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Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, I. Semester. I. Band.

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Progression steigern, größere Bedürfnisse und höhere Interessen auch über den
Ankergrund führen. Die Einführung des Kleebaus hat die alte Dreifelder¬
wirtschaft ausgehoben, die Haltung größerer und edlerer Nutzthiere möglich
gemacht, dadurch wieder die Früchte des Bodeus gesteigert und den Anbau loh¬
nender Culturpflanzen in allen Gegenden hervorgerufen. Der künstliche Wiesen¬
bau und die Drainage haben daraus große Strecken unfruchtbaren Landes
einer lohnenden Cultur zugängig gemacht und an die Stelle steriler Sandflächen
und rodter Sümpfe sind viele hunderttausend Morgen grüner Wiesen und frucht¬
barer Getreidefelder getreten.

Vielleicht der größte Fortschritt aber, den unsre Landwirthschaft gemacht
hat, ist der Anbau der Zuckerrübe und die Production des Zuckers aus unsrer
Ackersrucht gewesen. Daß diese neue Industrie an sich betrachtet für die Land¬
wirthschaft Europas ein ungeheurer Fortschritt ist, vermögen auch die Gegner
derselben nicht zu bestreiten, denn ihre Argumente dagegen gehen sast alle nur
darauf hin, daß die Landwirthschaft diesen Vortheil zum Schaden der Consu-
menten unter Protection eines Schutzzolls errungen habe, und daß aus diesem
Grunde der- Gewinn der Producenten auf Kosten des Volkes erkauft und keine
wahre Kräftigung des Staates sei. Nicht leugnen können sie dagegen, daß
die Bodenrenke in den Gegenden,, welche sich zum Rübenbau eignen, um das
Drei - bis Sechsfache gestiegen sei, daß die Güte und Tragfähigkeit des Bo¬
dens in diesen Gegenden in außerordentlicher Weise zugenommen habe, daß die
ländliche Bevölkerung sich daselbst in sehr starker Progression vermehrt, daß der
Tagelohn mehr gestiegen sei, als in andern Landschaften und daß solche Gegen¬
den in Wohlstand, verbesserten Communicationsmitteln, erhöhter Intelligenz den
benachbarten weit vorausgekommen sind. Denn der Einwurf, daß der Bau der
Halmfrüchte durch die neue Cultur bedroht sei und daß der Zucker uns das Brot
theuer mache, ist doch zu abgeschmackt und zeigt eine geringe Kenntniß des Land¬
baus und der ersten Verkehrsgesetze. In der That steht die Frage so: Wird der
Zucker, welchen unsre Landwirthschaft erzeugt , bei freier Concurrenz mit dem
Zucker der Kolonien sich als vortheilhaft für unsre Landwirtschaft und für die
verschiedenen Classen der ländlichen Bevölkerung erweisen, oder wird er es nicht
thun? Denn es ist klar, wenn die. einheimische Production ohne Schutz
auf die Dauer vortheilhaft bleibt, so ist die neue Industrie wol werth, bis
zu ihrer Erstarkung auch durch Opfer der Consumenten erhalten zu werden, ist
sie aber nicht im Stande, eine solche Concurrenz auf die Länge zu ertragen, so
ist jeder Thaler, welcher aus der Tasche der Verzehrenden dafür ausgegeben
wird, eine unnütze und für den Wohlstand des Staates schädliche Ausgabe.

Um dies zu ermitteln, sollen hier die Verhältnisse, unter denen unser
Rübenzucker und der Rohrzucker der tropischen Länder gebaut wird, kurz dar¬
gestellt werden. Es werden dabei außer deu später erwähnten deutschen auch


Progression steigern, größere Bedürfnisse und höhere Interessen auch über den
Ankergrund führen. Die Einführung des Kleebaus hat die alte Dreifelder¬
wirtschaft ausgehoben, die Haltung größerer und edlerer Nutzthiere möglich
gemacht, dadurch wieder die Früchte des Bodeus gesteigert und den Anbau loh¬
nender Culturpflanzen in allen Gegenden hervorgerufen. Der künstliche Wiesen¬
bau und die Drainage haben daraus große Strecken unfruchtbaren Landes
einer lohnenden Cultur zugängig gemacht und an die Stelle steriler Sandflächen
und rodter Sümpfe sind viele hunderttausend Morgen grüner Wiesen und frucht¬
barer Getreidefelder getreten.

