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Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, I. Semester. I. Band.

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Gegenwärtig scheinen also beide Zuckerarten miteinander concurriren zu
können und es kommt mithin die Beantwortung der Concurrenzfrage für die Zu¬
kunft lediglich auf die Frage nach der Möglichkeit' einer wohlfeilen Production
zurück.

Die ohne Zweifel bald bevorstehende Emancipation der Sklaven in Nord¬
amerika wird dem dortigen Zuckerbau einen ebenso schweren Schlag versetzen,
wie überall. So waren vor der-Sklavenemancipation auf Guadeloupe 21000
Arbeiter beschäftigt, Ende 1849 nur noch 1i,000; europäische Arbeiter sind
nicht hinreichend da, auch zu dieser Arbeit nicht fähig und die freien Schwarzen
wollen bei der leichten Befriedigung ihrer Bedürfnisse nicht arbeiten, wie Haiti
bewiesen, welches jetzt keinen Zucker mehr ausführt, was auch in Mexico der
Fall ist und auch in Jamaica, Cuba und in Brasilien der Fall sein würde,
wenn die Neger kleine Grundstücke erwerben könnten.

Die Ueberführung eines Trupps Malaien nach, der Insel Mauritius ist
bis jetzt noch als mißglücktes Unternehmen zu betrachten, vor allem wegen
der ungenügenden Anzahl Frauen.

Besser ist es mit der Emigration von Chinesen nach Englisch Guiana
und Mauritius gegangen, da dieselben sehr gewinnsüchtig sind, dazu nur Wasser
trinken, mit ein wenig Nei'S und Salz vorliebnehmen, ja sogar ihre Wäsche
selbst besorgen, was freilich leicht ist, da sie dieselbe nur 2--3 Mal im Jahr
wechseln, endlich sich an das tropische Klima sehr leicht gewöhnen. In ihrem
Mutterlande aber ist die Production von Auswandrern unbegrenzt.

In niederländisch Ostindien ist das Tagelohn so niedrig, daß es jedenfalls
in kurzem erhöht werden muß. Interessant ist über den niedrigen Stand des¬
selben das Avis des Generallieutenants v. d. Bosch im Jahre 1829, nach
welchem berechnet wird, daß ein javanischer Arbeiter jährlich 12 si. für Reis,
13 si. an Fische, Salz und Betel und K si. an Kleidern nöthig hat und dar¬
nach also ein Lohn von 10 Cents täglich zu gering ist, es müsse bei einem
auf freiwillige Arbeit gegründeten System das Lohn den Kosten für den Unter¬
halt einer Familie entsprechen, also nicht weniger als 3 Stüber täglich, oder
91 si. per Jahr betragen. Wieviel höher wird es aber noch steigen, wenn
der Javane mehr Bedürfnisse kennen lernt! -- und wird er dann durch bessere
Arbeit das höhere Lohn vergüten?

Unwidersprechlich dagegen ist der Vorzug der Colonien gegen die Runkel¬
rübenländer in Bezug auf die in Zukunft noch mögliche Erhöhung des Ertrages
der Ländereien, da dort der Ackerbau noch in der Kindheit, in den Runkel-
rübenländern fast durchgängig im reisen Mannesalter steht.

Dasselbe findet statt in Bezug auf die Maschinen.

Sodann wird die Verfuhr des Rohrzuckers noch bedeutend verbessert werden
können, da dieselbe gegenwärtig so mangelhaft ist, daß z. B. von den 120 M.


Gegenwärtig scheinen also beide Zuckerarten miteinander concurriren zu
können und es kommt mithin die Beantwortung der Concurrenzfrage für die Zu¬
kunft lediglich auf die Frage nach der Möglichkeit' einer wohlfeilen Production
zurück.

Die ohne Zweifel bald bevorstehende Emancipation der Sklaven in Nord¬
amerika wird dem dortigen Zuckerbau einen ebenso schweren Schlag versetzen,
wie überall. So waren vor der-Sklavenemancipation auf Guadeloupe 21000
Arbeiter beschäftigt, Ende 1849 nur noch 1i,000; europäische Arbeiter sind
nicht hinreichend da, auch zu dieser Arbeit nicht fähig und die freien Schwarzen
wollen bei der leichten Befriedigung ihrer Bedürfnisse nicht arbeiten, wie Haiti
bewiesen, welches jetzt keinen Zucker mehr ausführt, was auch in Mexico der
Fall ist und auch in Jamaica, Cuba und in Brasilien der Fall sein würde,
wenn die Neger kleine Grundstücke erwerben könnten.

Die Ueberführung eines Trupps Malaien nach, der Insel Mauritius ist
bis jetzt noch als mißglücktes Unternehmen zu betrachten, vor allem wegen
der ungenügenden Anzahl Frauen.

Besser ist es mit der Emigration von Chinesen nach Englisch Guiana
und Mauritius gegangen, da dieselben sehr gewinnsüchtig sind, dazu nur Wasser
trinken, mit ein wenig Nei'S und Salz vorliebnehmen, ja sogar ihre Wäsche
selbst besorgen, was freilich leicht ist, da sie dieselbe nur 2—3 Mal im Jahr
wechseln, endlich sich an das tropische Klima sehr leicht gewöhnen. In ihrem
Mutterlande aber ist die Production von Auswandrern unbegrenzt.

