auch sein mag, die socialen Zustände ge¬ wissenhaft zu prüfen, so würde daraus ein unzweifelhafter Gewinn hervorgehen, denn jede ernsthafte Beschäftigung mit einem Gegenstand hebt die Einseitigkeit wenigstens bis zu einem gewissen Grade wieder auf. Statt dessen finden wir aber hier nichts, als ein novellistisches Feuilleton, in welchem die Stichwörter der Partei an den Mann gebracht werden, kurz die nämliche Art, der politischen Polemik, mit der uns die Kreuzzeitung schon ohnehin überschüttet. Früher war in der conserva- tiven Partei ein Mann, der zwar durch seinen Fanatismus häufig zu den barock¬ stem Einfällen verleitet wurde, dem es aber doch ernsthaft um die Sache zu thun war, und der daher zuweilen eine höchst treffende Bemerkung machte: V. A. Huber. Seitdem sich aber dieser nach seinem Bruch mit der Ritterschaft von der Behandlung der Tagesfragen zurückgezogen hat, scheint es keinen Einzigen zu geben, der in jenen Reihen über den abstracten Gegensatz von Revolution und Legitimität hin¬ auszugehen sich bemühte. Man sagt gegenseitig seine Stichwörter ans und glaubt etwas gethan zu haben, wenn man recht salbungsvoll gesprochen oder recht gründ¬ lich gelästert hat. Ein uuersrculichcs Geschäft, durch welches die Parteibildung nicht gewinnen kann. Herausgegeben vo» Gustav Freyrag »lib Julia», Schmidt., Als vcranlwortl. Redacteur legilimin: F. W. Grnnow. — Verlag von A. L. Hevbig in Leipzig. Druck von C, E. Elbert i» Leipzig.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341580_99385/328>, abgerufen am 01.07.2024.