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Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, I. Semester. II. Band.

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Hüllmann übernahm das Amt des Treßler; von Schön stand dem Ganzen vor
und verschaffte die Mittel.

Die Art der Wiederherstellung ist eine eigenthümliche geworden; sie
ging vom Volke ans und ist in jeder Hinsicht volksthümlich geblieben.
Herr von Schön war der Ansicht, jedes Volk müsse, wie Altengland, sein hei¬
teres Westmünster haben, wo der König Patron und alle Edeln des Volkes
zu Hause seien; nirgend aber könne sich hierzu ein Bau würdiger zeigen, als
die Marienburg, da sich alle großen Erinnerungen des Preußenvolkes an sie
knüpfen, gleichsam als geistiges Ahnenhaus der Preußen, als Nest des schwar¬
zen Adlers. Um aber jeden Preußen darin heimisch zu machen, sollte sich keiner
mit bloßen Zahlen abfinden. Die gewöhnlichen Subscriptionen, nur j!zu
oft ein eitles Spiel der Ostentation, wurden vorweg abgelehnt, der, dem es
Ernst mit der Sache, jede Stadt, Corporation, Familie u. s. w. konnte die
Herstellung eines bestimmten Theiles des großen Werkes, z. B. eines Pfeilers,
Gewölbes, Fensters u. s. w. übernehmen und konnte ihre ehrenhafte Mitwirkung
durch Inschriften oder Embleme an dem Bau selbst für die Nachwelt bekunden.
Der König übernahm das Dauernde, Fundamentale, das Volk den weiteren
Ausbau und Schmuck. Da hat denn die königliche Familie, der Adel, die
Städte- und Landgemeinden, Schulen und Universitäten, Militär und Privat¬
leute, jeder nach seinen Kräften bereitwilligst mitgeholfen. Der Name von Stein,
Dohna, Hülsen, Eulenburg, Bardeleben u. s. w. findet sich neben denen von
Schinkel, Häbler und Elchendorf; die Zinnen über Meisters Reuter sind eine
Gabe des eisernen Aork. Und noch heute gehen neue Gaben ein; so im vorigen
Jahre tausend Thaler von einer Mennonitengemeinde zur Aufbauung eines
alten Wartthurms, Königsbergs Buchhändler ließen dieser Tage "Meisters
altes Handfaß" aus Stein wieder herstellen. -- So erhob sich schnell die alte
Burg als ein wahrhaftes Nationalwerk. Und eben dadurch unterscheidet sich
dieser Bau von dem des Kölner Doms. Zu letzterem nahm man nur Geld
an und machte dadurch die Sache trivial und von der Mode abhängig, statt
daß man einzelne Theile des herrlichen Ganzen an bestimmte Personen und
Genossenschaften hätte ketten sollen. Burggraf von Schön hatte auf besondere
Anfrage vor Jahren ebenfalls den Vorschlag gemacht, den Kölner Dom in eben
der Weise, als aus dem Volke hervorgegangen, auszubauen; man hatte dies
auch anfangs thun wollen, verwarf aber doch später den wohlgemeinten Rath.

Leiteten solche Gedanken die wiederherstellende Hand, so durfte auch nicht
zu ängstlich darauf gerücksichtigt werden, mit Peinlichkeit alles grade so herzu¬
stellen, wie es vor Jahrhunderten mochte bestanden haben. Sollte die Burg
zum Mittelpunkte geschichtlichen Lebens in Preußen und zugleich zu einem Ver¬
einigungspunkte des lange Getrennten dienen, so mußten ihr auch deutliche
Beziehungen auf die Gegenwart nicht fehlen; sie mußte als ein Denkmal ruhen-


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Hüllmann übernahm das Amt des Treßler; von Schön stand dem Ganzen vor
und verschaffte die Mittel.

Die Art der Wiederherstellung ist eine eigenthümliche geworden; sie
ging vom Volke ans und ist in jeder Hinsicht volksthümlich geblieben.
Herr von Schön war der Ansicht, jedes Volk müsse, wie Altengland, sein hei¬
teres Westmünster haben, wo der König Patron und alle Edeln des Volkes
zu Hause seien; nirgend aber könne sich hierzu ein Bau würdiger zeigen, als
die Marienburg, da sich alle großen Erinnerungen des Preußenvolkes an sie
knüpfen, gleichsam als geistiges Ahnenhaus der Preußen, als Nest des schwar¬
zen Adlers. Um aber jeden Preußen darin heimisch zu machen, sollte sich keiner
mit bloßen Zahlen abfinden. Die gewöhnlichen Subscriptionen, nur j!zu
oft ein eitles Spiel der Ostentation, wurden vorweg abgelehnt, der, dem es
Ernst mit der Sache, jede Stadt, Corporation, Familie u. s. w. konnte die
Herstellung eines bestimmten Theiles des großen Werkes, z. B. eines Pfeilers,
Gewölbes, Fensters u. s. w. übernehmen und konnte ihre ehrenhafte Mitwirkung
durch Inschriften oder Embleme an dem Bau selbst für die Nachwelt bekunden.
Der König übernahm das Dauernde, Fundamentale, das Volk den weiteren
Ausbau und Schmuck. Da hat denn die königliche Familie, der Adel, die
Städte- und Landgemeinden, Schulen und Universitäten, Militär und Privat¬
leute, jeder nach seinen Kräften bereitwilligst mitgeholfen. Der Name von Stein,
Dohna, Hülsen, Eulenburg, Bardeleben u. s. w. findet sich neben denen von
Schinkel, Häbler und Elchendorf; die Zinnen über Meisters Reuter sind eine
Gabe des eisernen Aork. Und noch heute gehen neue Gaben ein; so im vorigen
Jahre tausend Thaler von einer Mennonitengemeinde zur Aufbauung eines
alten Wartthurms, Königsbergs Buchhändler ließen dieser Tage „Meisters
altes Handfaß" aus Stein wieder herstellen. — So erhob sich schnell die alte
Burg als ein wahrhaftes Nationalwerk. Und eben dadurch unterscheidet sich
dieser Bau von dem des Kölner Doms. Zu letzterem nahm man nur Geld
an und machte dadurch die Sache trivial und von der Mode abhängig, statt
daß man einzelne Theile des herrlichen Ganzen an bestimmte Personen und
Genossenschaften hätte ketten sollen. Burggraf von Schön hatte auf besondere
Anfrage vor Jahren ebenfalls den Vorschlag gemacht, den Kölner Dom in eben
der Weise, als aus dem Volke hervorgegangen, auszubauen; man hatte dies
auch anfangs thun wollen, verwarf aber doch später den wohlgemeinten Rath.

