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Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, I. Semester. II. Band.

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welchen jede populäre Arbeit unsrer Antiquare grade setzt beanspruchen darf,
wo die große Strömung der allgemeinen Theilnahme sich andern Disciplinen
zugewandt hat, so möge auch erlaubt sein, von demselben Standpunkt dem
Verfasser ein bescheidenes Bedenken auszusprechen. Wir unterscheiden nicht
ohne Grund in unsrer deutschen Wissenschaft zwei Richtungen gelehrter Thätig¬
keit, deren Vertreter sich in der Gelehrtenrepublik ungefähr so zueinander per¬
halten, wie der Producent und Kaufmann im praktischen Leben; die Arbeit
solcher, welche mit aller Kraft eines energischen Geistes und einer profunden
Gelehrsamkeit sich concentriren auf genaue Forschung im Einzelnen und die
Arbeit derer, welche mit umfangreichen Wissen, vielseitiger Bildung und mit
taktvoller Gewandtheit die neugefundenen geistigen Werthe populär machen.
Keine von beiden Classen wird das Recht haben, sich selbst mit abschließendem
Stolz höher zu stellen, als die andere, denn es ist ein Unglück für jede von
beiden, wenn die Thätigkeit der andern ihr fehlt. Nur zu lange hat unsre
Altertumswissenschaft die popularisirende Thätigkeit bedeutender Männer ent¬
behrt und unsre Kunstbildung wieder ebensosehr das detaillirte gründliche
Forschen. Aber doch werden wir bei den wenigen Gelehrten, welche eine aus¬
gezeichnete Begabung zeigen, nach beiden Richtungen wirksam zu sein, wie
bei Burckhard der Fall zu sein scheint, den lebhaften Wunsch nicht unter¬
drücken, daß sie nicht die Solidität ihrer Arbeiten und die Fähigkeit, sich mit
stiller Sammlung selbstständigen Detailuntersuchungen hinzugeben, verlieren
mögen. Das Werk Burckhards über Konstantin machte allerdings nur den
Anspruch, eine Studie zu sein, es zeigt aber wol die Fähigkeit des Verfassers,
etwas Neues und Bedeutendes aus vollem Guß zu schaffen. Seit der Zeit
hat die Bearbeitung der Kunstgeschichte sowol, als das vorliegende Buch, so
tüchtig und respectabel beide sind, ihn in ungewöhnlicher Weise in die Breite
getrieben, so sehr, daß die Sorge verzeihlich ist, ob es ihm auch gelingen
wird, die Sammlung, die Ausdauer und vor allem die Freude an der streng
wissenschaftlichen Einzelforschung zu bewahren. Ohne dies periodenweise Zu¬
sammenfassen der vollen Kraft auf ein bestimmtes, sür den Einzelnen zu be¬
wältigendes Gebiet ist aber auch dem umfangreichsten Wissen und dem kräftig¬
sten Geist auf die Dauer kein segensreiches Popularisiren der durch Lectüre
und Anschauung gewonnenen Werthe möglich.

Dies Blatt erhebt durchaus nicht den Anspruch, einem deutschen Gelehr¬
ten von gesunder Kraft seine Wege abzustecken, aber wenn hier dem Verfasser
der Dank ausgesprochen wird für das respectable Buch, das er zuletzt geschrieben,
so soll an ihn, der sich einen Schüler KuglerS nennt, auch die Bitte gerichtet
werden, er möge nicht vergessen, daß er selbst sowol berufen, als auch verpflich¬
tet ist, sein Meisterstück in anderen, immerhin tieferen Schachten auszuhauen'




welchen jede populäre Arbeit unsrer Antiquare grade setzt beanspruchen darf,
wo die große Strömung der allgemeinen Theilnahme sich andern Disciplinen
zugewandt hat, so möge auch erlaubt sein, von demselben Standpunkt dem
Verfasser ein bescheidenes Bedenken auszusprechen. Wir unterscheiden nicht
ohne Grund in unsrer deutschen Wissenschaft zwei Richtungen gelehrter Thätig¬
keit, deren Vertreter sich in der Gelehrtenrepublik ungefähr so zueinander per¬
halten, wie der Producent und Kaufmann im praktischen Leben; die Arbeit
solcher, welche mit aller Kraft eines energischen Geistes und einer profunden
Gelehrsamkeit sich concentriren auf genaue Forschung im Einzelnen und die
Arbeit derer, welche mit umfangreichen Wissen, vielseitiger Bildung und mit
taktvoller Gewandtheit die neugefundenen geistigen Werthe populär machen.
Keine von beiden Classen wird das Recht haben, sich selbst mit abschließendem
Stolz höher zu stellen, als die andere, denn es ist ein Unglück für jede von
beiden, wenn die Thätigkeit der andern ihr fehlt. Nur zu lange hat unsre
Altertumswissenschaft die popularisirende Thätigkeit bedeutender Männer ent¬
behrt und unsre Kunstbildung wieder ebensosehr das detaillirte gründliche
Forschen. Aber doch werden wir bei den wenigen Gelehrten, welche eine aus¬
gezeichnete Begabung zeigen, nach beiden Richtungen wirksam zu sein, wie
bei Burckhard der Fall zu sein scheint, den lebhaften Wunsch nicht unter¬
drücken, daß sie nicht die Solidität ihrer Arbeiten und die Fähigkeit, sich mit
stiller Sammlung selbstständigen Detailuntersuchungen hinzugeben, verlieren
mögen. Das Werk Burckhards über Konstantin machte allerdings nur den
Anspruch, eine Studie zu sein, es zeigt aber wol die Fähigkeit des Verfassers,
etwas Neues und Bedeutendes aus vollem Guß zu schaffen. Seit der Zeit
hat die Bearbeitung der Kunstgeschichte sowol, als das vorliegende Buch, so
tüchtig und respectabel beide sind, ihn in ungewöhnlicher Weise in die Breite
getrieben, so sehr, daß die Sorge verzeihlich ist, ob es ihm auch gelingen
wird, die Sammlung, die Ausdauer und vor allem die Freude an der streng
wissenschaftlichen Einzelforschung zu bewahren. Ohne dies periodenweise Zu¬
sammenfassen der vollen Kraft auf ein bestimmtes, sür den Einzelnen zu be¬
wältigendes Gebiet ist aber auch dem umfangreichsten Wissen und dem kräftig¬
sten Geist auf die Dauer kein segensreiches Popularisiren der durch Lectüre
und Anschauung gewonnenen Werthe möglich.

Dies Blatt erhebt durchaus nicht den Anspruch, einem deutschen Gelehr¬
ten von gesunder Kraft seine Wege abzustecken, aber wenn hier dem Verfasser
der Dank ausgesprochen wird für das respectable Buch, das er zuletzt geschrieben,
so soll an ihn, der sich einen Schüler KuglerS nennt, auch die Bitte gerichtet
werden, er möge nicht vergessen, daß er selbst sowol berufen, als auch verpflich¬
tet ist, sein Meisterstück in anderen, immerhin tieferen Schachten auszuhauen'




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Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341580_99385/150>, abgerufen am 24.08.2024.