Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, I. Semester. II. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

die Monodien OlnfS sind gar verschieden von der eigenthümlichen Schwermuth,
welche in den alten herrlichen skandinavischen Volksliedern so wunderbar ausge¬
drückt wird. Selbst die Scene mit den Erlenmädchen schlagt, so hübsch sie
klingt, doch keinen neuen'Ton an. Seitdem Weber zuerst die Weise angab, die
Mendelssohn aufnahm und weiter ausbildete, seitdem die Elfen ihre eigne
Rubrik in der modernen Instrumentalmusik erhalten haben, sind sie worden wie
unser einer; auch die Gadeschen Erlenmädchen kennen wir schon aus seinen
Synsvnien; das Dämmerlicht ist verschwunden, es graut uns nicht mehr vor
ihnen, sie locken uns nicht mehr.

Noch brachte uns das NeujahrSconcert wie gewöhnlich ein Programm von
bedeutenderem Gehalt. Im ersten Theil wurde ein Kyrie und Gloria von
Haupt manu, I. Haydus Motette "Des Staubes eitle Sorgen" und der
Psalm von Mendelssohn gesungen. Die Motette des Altmeisters, ein
wahres Juwel unter ähnlichen Werken dieser Gattung, behauptete den Preis
durch ihre unvergängliche Frische und Schönheit. Beiläufig bemerkt, klingt sie
besser mit lateinischen oder dem italienischen Originaltext (denn sie ist ursprüng¬
lich ein Chor aus dem Oratorium .U ritveno all l'obia.) Die Sätze aus
Hauptmanns Messe kamen in ihren Vorzügen einer abgerundeten harmonischen
Form und wohllautender Schönheit durch die etwas unsichere und theilweis
mißlungene Ausführung nicht zu voller Geltung. Der Psalm von Mendels¬
sohn ist bekannt; einige Sätze sind sehr schön und von der trefflichsten Wirkung,
allein nicht alle stehen auf gleicher Höhe. Immer aber war die Zusammen¬
stellung dieser Gesangstücke als zweckmäßig zu loben, da sie einander wohl ent¬
sprechen. Wenn indessen außerdem im ersten Theil noch die Ouvertüre zur
Iphigenie und ein Violincvncert von Nietz lind im zweiten Theil die OmvII
Synfouie aufgeführt wurde, so war daS offenbar ein embarias cle ricI>e8s<Z8,
gegen welche man im Interesse der Kunst Protestiren muß. Denn wie bereit¬
willig auch anerkannt werden mag, daß wahrhafte, echte ricdeKses hier dargeboten
wurden, so bleibt es doch gewiß, daß zuletzt der embaiius den Ausschlag gibt.

Ueberhaupt was die Programme und ihre Anordnung betrifft, so scheint
die Concertdireetivn von der Vortrefflichkeit des Leistens, welchen sie sich ein¬
mal geschnitzt hat, so fest überzeugt zu sein, daß sie frischweg ein Concert nach
dem andern über denselben schlägt; fertig werden sie dann auch, aber wie!
Wenn schon die erste Hälfte der Abonnementconcerte in dieser Beziehung gerechte
Ursachen zu Unzufriedenheit gab, so ist die Dürftigkeit und Monotonie der
Programme in der zweiten Hälfte nur noch größer geworden. Allein was kann
es helfen, immer von neuem wieder auf diese Unwürdigkeit hinzuweisen, da
doch nur leeres Stroh gedroschen wird und ein wiederholtes Eingehen auf diese
Misere endlich so langweilig werden muß, wie diese selbst. ,

Als Sängerinnen traten aufFräulein Cellini aus Wien; Frau Krebs-


die Monodien OlnfS sind gar verschieden von der eigenthümlichen Schwermuth,
welche in den alten herrlichen skandinavischen Volksliedern so wunderbar ausge¬
drückt wird. Selbst die Scene mit den Erlenmädchen schlagt, so hübsch sie
klingt, doch keinen neuen'Ton an. Seitdem Weber zuerst die Weise angab, die
Mendelssohn aufnahm und weiter ausbildete, seitdem die Elfen ihre eigne
Rubrik in der modernen Instrumentalmusik erhalten haben, sind sie worden wie
unser einer; auch die Gadeschen Erlenmädchen kennen wir schon aus seinen
Synsvnien; das Dämmerlicht ist verschwunden, es graut uns nicht mehr vor
ihnen, sie locken uns nicht mehr.

