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Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, I. Semester. I. Band.

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zu diesem Geschäfte -- versammelt sich die zu dergleichen "Exercitien" ange¬
haltene Priesterschaft acht, zehn bis vierzehn Tage hindurch täglich; allem
weltlichen Verkehr in solch bedeutsamer Zeit entsagend, um religiösen Be¬
trachtungen allgemeiner Natur, wie über besondere Berufspflichten sich hin¬
zugeben und Unterweisungen zu empfangen. Die durch die Erercitien beab¬
sichtigte geistliche Kräftigung und Inspiration geweihter Priester ist als die
Wirkung specifisch theologischer Essenz, welche die Heilsmittel der Kirche zu ge¬
währen vermag, zu betrachten. Aussetzung des Allerheiligsten, Gebete, Ge¬
neralbeichte, gemeinschaftliche Communion, Segcnertheilung mit dem Aller¬
heiligsten spielen bei diesen geistlichen Uebungen ebenfalls eine Rolle.

Solche Erercitien sind demnächst aber auch mit katholischen Lehrern, Er¬
zieherinnen, Schul- und barmherzigen Schwestern abgehalten worden, welche
man in gedachter Weise in ihrem Wirken für die Kirche und zum Seelenheil
der Gläubigen neu zu beleben trachtete.

Außer diesen durch fremde Ordenspriester ausgeführten Vvlksmissionen
und geistlichen Exercitien kam es dem Klerus darauf an, in den vorzugsweise
protestantischen Gebiet-en Deutschlands festeren Fuß zu fassen, den unter solch
protestantischer Bevölkerung zerstreut wohnenden Katholiken einen kirchlichen
Anhalt zu gewähren und dafür Sorge zu tragen, daß die in evangelischen Ge¬
meinden aufwachsenden Kinder von Katholiken der heiligen Mutterkirche nicht
verloren gingen. Zu diesem Zwecke etablirte man vornehmlich in Nord-
deutschland Missionöstationen, von .denen aus eifrige Geistliche die Katholiken
der Umgegend mit den Tröstungen der Religion zu versehen hatten. Solche
Missionsstationen sloriren u. a. in der Mark Brandenburg, wie in Pommern
und haben klerikalischen Berichten zufolge bereits die gewünschten Resultate
herbeigeführt.

Sonstige kirchliche Unternehmungen im Interesse der römi¬
schen Kirche. Damit die guten Wirkungen der Volksmissionen auch nach¬
haltig blieben, suchte man, wo es irgend thunlich erschien, Mönchen und katho¬
lischen Ordensschwestern in Deutschland und insonderheit auf preußischem Ge¬
biet ein bleibendes Asyl zu schaffen. Neue Klöster wurden seit 1830 begründet,
so zu Annaberg bei Kotel, zu Neustadt und Lammsdors in Schlesien für
Franciscanermönche. Schulschwestern und barmherzige Schwestern wurden in
Erziehungshäuser und Krankenanstalten eingeführt. Verlassene katholische Wai¬
sen brachte man in Rettungshäusern und Cvmmunicantcnaiistalten unter,
um sie der Zugänglichkeit vermeintlicher Irrlehren zu entziehen und sie "katho¬
lisch einzuleben", wie man sich ausdrückte. Durch die Bischöfe veranstaltete
man Synoden, um über das zu berathen, was in heutiger Zeit der Kirche
Noth thue; päpstlichen Ablaß ließ man reichlich denen angedeihen, welche den
Anforderungen der Religion nachlebten, man verschärfte. die Maßregeln zur


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zu diesem Geschäfte — versammelt sich die zu dergleichen „Exercitien" ange¬
haltene Priesterschaft acht, zehn bis vierzehn Tage hindurch täglich; allem
weltlichen Verkehr in solch bedeutsamer Zeit entsagend, um religiösen Be¬
trachtungen allgemeiner Natur, wie über besondere Berufspflichten sich hin¬
zugeben und Unterweisungen zu empfangen. Die durch die Erercitien beab¬
sichtigte geistliche Kräftigung und Inspiration geweihter Priester ist als die
Wirkung specifisch theologischer Essenz, welche die Heilsmittel der Kirche zu ge¬
währen vermag, zu betrachten. Aussetzung des Allerheiligsten, Gebete, Ge¬
neralbeichte, gemeinschaftliche Communion, Segcnertheilung mit dem Aller¬
heiligsten spielen bei diesen geistlichen Uebungen ebenfalls eine Rolle.

Solche Erercitien sind demnächst aber auch mit katholischen Lehrern, Er¬
zieherinnen, Schul- und barmherzigen Schwestern abgehalten worden, welche
man in gedachter Weise in ihrem Wirken für die Kirche und zum Seelenheil
der Gläubigen neu zu beleben trachtete.

Außer diesen durch fremde Ordenspriester ausgeführten Vvlksmissionen
und geistlichen Exercitien kam es dem Klerus darauf an, in den vorzugsweise
protestantischen Gebiet-en Deutschlands festeren Fuß zu fassen, den unter solch
protestantischer Bevölkerung zerstreut wohnenden Katholiken einen kirchlichen
Anhalt zu gewähren und dafür Sorge zu tragen, daß die in evangelischen Ge¬
meinden aufwachsenden Kinder von Katholiken der heiligen Mutterkirche nicht
verloren gingen. Zu diesem Zwecke etablirte man vornehmlich in Nord-
deutschland Missionöstationen, von .denen aus eifrige Geistliche die Katholiken
der Umgegend mit den Tröstungen der Religion zu versehen hatten. Solche
Missionsstationen sloriren u. a. in der Mark Brandenburg, wie in Pommern
und haben klerikalischen Berichten zufolge bereits die gewünschten Resultate
herbeigeführt.

Sonstige kirchliche Unternehmungen im Interesse der römi¬
schen Kirche. Damit die guten Wirkungen der Volksmissionen auch nach¬
haltig blieben, suchte man, wo es irgend thunlich erschien, Mönchen und katho¬
lischen Ordensschwestern in Deutschland und insonderheit auf preußischem Ge¬
biet ein bleibendes Asyl zu schaffen. Neue Klöster wurden seit 1830 begründet,
so zu Annaberg bei Kotel, zu Neustadt und Lammsdors in Schlesien für
Franciscanermönche. Schulschwestern und barmherzige Schwestern wurden in
Erziehungshäuser und Krankenanstalten eingeführt. Verlassene katholische Wai¬
sen brachte man in Rettungshäusern und Cvmmunicantcnaiistalten unter,
um sie der Zugänglichkeit vermeintlicher Irrlehren zu entziehen und sie „katho¬
lisch einzuleben", wie man sich ausdrückte. Durch die Bischöfe veranstaltete
man Synoden, um über das zu berathen, was in heutiger Zeit der Kirche
Noth thue; päpstlichen Ablaß ließ man reichlich denen angedeihen, welche den
Anforderungen der Religion nachlebten, man verschärfte. die Maßregeln zur


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341580_98851/361>, abgerufen am 26.06.2024.