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Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, I. Semester. II. Band.

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Ein höchst orig in elles Kunstdenkmal besitzt die Marienburg ferner in der
sogenannten ,,goldnen Pforte". Diesen Namen führt nämlich der im hohen
Spitzbogen tief in die Mauer eingelegte, reich verzierte alte Eingang zur Schlo߬
kirche, wegen seiner ehemaligen reichen Vergoldung so benannt. An dem phan¬
tastisch verschlungenen Bild- und Blätterschmuck aus gebranntem Thon bei
dieser Pforte erkennt man deutlich, daß dieses Portal vom ursprünglich älte¬
sten Bau herrührt (unter Werner von Orseln -I3Al --30), da die späteren
Verzierungen an der Kirche aus Dietrich von Altenburgs Zeit und später
aus Stuck und Kalkstein gearbeitet worden. Das vielgegliederte Portal mit
dem Neliefschmuck seiner Capitale und den reichen Figuren und dem Laubwerk
von edelster Bildung an den concentrischen Leibungen des Spitzbogens, sowie
die reichgeschmückten Nischen in der Mauerdicke zu beiden Seiten gehören zu
dem Edelsten, was im Ziegelbau je geschaffen worden. Die Structur dieses
Portals hat keine Analogien; nur die ähnliche Pforte im verfallnen Ordens¬
schlosse bei Lochstädt (unfern Pillau) kommt ihr nahe.

Eigenthümlich ist die Marienburg auch des Baumaterials wegen, aus
dem sie aufgeführt worden. Der Mangel an Kalk- und Sandsteinen, aus
denen sonst Deutschlands schönste Werke aufgeführt sind, zwang in Preußen
zu dem Bau mit gebrannten und zum Theil verglasten und buntfarbigen
Ziegeln. Aus demselben Grunde mußte man aber auch im Aeußern jenen
reichen Schmuck von durchbrochenen Giebeln und Thürmchen entbehren, welcher
^onst altdeutscher Bauart eigen ist, und sich nur auf die einfache Verzierung von
Rauten und Zickzacken aus schwarzglasirten Ziegeln auf dem rothen Grunde
des Mauerwerks beschränken.

Und wer ist der Baumeister dieses Ordenshauses? Wir haben keine
Antwort daraus; den Namen des Erbauers hat keine Erinnerung auf¬
bewahrt. Technische Widersprüche und Willkürlichkeiten im Einzelnen haben
zu der Vermuthung geführt, daß er kein Ballmeister von Fach gewesen sei.
Historisch steht fest, daß die Burg allmülig erweitert und verschönert wurde.
Das zeigen die verschiedenen Baustile. Es werden daher von 1280---1360
der Baumeister mehre daran gearbeitet haben. Der Hochmeister zog von Venedig
aus in dies Ordenshaus. Man wird darum vielfach bei diesem Bau an den
Marcusplatz erinnert. Schinkel stellt auch die Rathhäuser von ^vom und
Brüssel damit zusammen; Böttcher uno andere haben an die Alhambra und
an die Bathalia in Portugal erinnert; alle kommen aber darin überein, daß
man die Schönheit der Verhältnisse, die Kühnheit der Gewölbe, die Originali¬
tät und Consequenz der Facaden am Hauptgebäude des Mittelschlosses anders¬
wo überall vergebens suche. Wie von der Hochburg Athens das Bild der
schützenden Göttin weithin gesehen wurde, so, aber freilich naiver, blickt die Um¬
gegend nach der Schutzheiligen des Ordens. "Siehst du Marienburg nicht?"


Ein höchst orig in elles Kunstdenkmal besitzt die Marienburg ferner in der
sogenannten ,,goldnen Pforte". Diesen Namen führt nämlich der im hohen
Spitzbogen tief in die Mauer eingelegte, reich verzierte alte Eingang zur Schlo߬
kirche, wegen seiner ehemaligen reichen Vergoldung so benannt. An dem phan¬
tastisch verschlungenen Bild- und Blätterschmuck aus gebranntem Thon bei
dieser Pforte erkennt man deutlich, daß dieses Portal vom ursprünglich älte¬
sten Bau herrührt (unter Werner von Orseln -I3Al —30), da die späteren
Verzierungen an der Kirche aus Dietrich von Altenburgs Zeit und später
aus Stuck und Kalkstein gearbeitet worden. Das vielgegliederte Portal mit
dem Neliefschmuck seiner Capitale und den reichen Figuren und dem Laubwerk
von edelster Bildung an den concentrischen Leibungen des Spitzbogens, sowie
die reichgeschmückten Nischen in der Mauerdicke zu beiden Seiten gehören zu
dem Edelsten, was im Ziegelbau je geschaffen worden. Die Structur dieses
Portals hat keine Analogien; nur die ähnliche Pforte im verfallnen Ordens¬
schlosse bei Lochstädt (unfern Pillau) kommt ihr nahe.

