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Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, I. Semester. II. Band.

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Um ihn anzufassen, würde es weiterer Operationen bedürfen. Es kann nicht
fehlen, daß die Obscrvationsarmce, welche den ganzen Raum zwischen dem östreichi¬
schen Centrum bei Tarnopol und den Narewbrücken zu decken hat, auf einer
längeren Linie sich vertheilt finden wird, wie die beiden anderen Massen, die
wir unter dem Namen der rechts- und rechtswärtigcn Opcrationsarmee zu¬
sammenfassen. Jene, (die Beobachtungsarmee) wird bei diesem Auseinander¬
ziehen ihrer Kräfte bis Siedlce hin wenig Gefahr laufen; darüber hinaus tritt
sie aber in die Sphäre der russischen offensiven Rückschläge ein, eine Meihode
der Vertheidigung, für welche die russischen Feldherrn seither wenig Geschick
zeigten, auf deren Begegnung man sich aber nichtsdestoweniger gefaßt machen
muß. Es ist daher eine, wie ich glaube, gerechtfertigte Vermuthung, wenn ich
annehme, daß über Siedlce hinaus eine concentrirte Masse vorgeschoben werden
wird, um die beiden oben genannten, dem Bug und Narew entlang laufenden
Straßen zu eoupircn. Diese Masse wird stets links Fühlung mit der auf
dem rechten Weichselufer operirendcn Macht, und zwar deshalb zu erhalten
suchen, weil sie in den Fall kommen kann, deren Unterstützung dringend zu
bedürfen. Damit zieht sich der Halbkreis um die russische Hauptmacht enger
zusammen; während, die rechtswärtige Operationsarmee hart vor die Linien
von Praga tritt, erreicht die linkSwärtigc das Vorterrain der Befestigungen
von Warschau, indeß erst nachdem sie einen trennenden Keil zwischen Lowicz
und dieser Hauptstadt eingeschoben hat. Damit schließt die zweite Operations-
cpoche.

In der dritten wird es darauf ankommen, den Bewegungskreis des Feindes auf
den engsten Raum einzuschränken. Noch hat derselbe große strategische Mittel in
den Händen. Ihm gehört nicht nur das Nordufer der Weichsel von der
Narewmündung stromabwärts, sondern ein Uebergang bei Wvszogrvd steht ihm
noch frei, um auf der linken Seite der Bzura bis Lowicz zu gelangen, und
von hier aus einen Schlag gegen die Flanke des Angriffs zu führen oder aus
dessen Rücken zu wirken. Man muß daher zunächst Lowicz einschließen, oder
sich des Wcichselübergangspunkres von Wyszogrod bemächtigen. Gleich dar¬
nach bemächtigt man sich des weiten Abschnitts zwischen dem Narew und der
unteren Weichsel.

Diese letztere Operation wird es bedingen, daß sich die linkswärtige An¬
griffsmasse in zwei Theile halbirt, von welchen der eine vor Warschau ver¬
bleibt, der andere den besagten Abschnitt besetzt hält. Es ist damit der Offen-
sivkrcis geschlossen, und die Möglichkeit gegeben: die russische Heeresmacht
nickt nur zu schlagen, sondern gefangen zu nehmen.

Ob der Feind es auf einen Kampf vor und in Warschau selbst ankommen
lassen, wird, hängt muthmaßlich von der Sicherheit seiner Verbindung mit
Motum ab. Gelingt es, einen doppelten trennenden Keil, einerseits zwischen


Um ihn anzufassen, würde es weiterer Operationen bedürfen. Es kann nicht
fehlen, daß die Obscrvationsarmce, welche den ganzen Raum zwischen dem östreichi¬
schen Centrum bei Tarnopol und den Narewbrücken zu decken hat, auf einer
längeren Linie sich vertheilt finden wird, wie die beiden anderen Massen, die
wir unter dem Namen der rechts- und rechtswärtigcn Opcrationsarmee zu¬
sammenfassen. Jene, (die Beobachtungsarmee) wird bei diesem Auseinander¬
ziehen ihrer Kräfte bis Siedlce hin wenig Gefahr laufen; darüber hinaus tritt
sie aber in die Sphäre der russischen offensiven Rückschläge ein, eine Meihode
der Vertheidigung, für welche die russischen Feldherrn seither wenig Geschick
zeigten, auf deren Begegnung man sich aber nichtsdestoweniger gefaßt machen
muß. Es ist daher eine, wie ich glaube, gerechtfertigte Vermuthung, wenn ich
annehme, daß über Siedlce hinaus eine concentrirte Masse vorgeschoben werden
wird, um die beiden oben genannten, dem Bug und Narew entlang laufenden
Straßen zu eoupircn. Diese Masse wird stets links Fühlung mit der auf
dem rechten Weichselufer operirendcn Macht, und zwar deshalb zu erhalten
suchen, weil sie in den Fall kommen kann, deren Unterstützung dringend zu
bedürfen. Damit zieht sich der Halbkreis um die russische Hauptmacht enger
zusammen; während, die rechtswärtige Operationsarmee hart vor die Linien
von Praga tritt, erreicht die linkSwärtigc das Vorterrain der Befestigungen
von Warschau, indeß erst nachdem sie einen trennenden Keil zwischen Lowicz
und dieser Hauptstadt eingeschoben hat. Damit schließt die zweite Operations-
cpoche.