Vielleicht der größte Fortschritt aber, den unsre Landwirthschaft gemacht
hat, ist der Anbau der Zuckerrübe und die Production des Zuckers aus unsrer
Ackersrucht gewesen. Daß diese neue Industrie an sich betrachtet für die Land¬
wirthschaft Europas ein ungeheurer Fortschritt ist, vermögen auch die Gegner
derselben nicht zu bestreiten, denn ihre Argumente dagegen gehen sast alle nur
darauf hin, daß die Landwirthschaft diesen Vortheil zum Schaden der Consu-
menten unter Protection eines Schutzzolls errungen habe, und daß aus diesem
Grunde der- Gewinn der Producenten auf Kosten des Volkes erkauft und keine
wahre Kräftigung des Staates sei. Nicht leugnen können sie dagegen, daß
die Bodenrenke in den Gegenden,, welche sich zum Rübenbau eignen, um das
Drei - bis Sechsfache gestiegen sei, daß die Güte und Tragfähigkeit des Bo¬
dens in diesen Gegenden in außerordentlicher Weise zugenommen habe, daß die
ländliche Bevölkerung sich daselbst in sehr starker Progression vermehrt, daß der
Tagelohn mehr gestiegen sei, als in andern Landschaften und daß solche Gegen¬
den in Wohlstand, verbesserten Communicationsmitteln, erhöhter Intelligenz den
benachbarten weit vorausgekommen sind. Denn der Einwurf, daß der Bau der
Halmfrüchte durch die neue Cultur bedroht sei und daß der Zucker uns das Brot
theuer mache, ist doch zu abgeschmackt und zeigt eine geringe Kenntniß des Land¬
baus und der ersten Verkehrsgesetze. In der That steht die Frage so: Wird der
Zucker, welchen unsre Landwirthschaft erzeugt , bei freier Concurrenz mit dem
Zucker der Kolonien sich als vortheilhaft für unsre Landwirtschaft und für die
verschiedenen Classen der ländlichen Bevölkerung erweisen, oder wird er es nicht
thun? Denn es ist klar, wenn die. einheimische Production ohne Schutz
auf die Dauer vortheilhaft bleibt, so ist die neue Industrie wol werth, bis
zu ihrer Erstarkung auch durch Opfer der Consumenten erhalten zu werden, ist
sie aber nicht im Stande, eine solche Concurrenz auf die Länge zu ertragen, so
ist jeder Thaler, welcher aus der Tasche der Verzehrenden dafür ausgegeben
wird, eine unnütze und für den Wohlstand des Staates schädliche Ausgabe.

Um dies zu ermitteln, sollen hier die Verhältnisse, unter denen unser
Rübenzucker und der Rohrzucker der tropischen Länder gebaut wird, kurz dar¬
gestellt werden. Es werden dabei außer deu später erwähnten deutschen auch


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[0503] Progression steigern, größere Bedürfnisse und höhere Interessen auch über den Ankergrund führen. Die Einführung des Kleebaus hat die alte Dreifelder¬ wirtschaft ausgehoben, die Haltung größerer und edlerer Nutzthiere möglich gemacht, dadurch wieder die Früchte des Bodeus gesteigert und den Anbau loh¬ nender Culturpflanzen in allen Gegenden hervorgerufen. Der künstliche Wiesen¬ bau und die Drainage haben daraus große Strecken unfruchtbaren Landes einer lohnenden Cultur zugängig gemacht und an die Stelle steriler Sandflächen und rodter Sümpfe sind viele hunderttausend Morgen grüner Wiesen und frucht¬ barer Getreidefelder getreten. Vielleicht der größte Fortschritt aber, den unsre Landwirthschaft gemacht hat, ist der Anbau der Zuckerrübe und die Production des Zuckers aus unsrer Ackersrucht gewesen. Daß diese neue Industrie an sich betrachtet für die Land¬ wirthschaft Europas ein ungeheurer Fortschritt ist, vermögen auch die Gegner derselben nicht zu bestreiten, denn ihre Argumente dagegen gehen sast alle nur darauf hin, daß die Landwirthschaft diesen Vortheil zum Schaden der Consu- menten unter Protection eines Schutzzolls errungen habe, und daß aus diesem Grunde der- Gewinn der Producenten auf Kosten des Volkes erkauft und keine wahre Kräftigung des Staates sei. Nicht leugnen können sie dagegen, daß die Bodenrenke in den Gegenden,, welche sich zum Rübenbau eignen, um das Drei - bis Sechsfache gestiegen sei, daß die Güte und Tragfähigkeit des Bo¬ dens in diesen Gegenden in außerordentlicher Weise zugenommen habe, daß die ländliche Bevölkerung sich daselbst in sehr starker Progression vermehrt, daß der Tagelohn mehr gestiegen sei, als in andern Landschaften und daß solche Gegen¬ den in Wohlstand, verbesserten Communicationsmitteln, erhöhter Intelligenz den benachbarten weit vorausgekommen sind. Denn der Einwurf, daß der Bau der Halmfrüchte durch die neue Cultur bedroht sei und daß der Zucker uns das Brot theuer mache, ist doch zu abgeschmackt und zeigt eine geringe Kenntniß des Land¬ baus und der ersten Verkehrsgesetze. In der That steht die Frage so: Wird der Zucker, welchen unsre Landwirthschaft erzeugt , bei freier Concurrenz mit dem Zucker der Kolonien sich als vortheilhaft für unsre Landwirtschaft und für die verschiedenen Classen der ländlichen Bevölkerung erweisen, oder wird er es nicht thun? Denn es ist klar, wenn die. einheimische Production ohne Schutz auf die Dauer vortheilhaft bleibt, so ist die neue Industrie wol werth, bis zu ihrer Erstarkung auch durch Opfer der Consumenten erhalten zu werden, ist sie aber nicht im Stande, eine solche Concurrenz auf die Länge zu ertragen, so ist jeder Thaler, welcher aus der Tasche der Verzehrenden dafür ausgegeben wird, eine unnütze und für den Wohlstand des Staates schädliche Ausgabe. Um dies zu ermitteln, sollen hier die Verhältnisse, unter denen unser Rübenzucker und der Rohrzucker der tropischen Länder gebaut wird, kurz dar¬ gestellt werden. Es werden dabei außer deu später erwähnten deutschen auch

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341580_98851/503>, abgerufen am 28.09.2024.