Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, I. Semester. II. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

Hier ist kein Stein, dessen Vollendung nicht der Staat bestimmte; hier
kein engster Raum, dessen Weite, Winkel und Ecken nicht im Marineministerium
berathen wurden, ehe er entstehen durfte; hier kein kleinster Punkt, der nicht
in seinen Verhältnissen zu den Kriegszwecken und Festungswerken bestimmt,
bemessen und berechnet wäre. So imposant, so elegant, ja so anmuthig
diese Häuser und Paläste, diese Straßen und Plätze, diese Balustraden und
Baumgruppen uns beim ersten Anblicke anmuthen -- man hat unwillkürlich
fast dasselbe Gefühl, als würde man in einer ungeheuern Maschine herum¬
geführt und müßte sich äußerst hüten, an eines derRäder, Kurbeln, Walzen u. s. w.
zu streifen, damit sie uns nicht zermalmen.

Man wird solche Empfindlichkeit vielleicht übertrieben finden, doch am
Ende auch nicht ungerechtfertigt, wenn man daran denken will, daß hier jeder
Blick, der ins Freie zu gehen meint, in nächster Entfernung immer wieder
auf Wachen, Waffen, Granitwälle und Geschützmündungen trifft. Man würde
sie vielleicht noch mehr entschuldigen, wenn man (wie es uns geschah) an dieser
Stelle in einem Kanonendonner stände, der recht deutlich die Antwort aus ein
feindliches Bombardement veranschaulichte. Zuerst waren es allerdings 120 regel¬
mäßige Salven aus den Wallgeschützen größten Kalibers, welche zur Feier
des Kaisergeburtötägs über unsern Häuptern hinrollte". Aber unmittelbar
nachher vermehrte sich die Täuschung, als ein Manöverkampf zwischen einer
Flotille von Kanonenbooten und einem Linienschiff nebst Fregatte voll der
Rhede des Kriegöhafens hereindonnerte, immer näher kam und endlich im
Hasen selbst mit einem scheinbaren Zusammenschießen der kühlten Angreifer
durch die Breitseiten der ankernden Schiffe und die Batterien der Wälle
endete. -- Es macht einen seltsamen Eindruck, sogar bei solchem Festspektakel
keine Zuschauer versammelt zu sehen. Auch dies vermehrt vie Empfindung
des Maschinenhaflen alles Lebens.

Doch wenden wir uns zu den einzelnen Gebäuden; ihre Betrachtung wird
Gelegenheit geben, einige der Vorkehrungen und Vorräthe kennen zu lernen,
welche hier für den Fall des Krieges zusammengehäuft sind.

Wenn dereinst die Ostseearmada der Westmächte sich entschließen wird, vor
Kronstäbe eben eine solche Aufstellung zu nehmen, wie sie uns die saubern
Bilder vor Sebastopol zeigen -- dann hängt Wohl und Wehe des wichtigsten
russischen Bollwerkes, ja der Zarenresidenz selbst von den Befehlen des Mannes
ab, der im sogenannten Admira litätsgebä nde restdirt. Außer durch seine
kolossalen Dimensionen, die wachebesetzten Pforten, den Spähethurm auf seinem
Tache und dem unter einer flatternden Flagge arbeitenden mechanischen. Tele¬
graphen, ists nicht weiter auffallend gebaut. Aber von seinen Räumlichkeiten
mag man sich- einen Begriff machen, wenn man hört, was alles darin unter¬
gebracht ist. Zuerst natürlich eine Zimmerreihe für den Zaren, ferner ebenso


Grenzboten. II. -I8of. 32

Hier ist kein Stein, dessen Vollendung nicht der Staat bestimmte; hier
kein engster Raum, dessen Weite, Winkel und Ecken nicht im Marineministerium
berathen wurden, ehe er entstehen durfte; hier kein kleinster Punkt, der nicht
in seinen Verhältnissen zu den Kriegszwecken und Festungswerken bestimmt,
bemessen und berechnet wäre. So imposant, so elegant, ja so anmuthig
diese Häuser und Paläste, diese Straßen und Plätze, diese Balustraden und
Baumgruppen uns beim ersten Anblicke anmuthen — man hat unwillkürlich
fast dasselbe Gefühl, als würde man in einer ungeheuern Maschine herum¬
geführt und müßte sich äußerst hüten, an eines derRäder, Kurbeln, Walzen u. s. w.
zu streifen, damit sie uns nicht zermalmen.