In der dritten wird es darauf ankommen, den Bewegungskreis des Feindes auf
den engsten Raum einzuschränken. Noch hat derselbe große strategische Mittel in
den Händen. Ihm gehört nicht nur das Nordufer der Weichsel von der
Narewmündung stromabwärts, sondern ein Uebergang bei Wvszogrvd steht ihm
noch frei, um auf der linken Seite der Bzura bis Lowicz zu gelangen, und
von hier aus einen Schlag gegen die Flanke des Angriffs zu führen oder aus
dessen Rücken zu wirken. Man muß daher zunächst Lowicz einschließen, oder
sich des Wcichselübergangspunkres von Wyszogrod bemächtigen. Gleich dar¬
nach bemächtigt man sich des weiten Abschnitts zwischen dem Narew und der
unteren Weichsel.

Diese letztere Operation wird es bedingen, daß sich die linkswärtige An¬
griffsmasse in zwei Theile halbirt, von welchen der eine vor Warschau ver¬
bleibt, der andere den besagten Abschnitt besetzt hält. Es ist damit der Offen-
sivkrcis geschlossen, und die Möglichkeit gegeben: die russische Heeresmacht
nickt nur zu schlagen, sondern gefangen zu nehmen.

Ob der Feind es auf einen Kampf vor und in Warschau selbst ankommen
lassen, wird, hängt muthmaßlich von der Sicherheit seiner Verbindung mit
Motum ab. Gelingt es, einen doppelten trennenden Keil, einerseits zwischen


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[0318] Um ihn anzufassen, würde es weiterer Operationen bedürfen. Es kann nicht fehlen, daß die Obscrvationsarmce, welche den ganzen Raum zwischen dem östreichi¬ schen Centrum bei Tarnopol und den Narewbrücken zu decken hat, auf einer längeren Linie sich vertheilt finden wird, wie die beiden anderen Massen, die wir unter dem Namen der rechts- und rechtswärtigcn Opcrationsarmee zu¬ sammenfassen. Jene, (die Beobachtungsarmee) wird bei diesem Auseinander¬ ziehen ihrer Kräfte bis Siedlce hin wenig Gefahr laufen; darüber hinaus tritt sie aber in die Sphäre der russischen offensiven Rückschläge ein, eine Meihode der Vertheidigung, für welche die russischen Feldherrn seither wenig Geschick zeigten, auf deren Begegnung man sich aber nichtsdestoweniger gefaßt machen muß. Es ist daher eine, wie ich glaube, gerechtfertigte Vermuthung, wenn ich annehme, daß über Siedlce hinaus eine concentrirte Masse vorgeschoben werden wird, um die beiden oben genannten, dem Bug und Narew entlang laufenden Straßen zu eoupircn. Diese Masse wird stets links Fühlung mit der auf dem rechten Weichselufer operirendcn Macht, und zwar deshalb zu erhalten suchen, weil sie in den Fall kommen kann, deren Unterstützung dringend zu bedürfen. Damit zieht sich der Halbkreis um die russische Hauptmacht enger zusammen; während, die rechtswärtige Operationsarmee hart vor die Linien von Praga tritt, erreicht die linkSwärtigc das Vorterrain der Befestigungen von Warschau, indeß erst nachdem sie einen trennenden Keil zwischen Lowicz und dieser Hauptstadt eingeschoben hat. Damit schließt die zweite Operations- cpoche. In der dritten wird es darauf ankommen, den Bewegungskreis des Feindes auf den engsten Raum einzuschränken. Noch hat derselbe große strategische Mittel in den Händen. Ihm gehört nicht nur das Nordufer der Weichsel von der Narewmündung stromabwärts, sondern ein Uebergang bei Wvszogrvd steht ihm noch frei, um auf der linken Seite der Bzura bis Lowicz zu gelangen, und von hier aus einen Schlag gegen die Flanke des Angriffs zu führen oder aus dessen Rücken zu wirken. Man muß daher zunächst Lowicz einschließen, oder sich des Wcichselübergangspunkres von Wyszogrod bemächtigen. Gleich dar¬ nach bemächtigt man sich des weiten Abschnitts zwischen dem Narew und der unteren Weichsel. Diese letztere Operation wird es bedingen, daß sich die linkswärtige An¬ griffsmasse in zwei Theile halbirt, von welchen der eine vor Warschau ver¬ bleibt, der andere den besagten Abschnitt besetzt hält. Es ist damit der Offen- sivkrcis geschlossen, und die Möglichkeit gegeben: die russische Heeresmacht nickt nur zu schlagen, sondern gefangen zu nehmen. Ob der Feind es auf einen Kampf vor und in Warschau selbst ankommen lassen, wird, hängt muthmaßlich von der Sicherheit seiner Verbindung mit Motum ab. Gelingt es, einen doppelten trennenden Keil, einerseits zwischen

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341580_99385/318>, abgerufen am 22.07.2024.