Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, I. Semester. II. Band.Phase, nur mit dem Unterschiede, daß dies Mal die Eventualität Scbastopol ganz Daß der Kaiser nicht bester Laune sei, wird niemand Wunder nehmen und Die eigentlichen, wir möchten sagen die Stammanhänger Napoleons, sind alle Der Krieg in der Krim wird nicht aufgegeben werden. Es sind neuerdings Phase, nur mit dem Unterschiede, daß dies Mal die Eventualität Scbastopol ganz Daß der Kaiser nicht bester Laune sei, wird niemand Wunder nehmen und Die eigentlichen, wir möchten sagen die Stammanhänger Napoleons, sind alle Der Krieg in der Krim wird nicht aufgegeben werden. Es sind neuerdings <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0247" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/99633"/> <p xml:id="ID_844" prev="#ID_843"> Phase, nur mit dem Unterschiede, daß dies Mal die Eventualität Scbastopol ganz<lb/> beseitigt bleibt. Es wird sich also blos fragen, ob die Westmächte Oestreich zum<lb/> Kriege gegen Rußland hinreißen oder ob jene vom Wiener Cabinete zum Frieden<lb/> hingezogen werden sonnen. Geschieht keines von beiden, dann bekommt der Krieg<lb/> eine Wendung, die von einigen Publicisten von Anfang her als die einzig zum<lb/> Ziele führende bezeichnet wurde.</p><lb/> <p xml:id="ID_845"> Daß der Kaiser nicht bester Laune sei, wird niemand Wunder nehmen und<lb/> es gibt auch im Innern Anlaß zu Verdrießlichkeiten genng. So setzte es vergan¬<lb/> gene Woche eine sehr lebhafte Discussion zwischen dem Marschall Jerome und dem<lb/> Kaiser ab. Jener weigerte sich die Regentschaft anzunehmen, wenn ihm nicht un¬<lb/> beschränkte Vollmacht ertheilt wird — die Minister aber weigern sich unter Jeromes<lb/> Verantwortlichkeit die Regierung zu führen. Es kam dabei wie in allen Fälle»,<lb/> wo Personen discutirt werden, zu Eröffnungen, welche dem Kaiser einen Blick ins<lb/> Herz seiner Umgebung gestatteten, der ihm eben nicht angenehm gewesen sein mochte.</p><lb/> <p xml:id="ID_846"> Die eigentlichen, wir möchten sagen die Stammanhänger Napoleons, sind alle<lb/> verletzt, und billigen den Gang der Politik keineswegs, die Juninapolconiden sind<lb/> auch nicht zufrieden, da diese eS gern sähen, der Kaiser hätte schon den Frieden<lb/> unterzeichnet. Der Prinz Napoleon steht natürlich an der' Spitze der ersteren und<lb/> wenn von ihm auch uicht gesagt werden kann, daß er el» Günstling des Kaisers<lb/> ist, so hat dieser doch keinen geringen Respect vor seinem Vetter. Man hat viel<lb/> albernes Zeug über letzteren geschrieben und wir begreisen auch, daß Männer,<lb/> welche die Verhältnisse besser kennen, schwiegen, weil man nicht gern vertheidigt,<lb/> was man nicht anch zugleich angreifen darf. Dieser lPrinz hat Eigenschaften, welche<lb/> in einer Umgebung wie die des Kaisers nothwendig Eindruck auf diesen machen<lb/> müssen. Er ist nicht ehrgeizig, er sucht sich uuter den Ministern keine Coterie zu<lb/> verschaffen, er hat den Muth seiner Ueberzeugung und sieht ohne Augenzucken der<lb/> entschiedensten Jnpopularität von oben und unten entgegen — er spricht sich ohne<lb/> Scheu und ohne jede Rücksicht vor dem Kaiser wie vor den Münstern aus. Dieser<lb/> Mann ist vielleicht der einzige, mit den: der Kaiser sich über seine wirklichen Ab¬<lb/> sichten und Pläne ausspricht. Der Prinz war von jeher gegen die Reise, sowie er<lb/> von jeher gegen die Expedition gewesen und er weigert sich auch standhaft, den<lb/> Kaiser zu begleiten. Er wolle nicht die Verantwortlichkeit einer so unpolitischen<lb/> Handlung theilen--Wenn also irgendeine Stimme de» Kaiser zur Nachgiebigkeit<lb/> bewegen kann, so ist es die seines Vetters. Die letzten Berichte Canroberts und<lb/> die Haltung Oestreichs müssen dieser Stimme nnr umsomehr Gewicht geben. Wir<lb/> wissen es wol, daß die sogenannten halbosficiellen Kreise uns einreden werden,<lb/> Oestreich habe die Militärconventivn unterzeichnet und Drouin de Lhuys komme<lb/> blos zurück, weil er seiue Zwecke in Wien erreicht habe. ' Wir glaube» jedoch, daß<lb/> Lord Westmoreland in dieser Beziehung besser unterrichtet ist, als unsre halbosficiellen<lb/> Schlüssclgukcr. Die Situation ist bedenklicher denn je — dies behaupten wir allen<lb/> und jedem zu Trotz, und die nächsten Tage werden kaum einen entscheidenden Ent¬<lb/> schluß reisen sehen, so schwierig ist die Lage und so hart die Kämpfe der verschiedenen<lb/> Meinungen im Herzen der Regierung und vielleicht anch entgegengesetzter Gefühle<lb/> im Busen des Kaisers.</p><lb/> <p xml:id="ID_847" next="#ID_848"> Der Krieg in der Krim wird nicht aufgegeben werden. Es sind neuerdings</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0247]
Phase, nur mit dem Unterschiede, daß dies Mal die Eventualität Scbastopol ganz
beseitigt bleibt. Es wird sich also blos fragen, ob die Westmächte Oestreich zum
Kriege gegen Rußland hinreißen oder ob jene vom Wiener Cabinete zum Frieden
hingezogen werden sonnen. Geschieht keines von beiden, dann bekommt der Krieg
eine Wendung, die von einigen Publicisten von Anfang her als die einzig zum
Ziele führende bezeichnet wurde.
