Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, I. Semester. II. Band.zu sehen, würde entzückt sein, könnt ich ein Stündchen mit dir verplaudern, aber Eine andre Ursache zu Zerwürfnissen liegt in der- Einwanderung von Sodann glimmt in dem System der Besteuerung durch den Zehnten eine zu sehen, würde entzückt sein, könnt ich ein Stündchen mit dir verplaudern, aber Eine andre Ursache zu Zerwürfnissen liegt in der- Einwanderung von Sodann glimmt in dem System der Besteuerung durch den Zehnten eine <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0143" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/99529"/> <p xml:id="ID_495" prev="#ID_494"> zu sehen, würde entzückt sein, könnt ich ein Stündchen mit dir verplaudern, aber<lb/> beiläufig — hast du wol schon meine letzte Braut Ur. 10 gesehen? — ein<lb/> — allerliebstes Kind!" — denke man sich diese Frage einer jungen Dame von Er¬<lb/> ziehung vorgelegt, so müßte es in der That nicht mit rechten Dingen zugehen,<lb/> wenn die Antwort nicht lautete: „Nein, lieber will ich den Fluch des Herrn<lb/> auf mich nehmen!" Schon jetzt sind die Fälle nicht selten, daß Mormoninnen,<lb/> die, von hochstrebenden oder bigotten Müttern genöthigt, auf solche Versiege¬<lb/> lungen eingegangen waren, dem Pascha, dem sie angehörten, entflohen und<lb/> sich mit den Mischungen der Grenze oder Indianern verheiratheten, indem sie<lb/> ein Leben in den Zelten der Wüste der Langeweile und der Unwürdigkeit<lb/> daheim vorzogen. Wenn das aber am grünen Holze geschieht, was soll am<lb/> dürren geschehen?</p><lb/> <p xml:id="ID_496"> Eine andre Ursache zu Zerwürfnissen liegt in der- Einwanderung von<lb/> Elementen, welche nicht aus Fanatismus, sondern um ihre Verhältnisse zu<lb/> verbessern kommen. Schon gegenwärtig klagt man, daß viele Selbstsucht unter<lb/> dem Volke herrsche, während die Ausführung des Plans, den man sich vor¬<lb/> genommen, die emschiedeuste Verleugnung des eignen Interesses fordert. Ganze<lb/> Familien wandern aus England nach Deseret, weil ein Sohn oder ein Vater<lb/> von den Emissären der Latterdav-Saints bekehrt worden ist. Viele von diesen<lb/> gehörten in der Heimat den Chartisten, diesen rothen Republikanern der briti¬<lb/> schen Manusaclurdistrikte an. Diese müssen sich ganz gegen ihre Meinung<lb/> von dem, was recht ist, gebahren; sie müssen sich den Gesetzen, die dort herr¬<lb/> schen, anbequemen, müssen sich den Ceremonien, welche vorgeschrieben sind,<lb/> unterziehen, allein es fehlt der Glaube, und diese „Mormonischen" werden die<lb/> erste Gelegenheit ergreisen, das mit Widerwillen getragene Joch abzuschütteln.</p><lb/> <p xml:id="ID_497" next="#ID_498"> Sodann glimmt in dem System der Besteuerung durch den Zehnten eine<lb/> Mine, die über kurz oder lang erplodiren muß. Durch dieses System werden unge¬<lb/> heure Summen aufgehäuft und der Präsidentschaft zur Verfügung gestellt, ohne<lb/> daß diese über ihre Verwendung Rechenschaft zu geben gehalten wäre. Es kann nicht<lb/> lange dauern, so werden Stimmen laut und lauter sich erheben, welche es uner¬<lb/> träglich finden, daß die Hirten der Herde die Wolle derselben nach ihrem Belieben<lb/> Verwerthen, als ob sie in Wirklichkeit eine bloße Herde wäre. Man wird die<lb/> Klügern und Kühnen mit dem Gedanken, daß im Grunde alles auf eine religiöse<lb/> Speculation hinauslause, nicht mehr hinterm Berge halten sehen. Der Arbeiter,<lb/> der auf dem staubigen Ackerfelde sich mit Pflug und Hacke quält, wird die Frage<lb/> aufwerfen, ob die Lasten nicht allzu ungleich vertheilt seien, wenn dort in<lb/> Prächtiger Karosse, Musik vorauf, ein glänzendes Gefolge hinterher, der Prä¬<lb/> sident mit seinen zwei Dutzend Weibern über das Gefilde fliegt, während HKr<lb/> der Arien im Schweiße seines Antlitzes den Hafer für die sechs Pferde,, den</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0143]
