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Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, I. Semester. II. Band.

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im Alte der geistigen Entwicklung empfangenen Eindrücke es sino, welche für
den Mann bei seinem staatsbürgerlichen Verhalten späterhin leitend werden.
Je angelegentlicher aber die Regierung mit dem Schul- und Erziehungswesen
sich beschäftigt, destomehr wird es Pflicht aller Staatsangehörigen, denen es
um die Volkswohlfahrt zu thun ist, die in dieser Beziehung von dem Gouver¬
nement angenommenen Principien gewissenhaft zu prüfen, und soweit wie
irgend thunlich darauf hinzuwirken, daß die Ueberwachung und Leitung der
geistigen und wissenschaftlichen Entwicklung der Jugend dem Interesse der
Volkswohlfahrt entspreche.

Zur Erkennung der gouvernementalen Anschauungen über das Unterrichts-
wesen bieten gegenwärtig die in den neuesten Schulprogv.numen niedergelegten
Bemerkungen, zu denen der jetzige preußische Cultusminister durch das Resultat
der abgehaltenen Revision aller evangelischen Gymnasien Schlesiens sich ver¬
anlaßt gesehen hat, Gelegenheit dar. Ueber den disciplinarischen Zustand
dieser Anstalten spricht sich Herr von Raumer im Allgemeinen günstig aus, da¬
gegen hat derselbe in Betreff des wissenschaftlichen Geistes, der sich kund ge¬
geben und der Erfolge des Unterrichts vielfache Ausstellungen zu machen und
bemängelt, daß es häufig an einem einmüthigen Zusammenwirken der Lehrer,
an einem wohlgeordneten Lectionsplane und an zweckmäßiger Unterrichts¬
methode gebreche. Klagen dieser Art, will uns bedünken, müssen befremden,
wenn sie als ziemlich allgemein begründet hingestellt werden, la es ja den
obern und höchsten Schulbehörden nicht an Mitteln fehlen kann, zur rechten
Zeit einzuschreiten, um zu einem so umfassenden Tadel keine Veranlassung zu
finden. Die weitere Anführung, duß der Unterricht sich nickt genug auf daS
Nothwendige beschränke und weder Fertigkeit, noch das Gefühl eines sichern
Besitzes bei den Schülern hervorbringe, erscheint indessen ebenso beherzigens¬
wert!), wie die Hinweisung darauf, daß in dem philologischen Unterrichte nicht
mit unfruchtbarer Mikrologie zu verfahren, das Grammatische, wie häufig vor¬
komme, bei Erklärung der Schriftsteller nicht am unrechten Orte zu behandeln,
bei der Lectüre nicht zu langsam vorzuschreiten und in den unter" Elassen
nicht zu viel Gewicht auf entlegene Ausnahmen von der Regel zu legen, wol
aber mehr auf die nöthige Festigkeit im elementaren, grammatischen und
anderen Wissen, sowie auf die Fähigkeit solches Wissen mit Freiheit zu ver¬
wenden', hinzuwirken sei. Bei der im Auftrage des Unterrichts- und Cultus-
"linisteriumS durch den geheimen Regierungsrath l>r. Wiese ausgeführten
Revision haben sich als anzuführende Mängel nächst dem herausgestellt, daß
auf den schlesischen Gymnasien nicht genug auf eine richtige Betonung im
Vortrage gehalten werde, daß eS für die fremden Sprachen den Schülern gar
sehr an eine", Gedächtnißvorralhe voll Vvcabeln fehle und daß man es nur
zu häufig unterlassen habe, die jungen Leute an ein scharfes und ruhiges


im Alte der geistigen Entwicklung empfangenen Eindrücke es sino, welche für
den Mann bei seinem staatsbürgerlichen Verhalten späterhin leitend werden.
Je angelegentlicher aber die Regierung mit dem Schul- und Erziehungswesen
sich beschäftigt, destomehr wird es Pflicht aller Staatsangehörigen, denen es
um die Volkswohlfahrt zu thun ist, die in dieser Beziehung von dem Gouver¬
nement angenommenen Principien gewissenhaft zu prüfen, und soweit wie
irgend thunlich darauf hinzuwirken, daß die Ueberwachung und Leitung der
geistigen und wissenschaftlichen Entwicklung der Jugend dem Interesse der
Volkswohlfahrt entspreche.

Zur Erkennung der gouvernementalen Anschauungen über das Unterrichts-
wesen bieten gegenwärtig die in den neuesten Schulprogv.numen niedergelegten
Bemerkungen, zu denen der jetzige preußische Cultusminister durch das Resultat
der abgehaltenen Revision aller evangelischen Gymnasien Schlesiens sich ver¬
anlaßt gesehen hat, Gelegenheit dar. Ueber den disciplinarischen Zustand
dieser Anstalten spricht sich Herr von Raumer im Allgemeinen günstig aus, da¬
gegen hat derselbe in Betreff des wissenschaftlichen Geistes, der sich kund ge¬
geben und der Erfolge des Unterrichts vielfache Ausstellungen zu machen und
bemängelt, daß es häufig an einem einmüthigen Zusammenwirken der Lehrer,
an einem wohlgeordneten Lectionsplane und an zweckmäßiger Unterrichts¬
methode gebreche. Klagen dieser Art, will uns bedünken, müssen befremden,
wenn sie als ziemlich allgemein begründet hingestellt werden, la es ja den
obern und höchsten Schulbehörden nicht an Mitteln fehlen kann, zur rechten
Zeit einzuschreiten, um zu einem so umfassenden Tadel keine Veranlassung zu
finden. Die weitere Anführung, duß der Unterricht sich nickt genug auf daS
Nothwendige beschränke und weder Fertigkeit, noch das Gefühl eines sichern
Besitzes bei den Schülern hervorbringe, erscheint indessen ebenso beherzigens¬
wert!), wie die Hinweisung darauf, daß in dem philologischen Unterrichte nicht
mit unfruchtbarer Mikrologie zu verfahren, das Grammatische, wie häufig vor¬
komme, bei Erklärung der Schriftsteller nicht am unrechten Orte zu behandeln,
bei der Lectüre nicht zu langsam vorzuschreiten und in den unter» Elassen
nicht zu viel Gewicht auf entlegene Ausnahmen von der Regel zu legen, wol
aber mehr auf die nöthige Festigkeit im elementaren, grammatischen und
anderen Wissen, sowie auf die Fähigkeit solches Wissen mit Freiheit zu ver¬
wenden', hinzuwirken sei. Bei der im Auftrage des Unterrichts- und Cultus-
»linisteriumS durch den geheimen Regierungsrath l>r. Wiese ausgeführten
Revision haben sich als anzuführende Mängel nächst dem herausgestellt, daß
auf den schlesischen Gymnasien nicht genug auf eine richtige Betonung im
Vortrage gehalten werde, daß eS für die fremden Sprachen den Schülern gar
sehr an eine», Gedächtnißvorralhe voll Vvcabeln fehle und daß man es nur
zu häufig unterlassen habe, die jungen Leute an ein scharfes und ruhiges


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341580_99385/303>, abgerufen am 26.06.2024.