Noch brachte uns das NeujahrSconcert wie gewöhnlich ein Programm von
bedeutenderem Gehalt. Im ersten Theil wurde ein Kyrie und Gloria von
Haupt manu, I. Haydus Motette „Des Staubes eitle Sorgen" und der
Psalm von Mendelssohn gesungen. Die Motette des Altmeisters, ein
wahres Juwel unter ähnlichen Werken dieser Gattung, behauptete den Preis
durch ihre unvergängliche Frische und Schönheit. Beiläufig bemerkt, klingt sie
besser mit lateinischen oder dem italienischen Originaltext (denn sie ist ursprüng¬
lich ein Chor aus dem Oratorium .U ritveno all l'obia.) Die Sätze aus
Hauptmanns Messe kamen in ihren Vorzügen einer abgerundeten harmonischen
Form und wohllautender Schönheit durch die etwas unsichere und theilweis
mißlungene Ausführung nicht zu voller Geltung. Der Psalm von Mendels¬
sohn ist bekannt; einige Sätze sind sehr schön und von der trefflichsten Wirkung,
allein nicht alle stehen auf gleicher Höhe. Immer aber war die Zusammen¬
stellung dieser Gesangstücke als zweckmäßig zu loben, da sie einander wohl ent¬
sprechen. Wenn indessen außerdem im ersten Theil noch die Ouvertüre zur
Iphigenie und ein Violincvncert von Nietz lind im zweiten Theil die OmvII
Synfouie aufgeführt wurde, so war daS offenbar ein embarias cle ricI>e8s<Z8,
gegen welche man im Interesse der Kunst Protestiren muß. Denn wie bereit¬
willig auch anerkannt werden mag, daß wahrhafte, echte ricdeKses hier dargeboten
wurden, so bleibt es doch gewiß, daß zuletzt der embaiius den Ausschlag gibt.

Ueberhaupt was die Programme und ihre Anordnung betrifft, so scheint
die Concertdireetivn von der Vortrefflichkeit des Leistens, welchen sie sich ein¬
mal geschnitzt hat, so fest überzeugt zu sein, daß sie frischweg ein Concert nach
dem andern über denselben schlägt; fertig werden sie dann auch, aber wie!
Wenn schon die erste Hälfte der Abonnementconcerte in dieser Beziehung gerechte
Ursachen zu Unzufriedenheit gab, so ist die Dürftigkeit und Monotonie der
Programme in der zweiten Hälfte nur noch größer geworden. Allein was kann
es helfen, immer von neuem wieder auf diese Unwürdigkeit hinzuweisen, da
doch nur leeres Stroh gedroschen wird und ein wiederholtes Eingehen auf diese
Misere endlich so langweilig werden muß, wie diese selbst. ,

