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Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, I. Semester. II. Band.

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Preise von 10 Silbergroschen Bücher in zierlichem rothen Umschlag angeboten, die
man leicht in der Hand halten kann und die eine ebenso unterhaltende als belehrende
Lectüre gewähren. Die Lorcksche Buchhandlung, von der dieses Unternehmen aus¬
gegangen ist, verdient schon insofern großes Lob, als sie nicht auf die gemeinen Triebe
der Menschen speculirt, sondern ans ihre bessere Natur. Am natürlichsten würde
man auf Eugen Sue, Dumas und ähnliches verfallen; hier werden uns dagegen
nützliche Bücher geboten, die freilich ihrer Bestimmung nach nicht eine ernste, wissen¬
schaftliche Bedeutung haben können, die aber doch weit über die gewöhnliche Unter¬
haltungsliteratur hinausgehen. Am nächsten liegen Reisebeschreibungen ans
unsrer Zeit, die zugleich auf das herrschende politische Interesse Bezug haben und
so finden wir denn in dieser Bibliothek den Bericht des Lieutenant Royer von
seiner Gefangenschaft in Nußland, einen Besuch im türkischen Lager von Hans
Wachenhuscn, Streifzüge durch Bulgarien und Rumelien von demselben, Skizzen
und Bilder von einem Sommer in Schleswig und Wanderungen eines Amerikaners
in Island. Daran knüpft sich die Beschreibung der Mormonen an von Moritz
Busch, der bei seiner Reise nach Amerika diesem Gegenstand ein so eindringliches
Studium gewidmet hat, ferner die Biographie Franklins von Mignet. Nur ein
Roman ist in dieser Bibliothek enthalten, Kadic Steward, eine einfache Geschichte
aus dem Englischen von Seybt und diese reizende, unbefangene. lebensfrisch kleine
Novelle verdient wol die Aufmerksamkeit des deutschen Publicums. Neuerdings ist
"och eine Biographie des Kaiser Nikolaus vom Grafen von Beaumont-Vassy dazu¬
gekommen; und so können wir dem gesammten Unternehmen nur ein fröhliches Ge¬
deihen wünschen.


Zwei russische Kriegslieder.

Aus dem in Warschau erscheinenden "Kurjcr"
wortgetreu übersetzt.

Hurrah, wir greifen drei zugleich an. -- Nicht umsonst verwundet das Bajonett
aus drei Seiten; Hurrah tönt es drohend vom Kaukasus her, dieser Ruf erschreckt
ganz Europa.'-- Zwanzig Nationen fielen über uus her, doch Rußland vernichtete
die ungebetenen Gäste, ihr Blut überschwemmte die Spuren ihres Zuges und weiß
war die Erde von ihren Gebeinen.

Männlich vertheidigten damals die russischen Scharen die Ehre, den Thron
und das Vaterland; an unsrer Brust, reich an Narben, zerschellte damals der
Koloß, vor dem die ganze Welt zitterte.-- Heute erwarten uns andre Mühen. --
Im Traume hat niemand daran gedacht; zwei erleuchtete christliche Völker wüthen
für den Turban frech gegen uus.

Doch das Jahr zwölf verlöscht nicht in der Erinnerung und dem Westen ist
es nur zu wohl bekannt, wie dicht die Borodiner Triften mit den Waffen von
Zwanzig Nationen bedeckt waren. -- Er sah, wie für den Uebcrfcill und die Ver¬
wüstungen tausende unsrer Heere mit dem Kaiser kamen und wie wir mit'der
weißen Fahne der Verzeihung das zitternde Paris beschirmten.

Und es sah gleichfalls, wie der wilde Kalmuck das Pferd der Wüste in dem
Strome der Seine tränkte, wie bei den Schildwachen eurer Tempel die russischen
Bajonette und Lanzen blitzten. -- Doch, nachdem der Russe das Feld mit, Kartät-


Preise von 10 Silbergroschen Bücher in zierlichem rothen Umschlag angeboten, die
man leicht in der Hand halten kann und die eine ebenso unterhaltende als belehrende
Lectüre gewähren. Die Lorcksche Buchhandlung, von der dieses Unternehmen aus¬
gegangen ist, verdient schon insofern großes Lob, als sie nicht auf die gemeinen Triebe
der Menschen speculirt, sondern ans ihre bessere Natur. Am natürlichsten würde
man auf Eugen Sue, Dumas und ähnliches verfallen; hier werden uns dagegen
nützliche Bücher geboten, die freilich ihrer Bestimmung nach nicht eine ernste, wissen¬
schaftliche Bedeutung haben können, die aber doch weit über die gewöhnliche Unter¬
haltungsliteratur hinausgehen. Am nächsten liegen Reisebeschreibungen ans
unsrer Zeit, die zugleich auf das herrschende politische Interesse Bezug haben und
so finden wir denn in dieser Bibliothek den Bericht des Lieutenant Royer von
seiner Gefangenschaft in Nußland, einen Besuch im türkischen Lager von Hans
Wachenhuscn, Streifzüge durch Bulgarien und Rumelien von demselben, Skizzen
und Bilder von einem Sommer in Schleswig und Wanderungen eines Amerikaners
in Island. Daran knüpft sich die Beschreibung der Mormonen an von Moritz
Busch, der bei seiner Reise nach Amerika diesem Gegenstand ein so eindringliches
Studium gewidmet hat, ferner die Biographie Franklins von Mignet. Nur ein
Roman ist in dieser Bibliothek enthalten, Kadic Steward, eine einfache Geschichte
aus dem Englischen von Seybt und diese reizende, unbefangene. lebensfrisch kleine
Novelle verdient wol die Aufmerksamkeit des deutschen Publicums. Neuerdings ist
«och eine Biographie des Kaiser Nikolaus vom Grafen von Beaumont-Vassy dazu¬
gekommen; und so können wir dem gesammten Unternehmen nur ein fröhliches Ge¬
deihen wünschen.