Leiteten solche Gedanken die wiederherstellende Hand, so durfte auch nicht
zu ängstlich darauf gerücksichtigt werden, mit Peinlichkeit alles grade so herzu¬
stellen, wie es vor Jahrhunderten mochte bestanden haben. Sollte die Burg
zum Mittelpunkte geschichtlichen Lebens in Preußen und zugleich zu einem Ver¬
einigungspunkte des lange Getrennten dienen, so mußten ihr auch deutliche
Beziehungen auf die Gegenwart nicht fehlen; sie mußte als ein Denkmal ruhen-


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[0179] Hüllmann übernahm das Amt des Treßler; von Schön stand dem Ganzen vor und verschaffte die Mittel. Die Art der Wiederherstellung ist eine eigenthümliche geworden; sie ging vom Volke ans und ist in jeder Hinsicht volksthümlich geblieben. Herr von Schön war der Ansicht, jedes Volk müsse, wie Altengland, sein hei¬ teres Westmünster haben, wo der König Patron und alle Edeln des Volkes zu Hause seien; nirgend aber könne sich hierzu ein Bau würdiger zeigen, als die Marienburg, da sich alle großen Erinnerungen des Preußenvolkes an sie knüpfen, gleichsam als geistiges Ahnenhaus der Preußen, als Nest des schwar¬ zen Adlers. Um aber jeden Preußen darin heimisch zu machen, sollte sich keiner mit bloßen Zahlen abfinden. Die gewöhnlichen Subscriptionen, nur j!zu oft ein eitles Spiel der Ostentation, wurden vorweg abgelehnt, der, dem es Ernst mit der Sache, jede Stadt, Corporation, Familie u. s. w. konnte die Herstellung eines bestimmten Theiles des großen Werkes, z. B. eines Pfeilers, Gewölbes, Fensters u. s. w. übernehmen und konnte ihre ehrenhafte Mitwirkung durch Inschriften oder Embleme an dem Bau selbst für die Nachwelt bekunden. Der König übernahm das Dauernde, Fundamentale, das Volk den weiteren Ausbau und Schmuck. Da hat denn die königliche Familie, der Adel, die Städte- und Landgemeinden, Schulen und Universitäten, Militär und Privat¬ leute, jeder nach seinen Kräften bereitwilligst mitgeholfen. Der Name von Stein, Dohna, Hülsen, Eulenburg, Bardeleben u. s. w. findet sich neben denen von Schinkel, Häbler und Elchendorf; die Zinnen über Meisters Reuter sind eine Gabe des eisernen Aork. Und noch heute gehen neue Gaben ein; so im vorigen Jahre tausend Thaler von einer Mennonitengemeinde zur Aufbauung eines alten Wartthurms, Königsbergs Buchhändler ließen dieser Tage „Meisters altes Handfaß" aus Stein wieder herstellen. — So erhob sich schnell die alte Burg als ein wahrhaftes Nationalwerk. Und eben dadurch unterscheidet sich dieser Bau von dem des Kölner Doms. Zu letzterem nahm man nur Geld an und machte dadurch die Sache trivial und von der Mode abhängig, statt daß man einzelne Theile des herrlichen Ganzen an bestimmte Personen und Genossenschaften hätte ketten sollen. Burggraf von Schön hatte auf besondere Anfrage vor Jahren ebenfalls den Vorschlag gemacht, den Kölner Dom in eben der Weise, als aus dem Volke hervorgegangen, auszubauen; man hatte dies auch anfangs thun wollen, verwarf aber doch später den wohlgemeinten Rath. Leiteten solche Gedanken die wiederherstellende Hand, so durfte auch nicht zu ängstlich darauf gerücksichtigt werden, mit Peinlichkeit alles grade so herzu¬ stellen, wie es vor Jahrhunderten mochte bestanden haben. Sollte die Burg zum Mittelpunkte geschichtlichen Lebens in Preußen und zugleich zu einem Ver¬ einigungspunkte des lange Getrennten dienen, so mußten ihr auch deutliche Beziehungen auf die Gegenwart nicht fehlen; sie mußte als ein Denkmal ruhen- 22*

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341580_99385/179>, abgerufen am 01.07.2024.