Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, I. Semester. I. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

Hering -- wahrscheinlich weil er meistens in der Pfanne gebraten wird --
welchen man in den Binnenseen und an den Mündungen der holländischen
Flüsse antrifft. Weil nun die erste Sorte der echte holländische Hering ist,
dessen "uralter Ruhm aufrechterhalten werden sollte", so bestimmte das weise
Gesetz, daß die anderen Heringssorten nicht eingepökelt werden
dürfen.

Abgesehen vou der Verletzung des heiligsten Rechts, frei über sein Eigen¬
thum verfügen zu dürfen, war diese Bestimmung ein nationalökonomischer
Mißgriff von den verderblichsten Folgen, die grade deshalb so lehrreich sind,
weil sie in diesem Falle nach den sogleich beizubringenden statistischen Factis so
sehr in die Augen springen.

Der Ertrag deS frischen und des Panheringsfangs ist trotz des Ge¬
setzes, welches den Eigenthümern in dem Vaterlande des van Beukelz verbietet,
den Werth derselben durch die von ihm erfundenen Mittel zu erhöhen, noch
immer viel bedeutender, als der des begünstigten Pökelherings; die besten
Sorten werden geräuchert und unter dem Namen von Pöklingen verkauft,
der eigentliche PanHering für Spottpreise auf Schiebkarren in den Hintergassen
der großen Städte rundgefeilscht, bis endlich der große unverkaufte Zieht halb
verfault aus Mangel an Käufern weggeworfen und nur als Dünger productiv
wird.

Nun ist es eine unumstößliche volkswirtschaftliche Wahrheit, daß die
Beförderung der Production eines Luxusartikels auf Kosten eines Artikels von
allgemeiner Nachfrage nie im Interesse einer Nation liegen kann, und zwar
aus vielen Gründen, vorzüglich aber deshalb, weil der größere Gewinn an
Luxusartikeln stets von der Masse des kleinern an Artikeln des allgemeinen
Bedürfnisses übertroffen wird, sodann weil bei abnehmendem Wohlstande die
Consumtion der Luxusartikel ab, die der wohlfeilen Artikel von derselben Art
zunimmt und der Ertrag der erster" viel unsicherer ist, als der d,er zweiten.

Dagegen hält das Gesetz es für besser, zehn Heringe der ersten an Reiche,
als tausende geringerer Sorten an Arme zu verkaufen, sucht den Ruhm des
holländischen Herings in der Vorzüglichkeit seiner Qualität, während die ver¬
nünftige Volkswirthschaft ihn in der Quantität des Absatzes findet, und nach
dem Gesetz muß Holland um jeden Preis das Land bleiben, "wo man den lecker¬
sten Hering ißt", während die Volkswirthschaft wünscht, daß es dasjenige sei,
wo der Heringsfang am meisten blüht.

Rufen wir als letzten Beweis der schädlichen Folgen dieser Regierungs¬
sorgen die Zahlen herbei. 1850 zählte die englische Heringsflotte 619 Büisen
von 13,755 Tvnnenlast, und eine Bemannung von 2848 Köpfen; der Total¬
ertrag betrug 687,401'/-./die Ausfuhr 266,908 Fäßchen; eingesalzen wurden
644,009^ Fäßchen und davon 156,969V-, auf holländische Weise.


Grenzboten. I. 18ö6. 48

Hering — wahrscheinlich weil er meistens in der Pfanne gebraten wird —
welchen man in den Binnenseen und an den Mündungen der holländischen
Flüsse antrifft. Weil nun die erste Sorte der echte holländische Hering ist,
dessen „uralter Ruhm aufrechterhalten werden sollte", so bestimmte das weise
Gesetz, daß die anderen Heringssorten nicht eingepökelt werden
dürfen.

Abgesehen vou der Verletzung des heiligsten Rechts, frei über sein Eigen¬
thum verfügen zu dürfen, war diese Bestimmung ein nationalökonomischer
Mißgriff von den verderblichsten Folgen, die grade deshalb so lehrreich sind,
weil sie in diesem Falle nach den sogleich beizubringenden statistischen Factis so
sehr in die Augen springen.

Der Ertrag deS frischen und des Panheringsfangs ist trotz des Ge¬
setzes, welches den Eigenthümern in dem Vaterlande des van Beukelz verbietet,
den Werth derselben durch die von ihm erfundenen Mittel zu erhöhen, noch
immer viel bedeutender, als der des begünstigten Pökelherings; die besten
Sorten werden geräuchert und unter dem Namen von Pöklingen verkauft,
der eigentliche PanHering für Spottpreise auf Schiebkarren in den Hintergassen
der großen Städte rundgefeilscht, bis endlich der große unverkaufte Zieht halb
verfault aus Mangel an Käufern weggeworfen und nur als Dünger productiv
wird.