Man wird solche Empfindlichkeit vielleicht übertrieben finden, doch am
Ende auch nicht ungerechtfertigt, wenn man daran denken will, daß hier jeder
Blick, der ins Freie zu gehen meint, in nächster Entfernung immer wieder
auf Wachen, Waffen, Granitwälle und Geschützmündungen trifft. Man würde
sie vielleicht noch mehr entschuldigen, wenn man (wie es uns geschah) an dieser
Stelle in einem Kanonendonner stände, der recht deutlich die Antwort aus ein
feindliches Bombardement veranschaulichte. Zuerst waren es allerdings 120 regel¬
mäßige Salven aus den Wallgeschützen größten Kalibers, welche zur Feier
des Kaisergeburtötägs über unsern Häuptern hinrollte». Aber unmittelbar
nachher vermehrte sich die Täuschung, als ein Manöverkampf zwischen einer
Flotille von Kanonenbooten und einem Linienschiff nebst Fregatte voll der
Rhede des Kriegöhafens hereindonnerte, immer näher kam und endlich im
Hasen selbst mit einem scheinbaren Zusammenschießen der kühlten Angreifer
durch die Breitseiten der ankernden Schiffe und die Batterien der Wälle
endete. — Es macht einen seltsamen Eindruck, sogar bei solchem Festspektakel
keine Zuschauer versammelt zu sehen. Auch dies vermehrt vie Empfindung
des Maschinenhaflen alles Lebens.

Doch wenden wir uns zu den einzelnen Gebäuden; ihre Betrachtung wird
Gelegenheit geben, einige der Vorkehrungen und Vorräthe kennen zu lernen,
welche hier für den Fall des Krieges zusammengehäuft sind.

Wenn dereinst die Ostseearmada der Westmächte sich entschließen wird, vor
Kronstäbe eben eine solche Aufstellung zu nehmen, wie sie uns die saubern
Bilder vor Sebastopol zeigen — dann hängt Wohl und Wehe des wichtigsten
russischen Bollwerkes, ja der Zarenresidenz selbst von den Befehlen des Mannes
ab, der im sogenannten Admira litätsgebä nde restdirt. Außer durch seine
kolossalen Dimensionen, die wachebesetzten Pforten, den Spähethurm auf seinem
Tache und dem unter einer flatternden Flagge arbeitenden mechanischen. Tele¬
graphen, ists nicht weiter auffallend gebaut. Aber von seinen Räumlichkeiten
mag man sich- einen Begriff machen, wenn man hört, was alles darin unter¬
gebracht ist. Zuerst natürlich eine Zimmerreihe für den Zaren, ferner ebenso


