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Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, I. Semester. I. Band.

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sionen nebst Artillerie. Cavalerie und Train höchstens eine Masse von 70,000
(siebzigtausend) Mann ausmachen. Die britische Armee hat unendlich mehr er¬
litten wie die französische, und mau darf sie, auch nach den jüngst angelangten Ver¬
stärkungen,, auf nicht höher wie 13,000 Mann annehmen. Das ergibt einen Total¬
bestand von 83,000 Mann Franzosen und Engländern, und unter Einrechnung von
23,000 Türken (es sind eher 23,000 als 30,000) eine Gesammtstreitmacht von
110,000 Mann.

Zu dieser Masse werden bis Ende März hinzugestoßen sein: -

die 9. franz. Division......1 1,000 Mann
franz. Rescrvecavalerie . . . .3000 "
eine neu zu formirende französische Fremdenlegion .3000 .,
- englische Verstärkungen aus Indien6000 "
englische Verstärkungen aus dem Mutterland .6000
englische Verstärkungen aus den Kolonien2000 "
sardinische Hilfsarmee......, 13,000
türkische Nachsendungen . . . . .3000 "
im Ganzen30,000 Mann-

Hiervon 20 Procent als Abgang durch Krankheitenin Anschlag gebracht
(jede neu ankommende Truppe .verliert dadurch am meisten) macht, mit jenen obigen
1 10,000 Mann, alles in allem, 130,000 Mann oder eine der feindlichen unter
Menschikoff und Osten Sacken mindestens gleichkommende Streitmacht.

Die Lösung der Aufgabe dieses Feldzugs beruht indeß nicht allein auf dem
Problem, eine dem Gegner gewachsene oder ihm überlegene Streitmacht auf dem
Chersones zu sammeln, als vielmehr darauf, sie zu bewegen. Mit anderen
Worten: die Hauptschwierigkeiten bestehen in dem Maugel an Transportmitteln.
Im allgemeinen hat jede gekantete Armee durch diesen Mangel zu leiden; wenn
Bonaparte im Jahre 1798, kurz nach Ausschiffung seiner Truppen bei Abukir
und nachdem er Alexandrien durch einen Handstreich genommen, auf Kairo, siebzig
Meilen weit ins Innere des Landes abmarschiren konnte, so wolle man nicht ver¬
gessen, daß er auf diesem weiten Wege stets den Nil in seiner linken Flanke
behielt und ihn als fluviale Transportstraße für seine schwere Bagage und seine
Lebensmittel benutzen konnte. In Ermanglung eines solchen centralen Wasser¬
weges quer durch den Kricgsraum werden die Verbündeten, wenn sie bis zum
Ausgang des nächsten Monats nicht ausreichendes Zugvieh und Wagen erhalten
sollten, darauf angewiesen sein, gegen die beiden strategischen Zugaugspunkte:
Perckop und Arabat Kertsch, auf den dahin führenden Küstcnstraßen, nämlich gegen
ersteren Ort über Eüpatoria und gegen letzteres Doppclziel über Feodosia zu
operiren. Wenn daher die östreichische Militärzcitung (Hirtenfeld; bisher östreichischer
Militärfreund) mit der Nachricht von der Armirnng letzterer Stadt durch die
Russen keine fingirte Mittheilung (wie leider nur zu oft vordem geschehen!) gebracht
hat, so würde diese Thatsache bezeichnend genug sein. Sie spräche für die Be¬
fürchtung des feindlichen Generalstabs: der Gegner möge sich in derselben Weise
Feodvsias wie vorher Eupatorias bemächtigen, um für seinen Vorgang gegen
Arabat Kertsch hier einen Stützpunkt zu finden.


sionen nebst Artillerie. Cavalerie und Train höchstens eine Masse von 70,000
(siebzigtausend) Mann ausmachen. Die britische Armee hat unendlich mehr er¬
litten wie die französische, und mau darf sie, auch nach den jüngst angelangten Ver¬
stärkungen,, auf nicht höher wie 13,000 Mann annehmen. Das ergibt einen Total¬
bestand von 83,000 Mann Franzosen und Engländern, und unter Einrechnung von
23,000 Türken (es sind eher 23,000 als 30,000) eine Gesammtstreitmacht von
110,000 Mann.

Zu dieser Masse werden bis Ende März hinzugestoßen sein: -

die 9. franz. Division......1 1,000 Mann
franz. Rescrvecavalerie . . . .3000 „
eine neu zu formirende französische Fremdenlegion .3000 .,
- englische Verstärkungen aus Indien6000 „
englische Verstärkungen aus dem Mutterland .6000
englische Verstärkungen aus den Kolonien2000 „
sardinische Hilfsarmee......, 13,000
türkische Nachsendungen . . . . .3000 „
im Ganzen30,000 Mann-

Hiervon 20 Procent als Abgang durch Krankheitenin Anschlag gebracht
(jede neu ankommende Truppe .verliert dadurch am meisten) macht, mit jenen obigen
1 10,000 Mann, alles in allem, 130,000 Mann oder eine der feindlichen unter
Menschikoff und Osten Sacken mindestens gleichkommende Streitmacht.