Nun ist es eine unumstößliche volkswirtschaftliche Wahrheit, daß die
Beförderung der Production eines Luxusartikels auf Kosten eines Artikels von
allgemeiner Nachfrage nie im Interesse einer Nation liegen kann, und zwar
aus vielen Gründen, vorzüglich aber deshalb, weil der größere Gewinn an
Luxusartikeln stets von der Masse des kleinern an Artikeln des allgemeinen
Bedürfnisses übertroffen wird, sodann weil bei abnehmendem Wohlstande die
Consumtion der Luxusartikel ab, die der wohlfeilen Artikel von derselben Art
zunimmt und der Ertrag der erster» viel unsicherer ist, als der d,er zweiten.

Dagegen hält das Gesetz es für besser, zehn Heringe der ersten an Reiche,
als tausende geringerer Sorten an Arme zu verkaufen, sucht den Ruhm des
holländischen Herings in der Vorzüglichkeit seiner Qualität, während die ver¬
nünftige Volkswirthschaft ihn in der Quantität des Absatzes findet, und nach
dem Gesetz muß Holland um jeden Preis das Land bleiben, „wo man den lecker¬
sten Hering ißt", während die Volkswirthschaft wünscht, daß es dasjenige sei,
wo der Heringsfang am meisten blüht.

Rufen wir als letzten Beweis der schädlichen Folgen dieser Regierungs¬
sorgen die Zahlen herbei. 1850 zählte die englische Heringsflotte 619 Büisen
von 13,755 Tvnnenlast, und eine Bemannung von 2848 Köpfen; der Total¬
ertrag betrug 687,401'/-./die Ausfuhr 266,908 Fäßchen; eingesalzen wurden
644,009^ Fäßchen und davon 156,969V-, auf holländische Weise.