Als Sängerinnen traten aufFräulein Cellini aus Wien; Frau Krebs-


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <pb facs="#f0295" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/99681"/>
            <p xml:id="ID_1015" prev="#ID_1014"> die Monodien OlnfS sind gar verschieden von der eigenthümlichen Schwermuth,<lb/>
welche in den alten herrlichen skandinavischen Volksliedern so wunderbar ausge¬<lb/>
drückt wird. Selbst die Scene mit den Erlenmädchen schlagt, so hübsch sie<lb/>
klingt, doch keinen neuen'Ton an. Seitdem Weber zuerst die Weise angab, die<lb/>
Mendelssohn aufnahm und weiter ausbildete, seitdem die Elfen ihre eigne<lb/>
Rubrik in der modernen Instrumentalmusik erhalten haben, sind sie worden wie<lb/>
unser einer; auch die Gadeschen Erlenmädchen kennen wir schon aus seinen<lb/>
Synsvnien; das Dämmerlicht ist verschwunden, es graut uns nicht mehr vor<lb/>
ihnen, sie locken uns nicht mehr.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_1016"> Noch brachte uns das NeujahrSconcert wie gewöhnlich ein Programm von<lb/>
bedeutenderem Gehalt. Im ersten Theil wurde ein Kyrie und Gloria von<lb/>
Haupt manu, I. Haydus Motette &#x201E;Des Staubes eitle Sorgen" und der<lb/>
Psalm von Mendelssohn gesungen.  Die Motette des Altmeisters, ein<lb/>
wahres Juwel unter ähnlichen Werken dieser Gattung, behauptete den Preis<lb/>
durch ihre unvergängliche Frische und Schönheit.  Beiläufig bemerkt, klingt sie<lb/>
besser mit lateinischen oder dem italienischen Originaltext (denn sie ist ursprüng¬<lb/>
lich ein Chor aus dem Oratorium .U ritveno all l'obia.)  Die Sätze aus<lb/>
Hauptmanns Messe kamen in ihren Vorzügen einer abgerundeten harmonischen<lb/>
Form und wohllautender Schönheit durch die etwas unsichere und theilweis<lb/>
mißlungene Ausführung nicht zu voller Geltung.  Der Psalm von Mendels¬<lb/>
sohn ist bekannt; einige Sätze sind sehr schön und von der trefflichsten Wirkung,<lb/>
allein nicht alle stehen auf gleicher Höhe.  Immer aber war die Zusammen¬<lb/>
stellung dieser Gesangstücke als zweckmäßig zu loben, da sie einander wohl ent¬<lb/>
sprechen.  Wenn indessen außerdem im ersten Theil noch die Ouvertüre zur<lb/>
Iphigenie und ein Violincvncert von Nietz lind im zweiten Theil die OmvII<lb/>
Synfouie aufgeführt wurde, so war daS offenbar ein embarias cle ricI&gt;e8s&lt;Z8,<lb/>
gegen welche man im Interesse der Kunst Protestiren muß.  Denn wie bereit¬<lb/>
willig auch anerkannt werden mag, daß wahrhafte, echte ricdeKses hier dargeboten<lb/>
wurden, so bleibt es doch gewiß, daß zuletzt der embaiius den Ausschlag gibt.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_1017"> Ueberhaupt was die Programme und ihre Anordnung betrifft, so scheint<lb/>
die Concertdireetivn von der Vortrefflichkeit des Leistens, welchen sie sich ein¬<lb/>
mal geschnitzt hat, so fest überzeugt zu sein, daß sie frischweg ein Concert nach<lb/>
dem andern über denselben schlägt; fertig werden sie dann auch, aber wie!<lb/>
Wenn schon die erste Hälfte der Abonnementconcerte in dieser Beziehung gerechte<lb/>
Ursachen zu Unzufriedenheit gab, so ist die Dürftigkeit und Monotonie der<lb/>
Programme in der zweiten Hälfte nur noch größer geworden. Allein was kann<lb/>
es helfen, immer von neuem wieder auf diese Unwürdigkeit hinzuweisen, da<lb/>
doch nur leeres Stroh gedroschen wird und ein wiederholtes Eingehen auf diese<lb/>
Misere endlich so langweilig werden muß, wie diese selbst. ,</p><lb/>
            <p xml:id="ID_1018" next="#ID_1019"> Als Sängerinnen traten aufFräulein Cellini aus Wien; Frau Krebs-</p><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0295] die Monodien OlnfS sind gar verschieden von der eigenthümlichen Schwermuth, welche in den alten herrlichen skandinavischen Volksliedern so wunderbar ausge¬ drückt wird. Selbst die Scene mit den Erlenmädchen schlagt, so hübsch sie klingt, doch keinen neuen'Ton an. Seitdem Weber zuerst die Weise angab, die Mendelssohn aufnahm und weiter ausbildete, seitdem die Elfen ihre eigne Rubrik in der modernen Instrumentalmusik erhalten haben, sind sie worden wie unser einer; auch die Gadeschen Erlenmädchen kennen wir schon aus seinen Synsvnien; das Dämmerlicht ist verschwunden, es graut uns nicht mehr vor ihnen, sie locken uns nicht mehr. Noch brachte uns das NeujahrSconcert wie gewöhnlich ein Programm von bedeutenderem Gehalt. Im ersten Theil wurde ein Kyrie und Gloria von Haupt manu, I. Haydus Motette „Des Staubes eitle Sorgen" und der Psalm von Mendelssohn gesungen. Die Motette des Altmeisters, ein wahres Juwel unter ähnlichen Werken dieser Gattung, behauptete den Preis durch ihre unvergängliche Frische und Schönheit. Beiläufig bemerkt, klingt sie besser mit lateinischen oder dem italienischen Originaltext (denn sie ist ursprüng¬ lich ein Chor aus dem Oratorium .U ritveno all l'obia.) Die Sätze aus Hauptmanns Messe kamen in ihren Vorzügen einer abgerundeten harmonischen Form und wohllautender Schönheit durch die etwas unsichere und theilweis mißlungene Ausführung nicht zu voller Geltung. Der Psalm von Mendels¬ sohn ist bekannt; einige Sätze sind sehr schön und von der trefflichsten Wirkung, allein nicht alle stehen auf gleicher Höhe. Immer aber war die Zusammen¬ stellung dieser Gesangstücke als zweckmäßig zu loben, da sie einander wohl ent¬ sprechen. Wenn indessen außerdem im ersten Theil noch die Ouvertüre zur Iphigenie und ein Violincvncert von Nietz lind im zweiten Theil die OmvII Synfouie aufgeführt wurde, so war daS offenbar ein embarias cle ricI>e8s<Z8, gegen welche man im Interesse der Kunst Protestiren muß. Denn wie bereit¬ willig auch anerkannt werden mag, daß wahrhafte, echte ricdeKses hier dargeboten wurden, so bleibt es doch gewiß, daß zuletzt der embaiius den Ausschlag gibt. Ueberhaupt was die Programme und ihre Anordnung betrifft, so scheint die Concertdireetivn von der Vortrefflichkeit des Leistens, welchen sie sich ein¬ mal geschnitzt hat, so fest überzeugt zu sein, daß sie frischweg ein Concert nach dem andern über denselben schlägt; fertig werden sie dann auch, aber wie! Wenn schon die erste Hälfte der Abonnementconcerte in dieser Beziehung gerechte Ursachen zu Unzufriedenheit gab, so ist die Dürftigkeit und Monotonie der Programme in der zweiten Hälfte nur noch größer geworden. Allein was kann es helfen, immer von neuem wieder auf diese Unwürdigkeit hinzuweisen, da doch nur leeres Stroh gedroschen wird und ein wiederholtes Eingehen auf diese Misere endlich so langweilig werden muß, wie diese selbst. , Als Sängerinnen traten aufFräulein Cellini aus Wien; Frau Krebs-

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341580_99385
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341580_99385/295
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341580_99385/295>, abgerufen am 24.08.2024.