Die Lösung der Aufgabe dieses Feldzugs beruht indeß nicht allein auf dem
Problem, eine dem Gegner gewachsene oder ihm überlegene Streitmacht auf dem
Chersones zu sammeln, als vielmehr darauf, sie zu bewegen. Mit anderen
Worten: die Hauptschwierigkeiten bestehen in dem Maugel an Transportmitteln.
Im allgemeinen hat jede gekantete Armee durch diesen Mangel zu leiden; wenn
Bonaparte im Jahre 1798, kurz nach Ausschiffung seiner Truppen bei Abukir
und nachdem er Alexandrien durch einen Handstreich genommen, auf Kairo, siebzig
Meilen weit ins Innere des Landes abmarschiren konnte, so wolle man nicht ver¬
gessen, daß er auf diesem weiten Wege stets den Nil in seiner linken Flanke
behielt und ihn als fluviale Transportstraße für seine schwere Bagage und seine
Lebensmittel benutzen konnte. In Ermanglung eines solchen centralen Wasser¬
weges quer durch den Kricgsraum werden die Verbündeten, wenn sie bis zum
Ausgang des nächsten Monats nicht ausreichendes Zugvieh und Wagen erhalten
sollten, darauf angewiesen sein, gegen die beiden strategischen Zugaugspunkte:
Perckop und Arabat Kertsch, auf den dahin führenden Küstcnstraßen, nämlich gegen
ersteren Ort über Eüpatoria und gegen letzteres Doppclziel über Feodosia zu
operiren. Wenn daher die östreichische Militärzcitung (Hirtenfeld; bisher östreichischer
Militärfreund) mit der Nachricht von der Armirnng letzterer Stadt durch die
Russen keine fingirte Mittheilung (wie leider nur zu oft vordem geschehen!) gebracht
hat, so würde diese Thatsache bezeichnend genug sein. Sie spräche für die Be¬
fürchtung des feindlichen Generalstabs: der Gegner möge sich in derselben Weise
Feodvsias wie vorher Eupatorias bemächtigen, um für seinen Vorgang gegen
Arabat Kertsch hier einen Stützpunkt zu finden.


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[0444] sionen nebst Artillerie. Cavalerie und Train höchstens eine Masse von 70,000 (siebzigtausend) Mann ausmachen. Die britische Armee hat unendlich mehr er¬ litten wie die französische, und mau darf sie, auch nach den jüngst angelangten Ver¬ stärkungen,, auf nicht höher wie 13,000 Mann annehmen. Das ergibt einen Total¬ bestand von 83,000 Mann Franzosen und Engländern, und unter Einrechnung von 23,000 Türken (es sind eher 23,000 als 30,000) eine Gesammtstreitmacht von 110,000 Mann. Zu dieser Masse werden bis Ende März hinzugestoßen sein: - die 9. franz. Division......1 1,000 Mann franz. Rescrvecavalerie . . . .3000 „ eine neu zu formirende französische Fremdenlegion .3000 ., - englische Verstärkungen aus Indien6000 „ englische Verstärkungen aus dem Mutterland .6000 englische Verstärkungen aus den Kolonien2000 „ sardinische Hilfsarmee......, 13,000 türkische Nachsendungen . . . . .3000 „ im Ganzen30,000 Mann- Hiervon 20 Procent als Abgang durch Krankheitenin Anschlag gebracht (jede neu ankommende Truppe .verliert dadurch am meisten) macht, mit jenen obigen 1 10,000 Mann, alles in allem, 130,000 Mann oder eine der feindlichen unter Menschikoff und Osten Sacken mindestens gleichkommende Streitmacht. Die Lösung der Aufgabe dieses Feldzugs beruht indeß nicht allein auf dem Problem, eine dem Gegner gewachsene oder ihm überlegene Streitmacht auf dem Chersones zu sammeln, als vielmehr darauf, sie zu bewegen. Mit anderen Worten: die Hauptschwierigkeiten bestehen in dem Maugel an Transportmitteln. Im allgemeinen hat jede gekantete Armee durch diesen Mangel zu leiden; wenn Bonaparte im Jahre 1798, kurz nach Ausschiffung seiner Truppen bei Abukir und nachdem er Alexandrien durch einen Handstreich genommen, auf Kairo, siebzig Meilen weit ins Innere des Landes abmarschiren konnte, so wolle man nicht ver¬ gessen, daß er auf diesem weiten Wege stets den Nil in seiner linken Flanke behielt und ihn als fluviale Transportstraße für seine schwere Bagage und seine Lebensmittel benutzen konnte. In Ermanglung eines solchen centralen Wasser¬ weges quer durch den Kricgsraum werden die Verbündeten, wenn sie bis zum Ausgang des nächsten Monats nicht ausreichendes Zugvieh und Wagen erhalten sollten, darauf angewiesen sein, gegen die beiden strategischen Zugaugspunkte: Perckop und Arabat Kertsch, auf den dahin führenden Küstcnstraßen, nämlich gegen ersteren Ort über Eüpatoria und gegen letzteres Doppclziel über Feodosia zu operiren. Wenn daher die östreichische Militärzcitung (Hirtenfeld; bisher östreichischer Militärfreund) mit der Nachricht von der Armirnng letzterer Stadt durch die Russen keine fingirte Mittheilung (wie leider nur zu oft vordem geschehen!) gebracht hat, so würde diese Thatsache bezeichnend genug sein. Sie spräche für die Be¬ fürchtung des feindlichen Generalstabs: der Gegner möge sich in derselben Weise Feodvsias wie vorher Eupatorias bemächtigen, um für seinen Vorgang gegen Arabat Kertsch hier einen Stützpunkt zu finden.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341580_98851/444>, abgerufen am 26.06.2024.