Grenzboten. I. 18ö6. 48
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0385" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/99237"/>
          <p xml:id="ID_1322" prev="#ID_1321"> Hering &#x2014; wahrscheinlich weil er meistens in der Pfanne gebraten wird &#x2014;<lb/>
welchen man in den Binnenseen und an den Mündungen der holländischen<lb/>
Flüsse antrifft. Weil nun die erste Sorte der echte holländische Hering ist,<lb/>
dessen &#x201E;uralter Ruhm aufrechterhalten werden sollte", so bestimmte das weise<lb/>
Gesetz, daß die anderen Heringssorten nicht eingepökelt werden<lb/>
dürfen.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1323"> Abgesehen vou der Verletzung des heiligsten Rechts, frei über sein Eigen¬<lb/>
thum verfügen zu dürfen, war diese Bestimmung ein nationalökonomischer<lb/>
Mißgriff von den verderblichsten Folgen, die grade deshalb so lehrreich sind,<lb/>
weil sie in diesem Falle nach den sogleich beizubringenden statistischen Factis so<lb/>
sehr in die Augen springen.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1324"> Der Ertrag deS frischen und des Panheringsfangs ist trotz des Ge¬<lb/>
setzes, welches den Eigenthümern in dem Vaterlande des van Beukelz verbietet,<lb/>
den Werth derselben durch die von ihm erfundenen Mittel zu erhöhen, noch<lb/>
immer viel bedeutender, als der des begünstigten Pökelherings; die besten<lb/>
Sorten werden geräuchert und unter dem Namen von Pöklingen verkauft,<lb/>
der eigentliche PanHering für Spottpreise auf Schiebkarren in den Hintergassen<lb/>
der großen Städte rundgefeilscht, bis endlich der große unverkaufte Zieht halb<lb/>
verfault aus Mangel an Käufern weggeworfen und nur als Dünger productiv<lb/>
wird.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1325"> Nun ist es eine unumstößliche volkswirtschaftliche Wahrheit, daß die<lb/>
Beförderung der Production eines Luxusartikels auf Kosten eines Artikels von<lb/>
allgemeiner Nachfrage nie im Interesse einer Nation liegen kann, und zwar<lb/>
aus vielen Gründen, vorzüglich aber deshalb, weil der größere Gewinn an<lb/>
Luxusartikeln stets von der Masse des kleinern an Artikeln des allgemeinen<lb/>
Bedürfnisses übertroffen wird, sodann weil bei abnehmendem Wohlstande die<lb/>
Consumtion der Luxusartikel ab, die der wohlfeilen Artikel von derselben Art<lb/>
zunimmt und der Ertrag der erster» viel unsicherer ist, als der d,er zweiten.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1326"> Dagegen hält das Gesetz es für besser, zehn Heringe der ersten an Reiche,<lb/>
als tausende geringerer Sorten an Arme zu verkaufen, sucht den Ruhm des<lb/>
holländischen Herings in der Vorzüglichkeit seiner Qualität, während die ver¬<lb/>
nünftige Volkswirthschaft ihn in der Quantität des Absatzes findet, und nach<lb/>
dem Gesetz muß Holland um jeden Preis das Land bleiben, &#x201E;wo man den lecker¬<lb/>
sten Hering ißt", während die Volkswirthschaft wünscht, daß es dasjenige sei,<lb/>
wo der Heringsfang am meisten blüht.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1327"> Rufen wir als letzten Beweis der schädlichen Folgen dieser Regierungs¬<lb/>
sorgen die Zahlen herbei. 1850 zählte die englische Heringsflotte 619 Büisen<lb/>
von 13,755 Tvnnenlast, und eine Bemannung von 2848 Köpfen; der Total¬<lb/>
ertrag betrug 687,401'/-./die Ausfuhr 266,908 Fäßchen; eingesalzen wurden<lb/>
644,009^ Fäßchen und davon 156,969V-, auf holländische Weise.</p><lb/>
          <fw type="sig" place="bottom"> Grenzboten. I. 18ö6. 48</fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0385] Hering — wahrscheinlich weil er meistens in der Pfanne gebraten wird — welchen man in den Binnenseen und an den Mündungen der holländischen Flüsse antrifft. Weil nun die erste Sorte der echte holländische Hering ist, dessen „uralter Ruhm aufrechterhalten werden sollte", so bestimmte das weise Gesetz, daß die anderen Heringssorten nicht eingepökelt werden dürfen. Abgesehen vou der Verletzung des heiligsten Rechts, frei über sein Eigen¬ thum verfügen zu dürfen, war diese Bestimmung ein nationalökonomischer Mißgriff von den verderblichsten Folgen, die grade deshalb so lehrreich sind, weil sie in diesem Falle nach den sogleich beizubringenden statistischen Factis so sehr in die Augen springen. Der Ertrag deS frischen und des Panheringsfangs ist trotz des Ge¬ setzes, welches den Eigenthümern in dem Vaterlande des van Beukelz verbietet, den Werth derselben durch die von ihm erfundenen Mittel zu erhöhen, noch immer viel bedeutender, als der des begünstigten Pökelherings; die besten Sorten werden geräuchert und unter dem Namen von Pöklingen verkauft, der eigentliche PanHering für Spottpreise auf Schiebkarren in den Hintergassen der großen Städte rundgefeilscht, bis endlich der große unverkaufte Zieht halb verfault aus Mangel an Käufern weggeworfen und nur als Dünger productiv wird. Nun ist es eine unumstößliche volkswirtschaftliche Wahrheit, daß die Beförderung der Production eines Luxusartikels auf Kosten eines Artikels von allgemeiner Nachfrage nie im Interesse einer Nation liegen kann, und zwar aus vielen Gründen, vorzüglich aber deshalb, weil der größere Gewinn an Luxusartikeln stets von der Masse des kleinern an Artikeln des allgemeinen Bedürfnisses übertroffen wird, sodann weil bei abnehmendem Wohlstande die Consumtion der Luxusartikel ab, die der wohlfeilen Artikel von derselben Art zunimmt und der Ertrag der erster» viel unsicherer ist, als der d,er zweiten. Dagegen hält das Gesetz es für besser, zehn Heringe der ersten an Reiche, als tausende geringerer Sorten an Arme zu verkaufen, sucht den Ruhm des holländischen Herings in der Vorzüglichkeit seiner Qualität, während die ver¬ nünftige Volkswirthschaft ihn in der Quantität des Absatzes findet, und nach dem Gesetz muß Holland um jeden Preis das Land bleiben, „wo man den lecker¬ sten Hering ißt", während die Volkswirthschaft wünscht, daß es dasjenige sei, wo der Heringsfang am meisten blüht. Rufen wir als letzten Beweis der schädlichen Folgen dieser Regierungs¬ sorgen die Zahlen herbei. 1850 zählte die englische Heringsflotte 619 Büisen von 13,755 Tvnnenlast, und eine Bemannung von 2848 Köpfen; der Total¬ ertrag betrug 687,401'/-./die Ausfuhr 266,908 Fäßchen; eingesalzen wurden 644,009^ Fäßchen und davon 156,969V-, auf holländische Weise. Grenzboten. I. 18ö6. 48

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341580_98851
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341580_98851/385
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341580_98851/385>, abgerufen am 26.06.2024.