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Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, I. Semester. I. Band.

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Frauen gesagt, bereits besprochen. In dieser Fortsetzung finden sich wieder recht
viele unterhaltende Bemerkungen, wir müssen nur die Damen darauf aufmerksam
machen, daß auch dies Mal der Schriftsteller seine Bosheit nicht ganz verleugnen
kann. Viele von den anscheinend lobenden Bemerkungen über die Reize des
weiblichen Geschlechts haben einen Stachel. Wir wollen auch hier einige
Stellen ausziehen. -- Was der Eigenliebe der Frauen am meisten schmeichelt,
ist, geliebt zu werden, ohne daß man es ihnen zu sagen wagt, vorausgesetzt,
daß das Stillschweigen nicht ewig dauert. -- Man beklagt sich über die Ko¬
ketterie der Frauen, wenn sie Koketterie bleibt; man tadelt ihre Unbeständig¬
keit aber nur, wenn man darunter leidet; man findet sie liebenswürdig, wenn
man ihr Gegenstand ist. -- Wenn ein Geck viel Uebles von einer Frau
redet-, so könnt ihr versichert sein, daß er nur zu gut von ihr denkt. -- Früh
lieben und spät heirathen ist soviel, als die Lerche des Morgens in der Luft
hören und sie des Abends gebraten verspeisen. -- Die Irrthümer einer Frau
kommen beinahe immer von ihrem Glauben oder vielmehr von ihrem Vertrauen
in die Wahrheit.-- Unter hundert Männern findet man zwei geistreiche, unter
hundert Frauen eine dumme; so. ist das Verhältniß. (Wir bemerken, daß das
eine Frau gesagt hat, Madame Girardin.) --


Die Waise von Tamaris. Eine Tanznovelle vom Verfasser des,"Schlaf-Le-
vinche" und der "Luftschlösser". Hamburg, Hoffmann u. Campe.

Der Versasser, dessen sehr bedeutendes descriptives Talent wir bereits
rühmend hervorgehoben haben, hat dies Mal zum Gegenstand eine Ballettänzerin
genommen, die schone Sylvanie, die ihr Metier aber nicht dilettantisch treibt,
sondern mit dem strengen Ernst eines Kunststudiums. Wir sind verwundert
gewesen, was für eine' Menge nicht uninteressanter artistischer Betrachtungen
sich an dieses Genre knüpfen lassen. Die Geschichten sind aus dem Leben ge¬
griffen, wie bei Holteis "Vagabunden" und mit großer Lebhaftigkeit und
Frische erzählt; nur müssen wir gestehen, daß der Gegenstand uns sür diese
ernsthafte Behandlung doch etwas zu luftig erscheint und daß uns namentlich
der tragische Ausgang verstimmt hat. Der Dichter, Herr Schiff, scheint in
dem Ballet im vollen Ernst die' Möglichkeit einer Kunst zu sehen. Er dringt
auf die Ausführung der Heineschen Tanzpvöme und gibt eine anziehende
Schilderung von der, Art und Weise, sie inswerkzusetzen. Es wäre aber
doch gut, wenn der Dichter sich mit seinem wirklichen nicht gemeinen Talent
. lieber'auf die Beobachtung des wirklichen Lebens wenden wollte, in welchem
doch im ganzen! mehr poetischer Inhalt sich findet, als in den Pas einer
Tänzerin. --


Elisabeth. Ein erzählendes Gedicht von Ernst Müller. Einbeck, Eggeling.--

Das Gedicht ist in einer sehr geschmackvollen und ansprechenden Form


Frauen gesagt, bereits besprochen. In dieser Fortsetzung finden sich wieder recht
viele unterhaltende Bemerkungen, wir müssen nur die Damen darauf aufmerksam
machen, daß auch dies Mal der Schriftsteller seine Bosheit nicht ganz verleugnen
kann. Viele von den anscheinend lobenden Bemerkungen über die Reize des
weiblichen Geschlechts haben einen Stachel. Wir wollen auch hier einige
Stellen ausziehen. — Was der Eigenliebe der Frauen am meisten schmeichelt,
ist, geliebt zu werden, ohne daß man es ihnen zu sagen wagt, vorausgesetzt,
daß das Stillschweigen nicht ewig dauert. — Man beklagt sich über die Ko¬
ketterie der Frauen, wenn sie Koketterie bleibt; man tadelt ihre Unbeständig¬
keit aber nur, wenn man darunter leidet; man findet sie liebenswürdig, wenn
man ihr Gegenstand ist. — Wenn ein Geck viel Uebles von einer Frau
redet-, so könnt ihr versichert sein, daß er nur zu gut von ihr denkt. — Früh
lieben und spät heirathen ist soviel, als die Lerche des Morgens in der Luft
hören und sie des Abends gebraten verspeisen. — Die Irrthümer einer Frau
kommen beinahe immer von ihrem Glauben oder vielmehr von ihrem Vertrauen
in die Wahrheit.— Unter hundert Männern findet man zwei geistreiche, unter
hundert Frauen eine dumme; so. ist das Verhältniß. (Wir bemerken, daß das
eine Frau gesagt hat, Madame Girardin.) —


Die Waise von Tamaris. Eine Tanznovelle vom Verfasser des,„Schlaf-Le-
vinche" und der „Luftschlösser". Hamburg, Hoffmann u. Campe.

