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Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, I. Semester. I. Band.

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druck des feindlichen Schicksals erscheint, sondern als der Charakter, dessen in¬
nere Umwandlung unsre Theilnahme vorzugsweise beschäftigen soll. Wenn
wir davon absehen, daß die Formen, in denen sich sein Gefühl ausspricht, noch
nicht den Adel und die Würde des Wallenstein erreicht haben, daß sie zuweilen
noch an die Rohheiten und Uebertreibungen der "Räuber" erinnern, so werden
wir zugeben müssen, daß dieser Charakter ebenso fein als groß empfunden ist;
ja wir sagen noch mehr, er ist auch wahr; denn wenn auch die Etikette dem
König, der mit den Fa-den seiner Politik ganz Europa umstrickt, die äußere
Darstellung seiner Gefühle untersagt, so leben sie doch in seinem Inneren fort,
und der Dichter hat- das Recht, uns in dieselbe einzuführen. Diesen Charakter
hat der Uebersetzer ganz geopfert. Er hat fast alle Züge, in denen sich zeigt,
daß Philipps Kälte eigentlich nur eine äußerliche ist, verwischt. Auch die
Königin hat er etwas französirt. Daß sie mit der Prinzessin Eboli so hart
verfährt, ist durch die Anlage der deutschen Tragödie bedingt; der Uebersetzer
läßt sie dagegen im geheimen Gefühl der Mitschuld Verzeihung aussprechen.
Wunderlicherweise tritt sie zum Schluß des Stücks, als der Inquisitor sich des
Prinzen bemächtigt, noch einmal auf, wirft sich dem Don Carlos zu Füßen,
der ihr verzeiht, schleppt sich dann zu den Füßen der Elisabeth und verbirgt
ihr Gesicht in den Falten des Kleides der Königin. Die beiden Frauen blei¬
ben in dieser, Stellung stumm und weinend, bis der Vorhang fällt. Das ist
eine um so schlimmere Abschwächung des großen und tragischen Schlusses bei
Schiller, da wir absolut keinen Grund dafür finden. -- Die wahre Gestalt
des deutschen Dichters wird also den" Franzosen durch diese Uebersetzung nicht
geboten; aber sie ist doch mit liebevoller Wärme gearbeitet und verdiente daher
in Frankreich eine größere Anerkennung, als* sie bisher gefunden zu haben
scheint. --


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Das Hauptgedicht beschäftigt sich mit dem Aufstand Venedigs im I.1848.
Der Dichter, der vorzugsweise durch Shelley und Byron angeregt ist, ha
zum Theil eine sehr schöne Farbe und Stimmung. Gestalten zu schaffen reicht
seine Kraft nicht ans. Auch die kleineren lyrischen Gedichte sind immer mehr
aus der Reflexion hervorgegangen, als ans der unmittelbaren Anschauung.
Die kleineren Uebersetzungen aus dem Deutschen sind sehr wohl gelungen. Als
Probe wollen wir Heines "Fischermädchen" mittheilen.


druck des feindlichen Schicksals erscheint, sondern als der Charakter, dessen in¬
nere Umwandlung unsre Theilnahme vorzugsweise beschäftigen soll. Wenn
wir davon absehen, daß die Formen, in denen sich sein Gefühl ausspricht, noch
nicht den Adel und die Würde des Wallenstein erreicht haben, daß sie zuweilen
noch an die Rohheiten und Uebertreibungen der „Räuber" erinnern, so werden
wir zugeben müssen, daß dieser Charakter ebenso fein als groß empfunden ist;
ja wir sagen noch mehr, er ist auch wahr; denn wenn auch die Etikette dem
König, der mit den Fa-den seiner Politik ganz Europa umstrickt, die äußere
Darstellung seiner Gefühle untersagt, so leben sie doch in seinem Inneren fort,
und der Dichter hat- das Recht, uns in dieselbe einzuführen. Diesen Charakter
hat der Uebersetzer ganz geopfert. Er hat fast alle Züge, in denen sich zeigt,
daß Philipps Kälte eigentlich nur eine äußerliche ist, verwischt. Auch die
Königin hat er etwas französirt. Daß sie mit der Prinzessin Eboli so hart
verfährt, ist durch die Anlage der deutschen Tragödie bedingt; der Uebersetzer
läßt sie dagegen im geheimen Gefühl der Mitschuld Verzeihung aussprechen.
Wunderlicherweise tritt sie zum Schluß des Stücks, als der Inquisitor sich des
Prinzen bemächtigt, noch einmal auf, wirft sich dem Don Carlos zu Füßen,
der ihr verzeiht, schleppt sich dann zu den Füßen der Elisabeth und verbirgt
ihr Gesicht in den Falten des Kleides der Königin. Die beiden Frauen blei¬
ben in dieser, Stellung stumm und weinend, bis der Vorhang fällt. Das ist
eine um so schlimmere Abschwächung des großen und tragischen Schlusses bei
Schiller, da wir absolut keinen Grund dafür finden. — Die wahre Gestalt
des deutschen Dichters wird also den» Franzosen durch diese Uebersetzung nicht
geboten; aber sie ist doch mit liebevoller Wärme gearbeitet und verdiente daher
in Frankreich eine größere Anerkennung, als* sie bisher gefunden zu haben
scheint. —


