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Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, I. Semester. I. Band.

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ben weder die königlichen Prinzen, noch die ehemals unmittelbaren Reichsmitglieder
in derselben gesessen: es fehlten also zwei Theile der Bestandtheile der ersten
Kammer. Die Frage entsteht sehr natürlich und ,1" .jul-v: Ist die erste Kammer
so competent, wie die Verfassung es verlangt? -- Die fehlenden Prinzen und
Reichsstände haben niemals versichert, daß sie einen Bestandtheil der Kammer bil¬
den; sie haben es noch weniger bewiesen. Nichtsdestoweniger beschließt sie: die
erste Kammer heißt fortan "Herrenhaus" und die zweite Kammer "Haus der Ab¬
geordneten". Es ist wahrscheinlich, daß der reichsunvnttelbaren Familien Opposition
gegen die ganze Regierungsform dies Gesetz veranlaßt habe, um diesem Gliede im
Staatsgliede Concessionen zu machen, welche freilich vorerst nur den Namen berück¬
sichtigen, späterhin aber auch in Thatsachen Geltung finden müssen. So ungenügend
ihnen auch die Concession der Namen, welche nach der Rede des Herrn Ministers nur
ans purificatvrischen Sprachrücksichten geschieht, sein wird, so ist es immer eine Conces-
sion, welche die Regierung damit den höchsten Familien macht. Es ist nicht zweifel¬
haft, daß diese Concession den erwünschten Erfolg nicht haben wird. Es gab Zeiten
für Preußen, wo die Stimmung der Mediatisirten für sehr gleichgültig galt!

Was wird die erste Kammer, wenn ihr einer der vornehmsten Bestandtheile,
die geborenen Pairs, die factische Anerkennung versagen? --

Ebenso bedenklich erscheint der Beschluß wegen des Verbots fremden Papier¬
geldes. Dieser Beschluß wurde grade in derselben Zeit gefaßt, als die kleinen
deutschen Staaten sich gewissenhaft fragten: Müssen wir zu Oestreich halten oder
können wir noch mit Preußen gehen? Die Annullirung der Kassenanweisungen
ihrer Staaten in Preußen mußte augenblicklich die Sympathien für Preußen, welche
etwa noch vorhanden waren, vernichten, und es war deshalb nicht diplomatisch,
in diesem Augenblicke mit diesem Beschlusse aufzutreten. Allerdings lag ein Haupt¬
grund zur Gesetzerhebnng dieser ministeriellen Vorlage auch wieder in dem augen¬
blicklichen politischen Standpunkte. Der eventuelle Krieg, in welchen Deutschland
möglicherweise hineingerissen werden kann, welcher selbst das Leben von Staaten
bedroht, würde natürlicherweise den Cred.it der kleineren vernichten und damit das
Papiergeld derselben werthlos machen. Ein Abbruch des Nationalwohlstandes und
namenlose Verluste würden sich erklärlicherweise dadurch in den von solchen Kassen¬
scheinen überschwemnuen Ländern geltendmachen. Andrerseits wird indessen der Cours
von Zehnthalerscheinen dieses fremden Papiergeldes gestattet. Die kleinen Staaten
werden also jetzt im Nothfall Kassenscheine in größern Apoints ausgeben.


Literatur.

-- Originallustspiele von P. F. Traut manu. Berlin,
Lassar. -- Die Sammlung enthält die drei Stücke: "Ein Feind der Mode;" "Onkel
Quäker;" und "Ein Don Juan wider Willen". Auf der Bühne haben sie, wie wir
hören, Glück gemacht, für die Lectüre sind sie nicht geeignet, und der Kritik bieten
sie keinen Gegenstand. --




Herausgegeben von Gustav Freytag und Julian Schmidt.
Al" verantwort!. Redacteur leaitiniirl: F. W. Grunow. -- Verlag von F. L. Herbig
in Leipzig,
Druck von <5> v. Klbert in Leipzig,

ben weder die königlichen Prinzen, noch die ehemals unmittelbaren Reichsmitglieder
in derselben gesessen: es fehlten also zwei Theile der Bestandtheile der ersten
Kammer. Die Frage entsteht sehr natürlich und ,1« .jul-v: Ist die erste Kammer
so competent, wie die Verfassung es verlangt? — Die fehlenden Prinzen und
Reichsstände haben niemals versichert, daß sie einen Bestandtheil der Kammer bil¬
den; sie haben es noch weniger bewiesen. Nichtsdestoweniger beschließt sie: die
erste Kammer heißt fortan „Herrenhaus" und die zweite Kammer „Haus der Ab¬
geordneten". Es ist wahrscheinlich, daß der reichsunvnttelbaren Familien Opposition
gegen die ganze Regierungsform dies Gesetz veranlaßt habe, um diesem Gliede im
Staatsgliede Concessionen zu machen, welche freilich vorerst nur den Namen berück¬
sichtigen, späterhin aber auch in Thatsachen Geltung finden müssen. So ungenügend
ihnen auch die Concession der Namen, welche nach der Rede des Herrn Ministers nur
ans purificatvrischen Sprachrücksichten geschieht, sein wird, so ist es immer eine Conces-
sion, welche die Regierung damit den höchsten Familien macht. Es ist nicht zweifel¬
haft, daß diese Concession den erwünschten Erfolg nicht haben wird. Es gab Zeiten
für Preußen, wo die Stimmung der Mediatisirten für sehr gleichgültig galt!