Eigenthümlich ist die Marienburg auch des Baumaterials wegen, aus
dem sie aufgeführt worden. Der Mangel an Kalk- und Sandsteinen, aus
denen sonst Deutschlands schönste Werke aufgeführt sind, zwang in Preußen
zu dem Bau mit gebrannten und zum Theil verglasten und buntfarbigen
Ziegeln. Aus demselben Grunde mußte man aber auch im Aeußern jenen
reichen Schmuck von durchbrochenen Giebeln und Thürmchen entbehren, welcher
^onst altdeutscher Bauart eigen ist, und sich nur auf die einfache Verzierung von
Rauten und Zickzacken aus schwarzglasirten Ziegeln auf dem rothen Grunde
des Mauerwerks beschränken.

Und wer ist der Baumeister dieses Ordenshauses? Wir haben keine
Antwort daraus; den Namen des Erbauers hat keine Erinnerung auf¬
bewahrt. Technische Widersprüche und Willkürlichkeiten im Einzelnen haben
zu der Vermuthung geführt, daß er kein Ballmeister von Fach gewesen sei.
Historisch steht fest, daß die Burg allmülig erweitert und verschönert wurde.
Das zeigen die verschiedenen Baustile. Es werden daher von 1280—-1360
der Baumeister mehre daran gearbeitet haben. Der Hochmeister zog von Venedig
aus in dies Ordenshaus. Man wird darum vielfach bei diesem Bau an den
Marcusplatz erinnert. Schinkel stellt auch die Rathhäuser von ^vom und
Brüssel damit zusammen; Böttcher uno andere haben an die Alhambra und
an die Bathalia in Portugal erinnert; alle kommen aber darin überein, daß
man die Schönheit der Verhältnisse, die Kühnheit der Gewölbe, die Originali¬
tät und Consequenz der Facaden am Hauptgebäude des Mittelschlosses anders¬
wo überall vergebens suche. Wie von der Hochburg Athens das Bild der
schützenden Göttin weithin gesehen wurde, so, aber freilich naiver, blickt die Um¬
gegend nach der Schutzheiligen des Ordens. „Siehst du Marienburg nicht?"


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[0176] Ein höchst orig in elles Kunstdenkmal besitzt die Marienburg ferner in der sogenannten ,,goldnen Pforte". Diesen Namen führt nämlich der im hohen Spitzbogen tief in die Mauer eingelegte, reich verzierte alte Eingang zur Schlo߬ kirche, wegen seiner ehemaligen reichen Vergoldung so benannt. An dem phan¬ tastisch verschlungenen Bild- und Blätterschmuck aus gebranntem Thon bei dieser Pforte erkennt man deutlich, daß dieses Portal vom ursprünglich älte¬ sten Bau herrührt (unter Werner von Orseln -I3Al —30), da die späteren Verzierungen an der Kirche aus Dietrich von Altenburgs Zeit und später aus Stuck und Kalkstein gearbeitet worden. Das vielgegliederte Portal mit dem Neliefschmuck seiner Capitale und den reichen Figuren und dem Laubwerk von edelster Bildung an den concentrischen Leibungen des Spitzbogens, sowie die reichgeschmückten Nischen in der Mauerdicke zu beiden Seiten gehören zu dem Edelsten, was im Ziegelbau je geschaffen worden. Die Structur dieses Portals hat keine Analogien; nur die ähnliche Pforte im verfallnen Ordens¬ schlosse bei Lochstädt (unfern Pillau) kommt ihr nahe. Eigenthümlich ist die Marienburg auch des Baumaterials wegen, aus dem sie aufgeführt worden. Der Mangel an Kalk- und Sandsteinen, aus denen sonst Deutschlands schönste Werke aufgeführt sind, zwang in Preußen zu dem Bau mit gebrannten und zum Theil verglasten und buntfarbigen Ziegeln. Aus demselben Grunde mußte man aber auch im Aeußern jenen reichen Schmuck von durchbrochenen Giebeln und Thürmchen entbehren, welcher ^onst altdeutscher Bauart eigen ist, und sich nur auf die einfache Verzierung von Rauten und Zickzacken aus schwarzglasirten Ziegeln auf dem rothen Grunde des Mauerwerks beschränken. Und wer ist der Baumeister dieses Ordenshauses? Wir haben keine Antwort daraus; den Namen des Erbauers hat keine Erinnerung auf¬ bewahrt. Technische Widersprüche und Willkürlichkeiten im Einzelnen haben zu der Vermuthung geführt, daß er kein Ballmeister von Fach gewesen sei. Historisch steht fest, daß die Burg allmülig erweitert und verschönert wurde. Das zeigen die verschiedenen Baustile. Es werden daher von 1280—-1360 der Baumeister mehre daran gearbeitet haben. Der Hochmeister zog von Venedig aus in dies Ordenshaus. Man wird darum vielfach bei diesem Bau an den Marcusplatz erinnert. Schinkel stellt auch die Rathhäuser von ^vom und Brüssel damit zusammen; Böttcher uno andere haben an die Alhambra und an die Bathalia in Portugal erinnert; alle kommen aber darin überein, daß man die Schönheit der Verhältnisse, die Kühnheit der Gewölbe, die Originali¬ tät und Consequenz der Facaden am Hauptgebäude des Mittelschlosses anders¬ wo überall vergebens suche. Wie von der Hochburg Athens das Bild der schützenden Göttin weithin gesehen wurde, so, aber freilich naiver, blickt die Um¬ gegend nach der Schutzheiligen des Ordens. „Siehst du Marienburg nicht?"

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341580_99385/176>, abgerufen am 03.07.2024.