Daß der Kaiser nicht bester Laune sei, wird niemand Wunder nehmen und
es gibt auch im Innern Anlaß zu Verdrießlichkeiten genng. So setzte es vergan¬
gene Woche eine sehr lebhafte Discussion zwischen dem Marschall Jerome und dem
Kaiser ab. Jener weigerte sich die Regentschaft anzunehmen, wenn ihm nicht un¬
beschränkte Vollmacht ertheilt wird — die Minister aber weigern sich unter Jeromes
Verantwortlichkeit die Regierung zu führen. Es kam dabei wie in allen Fälle»,
wo Personen discutirt werden, zu Eröffnungen, welche dem Kaiser einen Blick ins
Herz seiner Umgebung gestatteten, der ihm eben nicht angenehm gewesen sein mochte.
Die eigentlichen, wir möchten sagen die Stammanhänger Napoleons, sind alle
verletzt, und billigen den Gang der Politik keineswegs, die Juninapolconiden sind
auch nicht zufrieden, da diese eS gern sähen, der Kaiser hätte schon den Frieden
unterzeichnet. Der Prinz Napoleon steht natürlich an der' Spitze der ersteren und
wenn von ihm auch uicht gesagt werden kann, daß er el» Günstling des Kaisers
ist, so hat dieser doch keinen geringen Respect vor seinem Vetter. Man hat viel
albernes Zeug über letzteren geschrieben und wir begreisen auch, daß Männer,
welche die Verhältnisse besser kennen, schwiegen, weil man nicht gern vertheidigt,
was man nicht anch zugleich angreifen darf. Dieser lPrinz hat Eigenschaften, welche
in einer Umgebung wie die des Kaisers nothwendig Eindruck auf diesen machen
müssen. Er ist nicht ehrgeizig, er sucht sich uuter den Ministern keine Coterie zu
verschaffen, er hat den Muth seiner Ueberzeugung und sieht ohne Augenzucken der
entschiedensten Jnpopularität von oben und unten entgegen — er spricht sich ohne
Scheu und ohne jede Rücksicht vor dem Kaiser wie vor den Münstern aus. Dieser
Mann ist vielleicht der einzige, mit den: der Kaiser sich über seine wirklichen Ab¬
sichten und Pläne ausspricht. Der Prinz war von jeher gegen die Reise, sowie er
von jeher gegen die Expedition gewesen und er weigert sich auch standhaft, den
Kaiser zu begleiten. Er wolle nicht die Verantwortlichkeit einer so unpolitischen
Handlung theilen--Wenn also irgendeine Stimme de» Kaiser zur Nachgiebigkeit
bewegen kann, so ist es die seines Vetters. Die letzten Berichte Canroberts und
die Haltung Oestreichs müssen dieser Stimme nnr umsomehr Gewicht geben. Wir
wissen es wol, daß die sogenannten halbosficiellen Kreise uns einreden werden,
Oestreich habe die Militärconventivn unterzeichnet und Drouin de Lhuys komme
blos zurück, weil er seiue Zwecke in Wien erreicht habe. ' Wir glaube» jedoch, daß
Lord Westmoreland in dieser Beziehung besser unterrichtet ist, als unsre halbosficiellen
Schlüssclgukcr. Die Situation ist bedenklicher denn je — dies behaupten wir allen
und jedem zu Trotz, und die nächsten Tage werden kaum einen entscheidenden Ent¬
schluß reisen sehen, so schwierig ist die Lage und so hart die Kämpfe der verschiedenen
Meinungen im Herzen der Regierung und vielleicht anch entgegengesetzter Gefühle
im Busen des Kaisers.
Der Krieg in der Krim wird nicht aufgegeben werden. Es sind neuerdings
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