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Das Hauptgedicht beschäftigt sich mit dem Aufstand Venedigs im I.1848.
Der Dichter, der vorzugsweise durch Shelley und Byron angeregt ist, ha
zum Theil eine sehr schöne Farbe und Stimmung. Gestalten zu schaffen reicht
seine Kraft nicht ans. Auch die kleineren lyrischen Gedichte sind immer mehr
aus der Reflexion hervorgegangen, als ans der unmittelbaren Anschauung.
Die kleineren Uebersetzungen aus dem Deutschen sind sehr wohl gelungen. Als
Probe wollen wir Heines „Fischermädchen" mittheilen.


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[0501] druck des feindlichen Schicksals erscheint, sondern als der Charakter, dessen in¬ nere Umwandlung unsre Theilnahme vorzugsweise beschäftigen soll. Wenn wir davon absehen, daß die Formen, in denen sich sein Gefühl ausspricht, noch nicht den Adel und die Würde des Wallenstein erreicht haben, daß sie zuweilen noch an die Rohheiten und Uebertreibungen der „Räuber" erinnern, so werden wir zugeben müssen, daß dieser Charakter ebenso fein als groß empfunden ist; ja wir sagen noch mehr, er ist auch wahr; denn wenn auch die Etikette dem König, der mit den Fa-den seiner Politik ganz Europa umstrickt, die äußere Darstellung seiner Gefühle untersagt, so leben sie doch in seinem Inneren fort, und der Dichter hat- das Recht, uns in dieselbe einzuführen. Diesen Charakter hat der Uebersetzer ganz geopfert. Er hat fast alle Züge, in denen sich zeigt, daß Philipps Kälte eigentlich nur eine äußerliche ist, verwischt. Auch die Königin hat er etwas französirt. Daß sie mit der Prinzessin Eboli so hart verfährt, ist durch die Anlage der deutschen Tragödie bedingt; der Uebersetzer läßt sie dagegen im geheimen Gefühl der Mitschuld Verzeihung aussprechen. Wunderlicherweise tritt sie zum Schluß des Stücks, als der Inquisitor sich des Prinzen bemächtigt, noch einmal auf, wirft sich dem Don Carlos zu Füßen, der ihr verzeiht, schleppt sich dann zu den Füßen der Elisabeth und verbirgt ihr Gesicht in den Falten des Kleides der Königin. Die beiden Frauen blei¬ ben in dieser, Stellung stumm und weinend, bis der Vorhang fällt. Das ist eine um so schlimmere Abschwächung des großen und tragischen Schlusses bei Schiller, da wir absolut keinen Grund dafür finden. — Die wahre Gestalt des deutschen Dichters wird also den» Franzosen durch diese Uebersetzung nicht geboten; aber sie ist doch mit liebevoller Wärme gearbeitet und verdiente daher in Frankreich eine größere Anerkennung, als* sie bisher gefunden zu haben scheint. — ?vno» >> litis or tlo it.nu»n w-ir, incl ollttir poems. wkieli srv fatalen ki-AUS» intimis l'ron maclgi-n Kvrmun povli^. le^ >Il»mL8 v. Uol'i-aeKii. l.union, t"!i!>hinan. — Das Hauptgedicht beschäftigt sich mit dem Aufstand Venedigs im I.1848. Der Dichter, der vorzugsweise durch Shelley und Byron angeregt ist, ha zum Theil eine sehr schöne Farbe und Stimmung. Gestalten zu schaffen reicht seine Kraft nicht ans. Auch die kleineren lyrischen Gedichte sind immer mehr aus der Reflexion hervorgegangen, als ans der unmittelbaren Anschauung. Die kleineren Uebersetzungen aus dem Deutschen sind sehr wohl gelungen. Als Probe wollen wir Heines „Fischermädchen" mittheilen.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341580_98851/501>, abgerufen am 29.06.2024.