In niederländisch Ostindien ist das Tagelohn so niedrig, daß es jedenfalls
in kurzem erhöht werden muß. Interessant ist über den niedrigen Stand des¬
selben das Avis des Generallieutenants v. d. Bosch im Jahre 1829, nach
welchem berechnet wird, daß ein javanischer Arbeiter jährlich 12 si. für Reis,
13 si. an Fische, Salz und Betel und K si. an Kleidern nöthig hat und dar¬
nach also ein Lohn von 10 Cents täglich zu gering ist, es müsse bei einem
auf freiwillige Arbeit gegründeten System das Lohn den Kosten für den Unter¬
halt einer Familie entsprechen, also nicht weniger als 3 Stüber täglich, oder
91 si. per Jahr betragen. Wieviel höher wird es aber noch steigen, wenn
der Javane mehr Bedürfnisse kennen lernt! — und wird er dann durch bessere
Arbeit das höhere Lohn vergüten?

Unwidersprechlich dagegen ist der Vorzug der Colonien gegen die Runkel¬
rübenländer in Bezug auf die in Zukunft noch mögliche Erhöhung des Ertrages
der Ländereien, da dort der Ackerbau noch in der Kindheit, in den Runkel-
rübenländern fast durchgängig im reisen Mannesalter steht.

Dasselbe findet statt in Bezug auf die Maschinen.

Sodann wird die Verfuhr des Rohrzuckers noch bedeutend verbessert werden
können, da dieselbe gegenwärtig so mangelhaft ist, daß z. B. von den 120 M.


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[0509] Gegenwärtig scheinen also beide Zuckerarten miteinander concurriren zu können und es kommt mithin die Beantwortung der Concurrenzfrage für die Zu¬ kunft lediglich auf die Frage nach der Möglichkeit' einer wohlfeilen Production zurück. Die ohne Zweifel bald bevorstehende Emancipation der Sklaven in Nord¬ amerika wird dem dortigen Zuckerbau einen ebenso schweren Schlag versetzen, wie überall. So waren vor der-Sklavenemancipation auf Guadeloupe 21000 Arbeiter beschäftigt, Ende 1849 nur noch 1i,000; europäische Arbeiter sind nicht hinreichend da, auch zu dieser Arbeit nicht fähig und die freien Schwarzen wollen bei der leichten Befriedigung ihrer Bedürfnisse nicht arbeiten, wie Haiti bewiesen, welches jetzt keinen Zucker mehr ausführt, was auch in Mexico der Fall ist und auch in Jamaica, Cuba und in Brasilien der Fall sein würde, wenn die Neger kleine Grundstücke erwerben könnten. Die Ueberführung eines Trupps Malaien nach, der Insel Mauritius ist bis jetzt noch als mißglücktes Unternehmen zu betrachten, vor allem wegen der ungenügenden Anzahl Frauen. Besser ist es mit der Emigration von Chinesen nach Englisch Guiana und Mauritius gegangen, da dieselben sehr gewinnsüchtig sind, dazu nur Wasser trinken, mit ein wenig Nei'S und Salz vorliebnehmen, ja sogar ihre Wäsche selbst besorgen, was freilich leicht ist, da sie dieselbe nur 2—3 Mal im Jahr wechseln, endlich sich an das tropische Klima sehr leicht gewöhnen. In ihrem Mutterlande aber ist die Production von Auswandrern unbegrenzt. In niederländisch Ostindien ist das Tagelohn so niedrig, daß es jedenfalls in kurzem erhöht werden muß. Interessant ist über den niedrigen Stand des¬ selben das Avis des Generallieutenants v. d. Bosch im Jahre 1829, nach welchem berechnet wird, daß ein javanischer Arbeiter jährlich 12 si. für Reis, 13 si. an Fische, Salz und Betel und K si. an Kleidern nöthig hat und dar¬ nach also ein Lohn von 10 Cents täglich zu gering ist, es müsse bei einem auf freiwillige Arbeit gegründeten System das Lohn den Kosten für den Unter¬ halt einer Familie entsprechen, also nicht weniger als 3 Stüber täglich, oder 91 si. per Jahr betragen. Wieviel höher wird es aber noch steigen, wenn der Javane mehr Bedürfnisse kennen lernt! — und wird er dann durch bessere Arbeit das höhere Lohn vergüten? Unwidersprechlich dagegen ist der Vorzug der Colonien gegen die Runkel¬ rübenländer in Bezug auf die in Zukunft noch mögliche Erhöhung des Ertrages der Ländereien, da dort der Ackerbau noch in der Kindheit, in den Runkel- rübenländern fast durchgängig im reisen Mannesalter steht. Dasselbe findet statt in Bezug auf die Maschinen. Sodann wird die Verfuhr des Rohrzuckers noch bedeutend verbessert werden können, da dieselbe gegenwärtig so mangelhaft ist, daß z. B. von den 120 M.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341580_98851/509>, abgerufen am 23.07.2024.