Zwei russische Kriegslieder.

Aus dem in Warschau erscheinenden „Kurjcr"
wortgetreu übersetzt.

Hurrah, wir greifen drei zugleich an. — Nicht umsonst verwundet das Bajonett
aus drei Seiten; Hurrah tönt es drohend vom Kaukasus her, dieser Ruf erschreckt
ganz Europa.'— Zwanzig Nationen fielen über uus her, doch Rußland vernichtete
die ungebetenen Gäste, ihr Blut überschwemmte die Spuren ihres Zuges und weiß
war die Erde von ihren Gebeinen.

Männlich vertheidigten damals die russischen Scharen die Ehre, den Thron
und das Vaterland; an unsrer Brust, reich an Narben, zerschellte damals der
Koloß, vor dem die ganze Welt zitterte.— Heute erwarten uns andre Mühen. —
Im Traume hat niemand daran gedacht; zwei erleuchtete christliche Völker wüthen
für den Turban frech gegen uus.

Doch das Jahr zwölf verlöscht nicht in der Erinnerung und dem Westen ist
es nur zu wohl bekannt, wie dicht die Borodiner Triften mit den Waffen von
Zwanzig Nationen bedeckt waren. — Er sah, wie für den Uebcrfcill und die Ver¬
wüstungen tausende unsrer Heere mit dem Kaiser kamen und wie wir mit'der
weißen Fahne der Verzeihung das zitternde Paris beschirmten.

Und es sah gleichfalls, wie der wilde Kalmuck das Pferd der Wüste in dem
Strome der Seine tränkte, wie bei den Schildwachen eurer Tempel die russischen
Bajonette und Lanzen blitzten. — Doch, nachdem der Russe das Feld mit, Kartät-


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[0127] Preise von 10 Silbergroschen Bücher in zierlichem rothen Umschlag angeboten, die man leicht in der Hand halten kann und die eine ebenso unterhaltende als belehrende Lectüre gewähren. Die Lorcksche Buchhandlung, von der dieses Unternehmen aus¬ gegangen ist, verdient schon insofern großes Lob, als sie nicht auf die gemeinen Triebe der Menschen speculirt, sondern ans ihre bessere Natur. Am natürlichsten würde man auf Eugen Sue, Dumas und ähnliches verfallen; hier werden uns dagegen nützliche Bücher geboten, die freilich ihrer Bestimmung nach nicht eine ernste, wissen¬ schaftliche Bedeutung haben können, die aber doch weit über die gewöhnliche Unter¬ haltungsliteratur hinausgehen. Am nächsten liegen Reisebeschreibungen ans unsrer Zeit, die zugleich auf das herrschende politische Interesse Bezug haben und so finden wir denn in dieser Bibliothek den Bericht des Lieutenant Royer von seiner Gefangenschaft in Nußland, einen Besuch im türkischen Lager von Hans Wachenhuscn, Streifzüge durch Bulgarien und Rumelien von demselben, Skizzen und Bilder von einem Sommer in Schleswig und Wanderungen eines Amerikaners in Island. Daran knüpft sich die Beschreibung der Mormonen an von Moritz Busch, der bei seiner Reise nach Amerika diesem Gegenstand ein so eindringliches Studium gewidmet hat, ferner die Biographie Franklins von Mignet. Nur ein Roman ist in dieser Bibliothek enthalten, Kadic Steward, eine einfache Geschichte aus dem Englischen von Seybt und diese reizende, unbefangene. lebensfrisch kleine Novelle verdient wol die Aufmerksamkeit des deutschen Publicums. Neuerdings ist «och eine Biographie des Kaiser Nikolaus vom Grafen von Beaumont-Vassy dazu¬ gekommen; und so können wir dem gesammten Unternehmen nur ein fröhliches Ge¬ deihen wünschen. Zwei russische Kriegslieder. Aus dem in Warschau erscheinenden „Kurjcr" wortgetreu übersetzt. Hurrah, wir greifen drei zugleich an. — Nicht umsonst verwundet das Bajonett aus drei Seiten; Hurrah tönt es drohend vom Kaukasus her, dieser Ruf erschreckt ganz Europa.'— Zwanzig Nationen fielen über uus her, doch Rußland vernichtete die ungebetenen Gäste, ihr Blut überschwemmte die Spuren ihres Zuges und weiß war die Erde von ihren Gebeinen. Männlich vertheidigten damals die russischen Scharen die Ehre, den Thron und das Vaterland; an unsrer Brust, reich an Narben, zerschellte damals der Koloß, vor dem die ganze Welt zitterte.— Heute erwarten uns andre Mühen. — Im Traume hat niemand daran gedacht; zwei erleuchtete christliche Völker wüthen für den Turban frech gegen uus. Doch das Jahr zwölf verlöscht nicht in der Erinnerung und dem Westen ist es nur zu wohl bekannt, wie dicht die Borodiner Triften mit den Waffen von Zwanzig Nationen bedeckt waren. — Er sah, wie für den Uebcrfcill und die Ver¬ wüstungen tausende unsrer Heere mit dem Kaiser kamen und wie wir mit'der weißen Fahne der Verzeihung das zitternde Paris beschirmten. Und es sah gleichfalls, wie der wilde Kalmuck das Pferd der Wüste in dem Strome der Seine tränkte, wie bei den Schildwachen eurer Tempel die russischen Bajonette und Lanzen blitzten. — Doch, nachdem der Russe das Feld mit, Kartät-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341580_99385/127>, abgerufen am 23.07.2024.