Was wird die erste Kammer, wenn ihr einer der vornehmsten Bestandtheile,
die geborenen Pairs, die factische Anerkennung versagen? —

Ebenso bedenklich erscheint der Beschluß wegen des Verbots fremden Papier¬
geldes. Dieser Beschluß wurde grade in derselben Zeit gefaßt, als die kleinen
deutschen Staaten sich gewissenhaft fragten: Müssen wir zu Oestreich halten oder
können wir noch mit Preußen gehen? Die Annullirung der Kassenanweisungen
ihrer Staaten in Preußen mußte augenblicklich die Sympathien für Preußen, welche
etwa noch vorhanden waren, vernichten, und es war deshalb nicht diplomatisch,
in diesem Augenblicke mit diesem Beschlusse aufzutreten. Allerdings lag ein Haupt¬
grund zur Gesetzerhebnng dieser ministeriellen Vorlage auch wieder in dem augen¬
blicklichen politischen Standpunkte. Der eventuelle Krieg, in welchen Deutschland
möglicherweise hineingerissen werden kann, welcher selbst das Leben von Staaten
bedroht, würde natürlicherweise den Cred.it der kleineren vernichten und damit das
Papiergeld derselben werthlos machen. Ein Abbruch des Nationalwohlstandes und
namenlose Verluste würden sich erklärlicherweise dadurch in den von solchen Kassen¬
scheinen überschwemnuen Ländern geltendmachen. Andrerseits wird indessen der Cours
von Zehnthalerscheinen dieses fremden Papiergeldes gestattet. Die kleinen Staaten
werden also jetzt im Nothfall Kassenscheine in größern Apoints ausgeben.


Literatur.

— Originallustspiele von P. F. Traut manu. Berlin,
Lassar. — Die Sammlung enthält die drei Stücke: „Ein Feind der Mode;" „Onkel
Quäker;" und „Ein Don Juan wider Willen". Auf der Bühne haben sie, wie wir
hören, Glück gemacht, für die Lectüre sind sie nicht geeignet, und der Kritik bieten
sie keinen Gegenstand. —




Herausgegeben von Gustav Freytag und Julian Schmidt.
Al» verantwort!. Redacteur leaitiniirl: F. W. Grunow. — Verlag von F. L. Herbig
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[0328] ben weder die königlichen Prinzen, noch die ehemals unmittelbaren Reichsmitglieder in derselben gesessen: es fehlten also zwei Theile der Bestandtheile der ersten Kammer. Die Frage entsteht sehr natürlich und ,1« .jul-v: Ist die erste Kammer so competent, wie die Verfassung es verlangt? — Die fehlenden Prinzen und Reichsstände haben niemals versichert, daß sie einen Bestandtheil der Kammer bil¬ den; sie haben es noch weniger bewiesen. Nichtsdestoweniger beschließt sie: die erste Kammer heißt fortan „Herrenhaus" und die zweite Kammer „Haus der Ab¬ geordneten". Es ist wahrscheinlich, daß der reichsunvnttelbaren Familien Opposition gegen die ganze Regierungsform dies Gesetz veranlaßt habe, um diesem Gliede im Staatsgliede Concessionen zu machen, welche freilich vorerst nur den Namen berück¬ sichtigen, späterhin aber auch in Thatsachen Geltung finden müssen. So ungenügend ihnen auch die Concession der Namen, welche nach der Rede des Herrn Ministers nur ans purificatvrischen Sprachrücksichten geschieht, sein wird, so ist es immer eine Conces- sion, welche die Regierung damit den höchsten Familien macht. Es ist nicht zweifel¬ haft, daß diese Concession den erwünschten Erfolg nicht haben wird. Es gab Zeiten für Preußen, wo die Stimmung der Mediatisirten für sehr gleichgültig galt! Was wird die erste Kammer, wenn ihr einer der vornehmsten Bestandtheile, die geborenen Pairs, die factische Anerkennung versagen? — Ebenso bedenklich erscheint der Beschluß wegen des Verbots fremden Papier¬ geldes. Dieser Beschluß wurde grade in derselben Zeit gefaßt, als die kleinen deutschen Staaten sich gewissenhaft fragten: Müssen wir zu Oestreich halten oder können wir noch mit Preußen gehen? Die Annullirung der Kassenanweisungen ihrer Staaten in Preußen mußte augenblicklich die Sympathien für Preußen, welche etwa noch vorhanden waren, vernichten, und es war deshalb nicht diplomatisch, in diesem Augenblicke mit diesem Beschlusse aufzutreten. Allerdings lag ein Haupt¬ grund zur Gesetzerhebnng dieser ministeriellen Vorlage auch wieder in dem augen¬ blicklichen politischen Standpunkte. Der eventuelle Krieg, in welchen Deutschland möglicherweise hineingerissen werden kann, welcher selbst das Leben von Staaten bedroht, würde natürlicherweise den Cred.it der kleineren vernichten und damit das Papiergeld derselben werthlos machen. Ein Abbruch des Nationalwohlstandes und namenlose Verluste würden sich erklärlicherweise dadurch in den von solchen Kassen¬ scheinen überschwemnuen Ländern geltendmachen. Andrerseits wird indessen der Cours von Zehnthalerscheinen dieses fremden Papiergeldes gestattet. Die kleinen Staaten werden also jetzt im Nothfall Kassenscheine in größern Apoints ausgeben. Literatur. — Originallustspiele von P. F. Traut manu. Berlin, Lassar. — Die Sammlung enthält die drei Stücke: „Ein Feind der Mode;" „Onkel Quäker;" und „Ein Don Juan wider Willen". Auf der Bühne haben sie, wie wir hören, Glück gemacht, für die Lectüre sind sie nicht geeignet, und der Kritik bieten sie keinen Gegenstand. — Herausgegeben von Gustav Freytag und Julian Schmidt. Al» verantwort!. Redacteur leaitiniirl: F. W. Grunow. — Verlag von F. L. Herbig in Leipzig, Druck von <5> v. Klbert in Leipzig,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341580_98851/328>, abgerufen am 29.06.2024.