zu sehen, würde entzückt sein, könnt ich ein Stündchen mit dir verplaudern, aber
beiläufig — hast du wol schon meine letzte Braut Ur. 10 gesehen? — ein
— allerliebstes Kind!" — denke man sich diese Frage einer jungen Dame von Er¬
ziehung vorgelegt, so müßte es in der That nicht mit rechten Dingen zugehen,
wenn die Antwort nicht lautete: „Nein, lieber will ich den Fluch des Herrn
auf mich nehmen!" Schon jetzt sind die Fälle nicht selten, daß Mormoninnen,
die, von hochstrebenden oder bigotten Müttern genöthigt, auf solche Versiege¬
lungen eingegangen waren, dem Pascha, dem sie angehörten, entflohen und
sich mit den Mischungen der Grenze oder Indianern verheiratheten, indem sie
ein Leben in den Zelten der Wüste der Langeweile und der Unwürdigkeit
daheim vorzogen. Wenn das aber am grünen Holze geschieht, was soll am
dürren geschehen?
Eine andre Ursache zu Zerwürfnissen liegt in der- Einwanderung von
Elementen, welche nicht aus Fanatismus, sondern um ihre Verhältnisse zu
verbessern kommen. Schon gegenwärtig klagt man, daß viele Selbstsucht unter
dem Volke herrsche, während die Ausführung des Plans, den man sich vor¬
genommen, die emschiedeuste Verleugnung des eignen Interesses fordert. Ganze
Familien wandern aus England nach Deseret, weil ein Sohn oder ein Vater
von den Emissären der Latterdav-Saints bekehrt worden ist. Viele von diesen
gehörten in der Heimat den Chartisten, diesen rothen Republikanern der briti¬
schen Manusaclurdistrikte an. Diese müssen sich ganz gegen ihre Meinung
von dem, was recht ist, gebahren; sie müssen sich den Gesetzen, die dort herr¬
schen, anbequemen, müssen sich den Ceremonien, welche vorgeschrieben sind,
unterziehen, allein es fehlt der Glaube, und diese „Mormonischen" werden die
erste Gelegenheit ergreisen, das mit Widerwillen getragene Joch abzuschütteln.
Sodann glimmt in dem System der Besteuerung durch den Zehnten eine
Mine, die über kurz oder lang erplodiren muß. Durch dieses System werden unge¬
heure Summen aufgehäuft und der Präsidentschaft zur Verfügung gestellt, ohne
daß diese über ihre Verwendung Rechenschaft zu geben gehalten wäre. Es kann nicht
lange dauern, so werden Stimmen laut und lauter sich erheben, welche es uner¬
träglich finden, daß die Hirten der Herde die Wolle derselben nach ihrem Belieben
Verwerthen, als ob sie in Wirklichkeit eine bloße Herde wäre. Man wird die
Klügern und Kühnen mit dem Gedanken, daß im Grunde alles auf eine religiöse
Speculation hinauslause, nicht mehr hinterm Berge halten sehen. Der Arbeiter,
der auf dem staubigen Ackerfelde sich mit Pflug und Hacke quält, wird die Frage
aufwerfen, ob die Lasten nicht allzu ungleich vertheilt seien, wenn dort in
Prächtiger Karosse, Musik vorauf, ein glänzendes Gefolge hinterher, der Prä¬
sident mit seinen zwei Dutzend Weibern über das Gefilde fliegt, während HKr
der Arien im Schweiße seines Antlitzes den Hafer für die sechs Pferde,, den
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