Der Versasser, dessen sehr bedeutendes descriptives Talent wir bereits
rühmend hervorgehoben haben, hat dies Mal zum Gegenstand eine Ballettänzerin
genommen, die schone Sylvanie, die ihr Metier aber nicht dilettantisch treibt,
sondern mit dem strengen Ernst eines Kunststudiums. Wir sind verwundert
gewesen, was für eine' Menge nicht uninteressanter artistischer Betrachtungen
sich an dieses Genre knüpfen lassen. Die Geschichten sind aus dem Leben ge¬
griffen, wie bei Holteis „Vagabunden" und mit großer Lebhaftigkeit und
Frische erzählt; nur müssen wir gestehen, daß der Gegenstand uns sür diese
ernsthafte Behandlung doch etwas zu luftig erscheint und daß uns namentlich
der tragische Ausgang verstimmt hat. Der Dichter, Herr Schiff, scheint in
dem Ballet im vollen Ernst die' Möglichkeit einer Kunst zu sehen. Er dringt
auf die Ausführung der Heineschen Tanzpvöme und gibt eine anziehende
Schilderung von der, Art und Weise, sie inswerkzusetzen. Es wäre aber
doch gut, wenn der Dichter sich mit seinem wirklichen nicht gemeinen Talent
. lieber'auf die Beobachtung des wirklichen Lebens wenden wollte, in welchem
doch im ganzen! mehr poetischer Inhalt sich findet, als in den Pas einer
Tänzerin. —


Elisabeth. Ein erzählendes Gedicht von Ernst Müller. Einbeck, Eggeling.—

Das Gedicht ist in einer sehr geschmackvollen und ansprechenden Form


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[0496] Frauen gesagt, bereits besprochen. In dieser Fortsetzung finden sich wieder recht viele unterhaltende Bemerkungen, wir müssen nur die Damen darauf aufmerksam machen, daß auch dies Mal der Schriftsteller seine Bosheit nicht ganz verleugnen kann. Viele von den anscheinend lobenden Bemerkungen über die Reize des weiblichen Geschlechts haben einen Stachel. Wir wollen auch hier einige Stellen ausziehen. — Was der Eigenliebe der Frauen am meisten schmeichelt, ist, geliebt zu werden, ohne daß man es ihnen zu sagen wagt, vorausgesetzt, daß das Stillschweigen nicht ewig dauert. — Man beklagt sich über die Ko¬ ketterie der Frauen, wenn sie Koketterie bleibt; man tadelt ihre Unbeständig¬ keit aber nur, wenn man darunter leidet; man findet sie liebenswürdig, wenn man ihr Gegenstand ist. — Wenn ein Geck viel Uebles von einer Frau redet-, so könnt ihr versichert sein, daß er nur zu gut von ihr denkt. — Früh lieben und spät heirathen ist soviel, als die Lerche des Morgens in der Luft hören und sie des Abends gebraten verspeisen. — Die Irrthümer einer Frau kommen beinahe immer von ihrem Glauben oder vielmehr von ihrem Vertrauen in die Wahrheit.— Unter hundert Männern findet man zwei geistreiche, unter hundert Frauen eine dumme; so. ist das Verhältniß. (Wir bemerken, daß das eine Frau gesagt hat, Madame Girardin.) — Die Waise von Tamaris. Eine Tanznovelle vom Verfasser des,„Schlaf-Le- vinche" und der „Luftschlösser". Hamburg, Hoffmann u. Campe. Der Versasser, dessen sehr bedeutendes descriptives Talent wir bereits rühmend hervorgehoben haben, hat dies Mal zum Gegenstand eine Ballettänzerin genommen, die schone Sylvanie, die ihr Metier aber nicht dilettantisch treibt, sondern mit dem strengen Ernst eines Kunststudiums. Wir sind verwundert gewesen, was für eine' Menge nicht uninteressanter artistischer Betrachtungen sich an dieses Genre knüpfen lassen. Die Geschichten sind aus dem Leben ge¬ griffen, wie bei Holteis „Vagabunden" und mit großer Lebhaftigkeit und Frische erzählt; nur müssen wir gestehen, daß der Gegenstand uns sür diese ernsthafte Behandlung doch etwas zu luftig erscheint und daß uns namentlich der tragische Ausgang verstimmt hat. Der Dichter, Herr Schiff, scheint in dem Ballet im vollen Ernst die' Möglichkeit einer Kunst zu sehen. Er dringt auf die Ausführung der Heineschen Tanzpvöme und gibt eine anziehende Schilderung von der, Art und Weise, sie inswerkzusetzen. Es wäre aber doch gut, wenn der Dichter sich mit seinem wirklichen nicht gemeinen Talent . lieber'auf die Beobachtung des wirklichen Lebens wenden wollte, in welchem doch im ganzen! mehr poetischer Inhalt sich findet, als in den Pas einer Tänzerin. — Elisabeth. Ein erzählendes Gedicht von Ernst Müller. Einbeck, Eggeling.— Das Gedicht ist in einer sehr geschmackvollen und ansprechenden Form

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341580_98851/496>, abgerufen am 26.06.2024.