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Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, I. Semester. II. Band.

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um, es billigen, wenn er mancherlei moderne Spielerkunststückchen anwendet,
um den Haydnschen und Mozartschen Sachen einen pikanten Reiz zu geben.
Eines schickt sich nicht für alle: was in der bunten Reihe am Platz sein mag,
muß dieser Musik fern bleiben. Die Art wie Herr David namentlich in
den Haydnschen Quartetts kokettirt, als wolle er zeigen, was er aus einem
Haydnschen Quartett zu machen im Stande sei, wie er z. B. begleitende
Figuren vorträgt, als wolle er sagen: So accompagnirt die erste Violine! ist
eine aige Ueberhebung und Geschmacklosigkeit, Die Kammermusik unsrer großen
Meister 'ist das Palladium unsrer musikalischen Entwicklung: was soll daraus
werden, wenn die sie zu entweihen anfangen, welche zu ihren Hütern be¬
stellt sind?




Der Gymnnsmlnntemcht in Schlesien.

Wenn in früheren Jahren von dem preußischen Gouvernement bei der
Leitung des Schul-, Gymnasial- und Universitätswesens el" besonderer Werth
auf wissenschaftliche Intelligenz gelegt wurde, so ist es gegenwärtig die- Bibel¬
kunde und Glaubensfestigkeit, welche man als die Grundpfeiler der Jugeno-
' bildung von oben her angesehen wissen will. Die theologischen Dogme", wenn
sie nicht symbolisch aufgefaßt werden, stehen in einem zu hartem Widersprüche
mit den Resultaten, welche aus dem Studium der Naturlehre gewonnen werden,
als daß nicht die Jugend, sobald sie zu einigem Bewußtsein ub.er das in d^r
Schule Gelernte gekommen, irregeführt werden und in einen Zwiespalt mit
sich selbst gerathen sollte. Wird nun ein solch innerer Kampf bis in die höch¬
sten Classen der Gymnasien hinauf genährt, so tritt die Gefahr ein, daß der
zu einem bürgerlichen Berufe oder zum Universitätsleben übertretende Jüng¬
ling für eine erfolgreiche Anwendung der Nealkenntnifse, für die weitere Cul-
tivirung seines Wissens in der theologischen Disciplin, wie in andern Zweigen
des Studiums untüchtig geworden.

Die Handhabung des Elementar-, wie noch mehr des Gymnasialunter-
richts muß uns daher von höchster Bedeutung erscheinen, wenn es darum zu
thun ist, durch Intelligenz die Wohlfahrt der Nation zu fördern. Bei Auf¬
stellung von Reglements für das Schulwesen seitens des Gouvernements,
tritt, wie die Sachen jetzt stehen, noch ein andrer Facior ein.

Man glaubt als maßgebend festhalten zu müssen, für die Consolidirung
der vorhandenen Staatsform, den angenommenen Regierungsmodus, mit einem
Worte für das vermeintliche dynastische Interesse schon , bei der Erziehung
der Jugend wirksam zu sein, da man recht wohl ersänne hat, daß grade die


um, es billigen, wenn er mancherlei moderne Spielerkunststückchen anwendet,
um den Haydnschen und Mozartschen Sachen einen pikanten Reiz zu geben.
Eines schickt sich nicht für alle: was in der bunten Reihe am Platz sein mag,
muß dieser Musik fern bleiben. Die Art wie Herr David namentlich in
den Haydnschen Quartetts kokettirt, als wolle er zeigen, was er aus einem
Haydnschen Quartett zu machen im Stande sei, wie er z. B. begleitende
Figuren vorträgt, als wolle er sagen: So accompagnirt die erste Violine! ist
eine aige Ueberhebung und Geschmacklosigkeit, Die Kammermusik unsrer großen
Meister 'ist das Palladium unsrer musikalischen Entwicklung: was soll daraus
werden, wenn die sie zu entweihen anfangen, welche zu ihren Hütern be¬
stellt sind?




Der Gymnnsmlnntemcht in Schlesien.

Wenn in früheren Jahren von dem preußischen Gouvernement bei der
Leitung des Schul-, Gymnasial- und Universitätswesens el» besonderer Werth
auf wissenschaftliche Intelligenz gelegt wurde, so ist es gegenwärtig die- Bibel¬
kunde und Glaubensfestigkeit, welche man als die Grundpfeiler der Jugeno-
' bildung von oben her angesehen wissen will. Die theologischen Dogme», wenn
sie nicht symbolisch aufgefaßt werden, stehen in einem zu hartem Widersprüche
mit den Resultaten, welche aus dem Studium der Naturlehre gewonnen werden,
als daß nicht die Jugend, sobald sie zu einigem Bewußtsein ub.er das in d^r
Schule Gelernte gekommen, irregeführt werden und in einen Zwiespalt mit
sich selbst gerathen sollte. Wird nun ein solch innerer Kampf bis in die höch¬
sten Classen der Gymnasien hinauf genährt, so tritt die Gefahr ein, daß der
zu einem bürgerlichen Berufe oder zum Universitätsleben übertretende Jüng¬
ling für eine erfolgreiche Anwendung der Nealkenntnifse, für die weitere Cul-
tivirung seines Wissens in der theologischen Disciplin, wie in andern Zweigen
des Studiums untüchtig geworden.

Die Handhabung des Elementar-, wie noch mehr des Gymnasialunter-
richts muß uns daher von höchster Bedeutung erscheinen, wenn es darum zu
thun ist, durch Intelligenz die Wohlfahrt der Nation zu fördern. Bei Auf¬
stellung von Reglements für das Schulwesen seitens des Gouvernements,
tritt, wie die Sachen jetzt stehen, noch ein andrer Facior ein.

Man glaubt als maßgebend festhalten zu müssen, für die Consolidirung
der vorhandenen Staatsform, den angenommenen Regierungsmodus, mit einem
Worte für das vermeintliche dynastische Interesse schon , bei der Erziehung
der Jugend wirksam zu sein, da man recht wohl ersänne hat, daß grade die


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341580_99385/302>, abgerufen am 29.06.2024.