Grenzboten. II. -I8of. 32
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0257" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/99643"/>
          <p xml:id="ID_884"> Hier ist kein Stein, dessen Vollendung nicht der Staat bestimmte; hier<lb/>
kein engster Raum, dessen Weite, Winkel und Ecken nicht im Marineministerium<lb/>
berathen wurden, ehe er entstehen durfte; hier kein kleinster Punkt, der nicht<lb/>
in seinen Verhältnissen zu den Kriegszwecken und Festungswerken bestimmt,<lb/>
bemessen und berechnet wäre. So imposant, so elegant, ja so anmuthig<lb/>
diese Häuser und Paläste, diese Straßen und Plätze, diese Balustraden und<lb/>
Baumgruppen uns beim ersten Anblicke anmuthen &#x2014; man hat unwillkürlich<lb/>
fast dasselbe Gefühl, als würde man in einer ungeheuern Maschine herum¬<lb/>
geführt und müßte sich äußerst hüten, an eines derRäder, Kurbeln, Walzen u. s. w.<lb/>
zu streifen, damit sie uns nicht zermalmen.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_885"> Man wird solche Empfindlichkeit vielleicht übertrieben finden, doch am<lb/>
Ende auch nicht ungerechtfertigt, wenn man daran denken will, daß hier jeder<lb/>
Blick, der ins Freie zu gehen meint, in nächster Entfernung immer wieder<lb/>
auf Wachen, Waffen, Granitwälle und Geschützmündungen trifft. Man würde<lb/>
sie vielleicht noch mehr entschuldigen, wenn man (wie es uns geschah) an dieser<lb/>
Stelle in einem Kanonendonner stände, der recht deutlich die Antwort aus ein<lb/>
feindliches Bombardement veranschaulichte. Zuerst waren es allerdings 120 regel¬<lb/>
mäßige Salven aus den Wallgeschützen größten Kalibers, welche zur Feier<lb/>
des Kaisergeburtötägs über unsern Häuptern hinrollte». Aber unmittelbar<lb/>
nachher vermehrte sich die Täuschung, als ein Manöverkampf zwischen einer<lb/>
Flotille von Kanonenbooten und einem Linienschiff nebst Fregatte voll der<lb/>
Rhede des Kriegöhafens hereindonnerte, immer näher kam und endlich im<lb/>
Hasen selbst mit einem scheinbaren Zusammenschießen der kühlten Angreifer<lb/>
durch die Breitseiten der ankernden Schiffe und die Batterien der Wälle<lb/>
endete. &#x2014; Es macht einen seltsamen Eindruck, sogar bei solchem Festspektakel<lb/>
keine Zuschauer versammelt zu sehen. Auch dies vermehrt vie Empfindung<lb/>
des Maschinenhaflen alles Lebens.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_886"> Doch wenden wir uns zu den einzelnen Gebäuden; ihre Betrachtung wird<lb/>
Gelegenheit geben, einige der Vorkehrungen und Vorräthe kennen zu lernen,<lb/>
welche hier für den Fall des Krieges zusammengehäuft sind.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_887" next="#ID_888"> Wenn dereinst die Ostseearmada der Westmächte sich entschließen wird, vor<lb/>
Kronstäbe eben eine solche Aufstellung zu nehmen, wie sie uns die saubern<lb/>
Bilder vor Sebastopol zeigen &#x2014; dann hängt Wohl und Wehe des wichtigsten<lb/>
russischen Bollwerkes, ja der Zarenresidenz selbst von den Befehlen des Mannes<lb/>
ab, der im sogenannten Admira litätsgebä nde restdirt. Außer durch seine<lb/>
kolossalen Dimensionen, die wachebesetzten Pforten, den Spähethurm auf seinem<lb/>
Tache und dem unter einer flatternden Flagge arbeitenden mechanischen. Tele¬<lb/>
graphen, ists nicht weiter auffallend gebaut. Aber von seinen Räumlichkeiten<lb/>
mag man sich- einen Begriff machen, wenn man hört, was alles darin unter¬<lb/>
gebracht ist.  Zuerst natürlich eine Zimmerreihe für den Zaren, ferner ebenso</p><lb/>
          <fw type="sig" place="bottom"> Grenzboten. II. -I8of. 32</fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0257] Hier ist kein Stein, dessen Vollendung nicht der Staat bestimmte; hier kein engster Raum, dessen Weite, Winkel und Ecken nicht im Marineministerium berathen wurden, ehe er entstehen durfte; hier kein kleinster Punkt, der nicht in seinen Verhältnissen zu den Kriegszwecken und Festungswerken bestimmt, bemessen und berechnet wäre. So imposant, so elegant, ja so anmuthig diese Häuser und Paläste, diese Straßen und Plätze, diese Balustraden und Baumgruppen uns beim ersten Anblicke anmuthen — man hat unwillkürlich fast dasselbe Gefühl, als würde man in einer ungeheuern Maschine herum¬ geführt und müßte sich äußerst hüten, an eines derRäder, Kurbeln, Walzen u. s. w. zu streifen, damit sie uns nicht zermalmen. Man wird solche Empfindlichkeit vielleicht übertrieben finden, doch am Ende auch nicht ungerechtfertigt, wenn man daran denken will, daß hier jeder Blick, der ins Freie zu gehen meint, in nächster Entfernung immer wieder auf Wachen, Waffen, Granitwälle und Geschützmündungen trifft. Man würde sie vielleicht noch mehr entschuldigen, wenn man (wie es uns geschah) an dieser Stelle in einem Kanonendonner stände, der recht deutlich die Antwort aus ein feindliches Bombardement veranschaulichte. Zuerst waren es allerdings 120 regel¬ mäßige Salven aus den Wallgeschützen größten Kalibers, welche zur Feier des Kaisergeburtötägs über unsern Häuptern hinrollte». Aber unmittelbar nachher vermehrte sich die Täuschung, als ein Manöverkampf zwischen einer Flotille von Kanonenbooten und einem Linienschiff nebst Fregatte voll der Rhede des Kriegöhafens hereindonnerte, immer näher kam und endlich im Hasen selbst mit einem scheinbaren Zusammenschießen der kühlten Angreifer durch die Breitseiten der ankernden Schiffe und die Batterien der Wälle endete. — Es macht einen seltsamen Eindruck, sogar bei solchem Festspektakel keine Zuschauer versammelt zu sehen. Auch dies vermehrt vie Empfindung des Maschinenhaflen alles Lebens. Doch wenden wir uns zu den einzelnen Gebäuden; ihre Betrachtung wird Gelegenheit geben, einige der Vorkehrungen und Vorräthe kennen zu lernen, welche hier für den Fall des Krieges zusammengehäuft sind. Wenn dereinst die Ostseearmada der Westmächte sich entschließen wird, vor Kronstäbe eben eine solche Aufstellung zu nehmen, wie sie uns die saubern Bilder vor Sebastopol zeigen — dann hängt Wohl und Wehe des wichtigsten russischen Bollwerkes, ja der Zarenresidenz selbst von den Befehlen des Mannes ab, der im sogenannten Admira litätsgebä nde restdirt. Außer durch seine kolossalen Dimensionen, die wachebesetzten Pforten, den Spähethurm auf seinem Tache und dem unter einer flatternden Flagge arbeitenden mechanischen. Tele¬ graphen, ists nicht weiter auffallend gebaut. Aber von seinen Räumlichkeiten mag man sich- einen Begriff machen, wenn man hört, was alles darin unter¬ gebracht ist. Zuerst natürlich eine Zimmerreihe für den Zaren, ferner ebenso Grenzboten. II. -I8of. 32

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341580_99385
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341580_99385/257
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341580_99385/257>, abgerufen am 24.08.2024.