Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, I. Semester. II. Band.der Forschung :c. begriffen ist, sann dem Laien erspart werden. Die Aesthetik er¬ der Forschung :c. begriffen ist, sann dem Laien erspart werden. Die Aesthetik er¬ <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0326" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/99712"/> <p xml:id="ID_1118" prev="#ID_1117" next="#ID_1119"> der Forschung :c. begriffen ist, sann dem Laien erspart werden. Die Aesthetik er¬<lb/> freut sich einer solchen Bestimmtheit uoch'keineswegs. Es werden sich wenig'Punkte<lb/> in ihr finden, die allem Streit entzogen wären, und was noch streitig ist, kann<lb/> man nicht populär machen. Wer darüber sich ein Urtheil bilden will, darf sich die<lb/> Mühe nicht verdrießen lassen, selbstständig zu forschen. Indeß es wäre schon sehr<lb/> viel gewonnen, wenn auch mir einzelne Punkte, die in der That festgestellt sind,<lb/> ans eine eindringliche und faßliche Weise zusammengestellt wären, so daß sich jeder<lb/> darnach richten kaun. Wir meinen ungefähr in der Art, wie Goethe seine<lb/> Fragmente zusammenstellt; eine Zusammenstellung, in der ieber einzelne Punkt<lb/> augenblicklich geprüft und ans die Praxis angewandt werden kann. Im Gan¬<lb/> zen würde für die Zusammenstellung solcher Regeln eher ein Mann geeignet<lb/> sein, dem eine reiche Lebenserfahrung und langjährige Kunstübung die Mittel<lb/> an die Hand gibt, in den Dingen augenblicklich das Wesentliche herauszuerkennen<lb/> und sich bei jedem abstrakten Lehrsatz die Fälle der conereien Erscheinungen, ans<lb/> die er angewandt werden könnte, gegenwärtig zu halten, als ein junger Philosoph,<lb/> der und vorzugsweise in Ideen und Studien bewegt hat. Wir wolle» hören, wie<lb/> der Verfasser seine Aufgabe auffaßt. „Das Buch hat die Tendenz. die Wissenschaft<lb/> des Schönen und in ihr vorzüglich die Kunstlehre in einer Form, die diesen Gegen¬<lb/> stand anch für ein größeres Publicum lesbar macht, mit gedrängter Vollständigkeit<lb/> zu behandeln, die ästhetisirende Reflexion der Gebildeten durch eine principielle Ein¬<lb/> sicht in das Wesen des Schönen, der Kunst und der einzelnen Künste zu klare»<lb/> und zu sichten und so die Aesthetik aus dem engern Kreise der speculativen Bildung<lb/> in die weiter» Kreise der allgemeinen Bildung einzuführen." — Das heißt doch<lb/> wol nichts Anderes, als in einer Sprache zu schreiben, die jeder Gebildete ver¬<lb/> stehen kann, ohne das philosophische Wörterbuch aufzuschlagen, welches beiläufig<lb/> noch nicht existirt. — Hören wir weiter. „Dabei setzt aber der Verfasser gleich¬<lb/> wol eine gewisse Empfänglichkeit für philosophische Anschauungsweise voraus, und<lb/> wenn er zwar dem Gedanken die scbnlmästigc Form abzustreifen bemüht ist, so würde<lb/> er doch andererseits durch eine kraftlose Abschwächung 'seines philosophischen In¬<lb/> haltes die Achtung gegen sein Publicum nur zu verletzen fürchte»." — Verehrter<lb/> Herr Professor! Entweder, oder! Entweder setzen Sie philosophische Anschauungs¬<lb/> weise voraus, dann reden Sie in der schulmäfiigen Form, soviel es Ihnen beliebt?<lb/> wollen Sie aber das Publicum belehren, so geniren Sie sich nicht, alle mögliche<lb/> Achtung ans den Augen zu setzen. Wer belehren will, darf nicht schmeicheln.<lb/> Fürchten Sie sich nicht, mit Nicolai in eine tzlassc geworfen zu werde»; ihr Vor¬<lb/> bild sei Goethe, Goethe und wieder Goethe. Wenn dieser Mann in seinen Regel»<lb/> der dramatische» Kunst dem Schauspieler mit gesperrten Lettern einschärft: Man<lb/> soll das b nicht wie das p und das p nicht w>e das b aussprechen, so lächelt nnr<lb/> der Unverstand darüber. So ausi man in der That zu demjenigen reden, den<lb/> man belehren will. — „Jedenfalls wird er aher mit Sorgfalt daraus bedacht sein,<lb/> das Abstracte überall bildlich zu beleben oder dnrch bezeichnende Beispiele z» er¬<lb/> läutern, der in rhetorische» Fluß gebrachten Darstellung bei allem wissenschaftliche»<lb/> Ernst der Grundstimmung das Gepräge künstlerischer Freiheit zu verleihen, und<lb/> das Baugerüste der Gelehrsamkeit, welches bei eiuer strengwtssenschaftlichen Fassung<lb/> des Gegenstandes stehen bleiben müßte, hinwegzuräumen, damit der'geneigte Leser,</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0326]
der Forschung :c. begriffen ist, sann dem Laien erspart werden. Die Aesthetik er¬
freut sich einer solchen Bestimmtheit uoch'keineswegs. Es werden sich wenig'Punkte
in ihr finden, die allem Streit entzogen wären, und was noch streitig ist, kann
man nicht populär machen. Wer darüber sich ein Urtheil bilden will, darf sich die
Mühe nicht verdrießen lassen, selbstständig zu forschen. Indeß es wäre schon sehr
viel gewonnen, wenn auch mir einzelne Punkte, die in der That festgestellt sind,
ans eine eindringliche und faßliche Weise zusammengestellt wären, so daß sich jeder
darnach richten kaun. Wir meinen ungefähr in der Art, wie Goethe seine
Fragmente zusammenstellt; eine Zusammenstellung, in der ieber einzelne Punkt
augenblicklich geprüft und ans die Praxis angewandt werden kann. Im Gan¬
zen würde für die Zusammenstellung solcher Regeln eher ein Mann geeignet
sein, dem eine reiche Lebenserfahrung und langjährige Kunstübung die Mittel
an die Hand gibt, in den Dingen augenblicklich das Wesentliche herauszuerkennen
und sich bei jedem abstrakten Lehrsatz die Fälle der conereien Erscheinungen, ans
die er angewandt werden könnte, gegenwärtig zu halten, als ein junger Philosoph,
der und vorzugsweise in Ideen und Studien bewegt hat. Wir wolle» hören, wie
der Verfasser seine Aufgabe auffaßt. „Das Buch hat die Tendenz. die Wissenschaft
des Schönen und in ihr vorzüglich die Kunstlehre in einer Form, die diesen Gegen¬
stand anch für ein größeres Publicum lesbar macht, mit gedrängter Vollständigkeit
zu behandeln, die ästhetisirende Reflexion der Gebildeten durch eine principielle Ein¬
sicht in das Wesen des Schönen, der Kunst und der einzelnen Künste zu klare»
und zu sichten und so die Aesthetik aus dem engern Kreise der speculativen Bildung
in die weiter» Kreise der allgemeinen Bildung einzuführen." — Das heißt doch
wol nichts Anderes, als in einer Sprache zu schreiben, die jeder Gebildete ver¬
stehen kann, ohne das philosophische Wörterbuch aufzuschlagen, welches beiläufig
noch nicht existirt. — Hören wir weiter. „Dabei setzt aber der Verfasser gleich¬
wol eine gewisse Empfänglichkeit für philosophische Anschauungsweise voraus, und
wenn er zwar dem Gedanken die scbnlmästigc Form abzustreifen bemüht ist, so würde
er doch andererseits durch eine kraftlose Abschwächung 'seines philosophischen In¬
haltes die Achtung gegen sein Publicum nur zu verletzen fürchte»." — Verehrter
Herr Professor! Entweder, oder! Entweder setzen Sie philosophische Anschauungs¬
weise voraus, dann reden Sie in der schulmäfiigen Form, soviel es Ihnen beliebt?
wollen Sie aber das Publicum belehren, so geniren Sie sich nicht, alle mögliche
Achtung ans den Augen zu setzen. Wer belehren will, darf nicht schmeicheln.
Fürchten Sie sich nicht, mit Nicolai in eine tzlassc geworfen zu werde»; ihr Vor¬
bild sei Goethe, Goethe und wieder Goethe. Wenn dieser Mann in seinen Regel»
der dramatische» Kunst dem Schauspieler mit gesperrten Lettern einschärft: Man
soll das b nicht wie das p und das p nicht w>e das b aussprechen, so lächelt nnr
der Unverstand darüber. So ausi man in der That zu demjenigen reden, den
man belehren will. — „Jedenfalls wird er aher mit Sorgfalt daraus bedacht sein,
das Abstracte überall bildlich zu beleben oder dnrch bezeichnende Beispiele z» er¬
läutern, der in rhetorische» Fluß gebrachten Darstellung bei allem wissenschaftliche»
Ernst der Grundstimmung das Gepräge künstlerischer Freiheit zu verleihen, und
das Baugerüste der Gelehrsamkeit, welches bei eiuer strengwtssenschaftlichen Fassung
des Gegenstandes stehen bleiben müßte, hinwegzuräumen, damit der'geneigte Leser,
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