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Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, I. Semester. I. Band.

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Militärische Landschaftsbilder aus der Türkei.
Von Kostendll nach Rad "mir.

(Fortsetzung.)

Kostendll oder Kostend"! ist unter den vorhererwähnten Ortschaften durch
seine heißen Schwefelquellen ausgezeichnet. Dieselben kommen ganz dampfend
aus dem Boden und man erzählte mir, daß die Einwohner an einigen Stellen
imstandeseien, Eier in dem Sprudel zu sieden. Uebrigens ist dieses nicht
der einzige Punkt in dem von mir bereisten Theile des Balkans, wo heiße
Quellen sich finden. Im sull Derwend (Sulipaß, i6 Stunden diesseits
Sophia) traf ich zwei Monate darnach auf eine solche, deren Wasser so Heiß
war, daß es die Hineinsteckung eines Fingers nicht gestattete. Es war
geschmacklos.

Als wir am andern Morgen Kostendil verließen, sahen wir in der kalten
Frühluft eine hohe Dampfsäule, offenbar von den heißen Sprudeln herrüh¬
rend, über der Ortschaft schweben. Wir wendeten uns jetzt in eine weite
Bergkehle hinein, in deren äußerstem Hintergrunde der Paß gelegen ist, wel¬
cher die Ebene von Sophia oder Sofia mit Macedonien verbindet. Es war
demnach sozusagen der letzte Reisetag auf classischer Erde. Unser Pfad über¬
schritt zu öfteren Malen ein von Norden gen Süden strömendes Gewässer,
welches Kara Su (Schwarzwasser) benannt und auf den Karten in Ver¬
bindung mit vielen Seen verzeichnet ist. Von letzteren nahm ich nur einen
wahr. Der Boden ist ungemein steinig , zuweilen nut einem Gerolle von losen
Urgesteintrümmern bedeckt. Dann und wann waren wir gezwungen abzu¬
steigen und unsre Pferde am Zügel zu führen. Dabei will ich bemerken, daß
diese Straße in nächster Zukunft eine große Bedeutung gewinnen kann, wenn
man eine Erpeditionsarmee oder mindestens einen Theil derselben an der
albanesischen Küste landen und von dort aus nach der Donau marschiren lassen
sollte. Sie würde dann Hauptetappenweg sein. Nur in der guten Jahres¬
zeit aber könnte sie meiner Meinung nach hierzu benutzt werden, nicht aus
Rücksichten der Gangbarkeit, sondern -- ich komme wiederholentlich darauf
zurück -- weil es an Obdach fehlt und man nichtsdestoweniger eine Truppe
im Winter nicht bivouakiren lassen kann.

In einem meiner früheren Briefe bemerkte ich bereits, daß der Balkan
eine auffallende Aehnlichkeit mit dem thüringer Waldgebirge habe. Diese
Ähnlichkeit Hort auch da nicht auf, wo er wie hier zur dreifachen Höhe des
heimatlichen Jnselberges ansteigt. (Die Gipfelhöhe des Orbelus wird näm¬
lich auf 9000 Fuß berechnet, wie ich aus der östreichischen Generalstabskarte der
europäischen Türkei ersehe). Am imposantesten tritt die Bergsormation da auf,


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Militärische Landschaftsbilder aus der Türkei.
Von Kostendll nach Rad »mir.

(Fortsetzung.)

Kostendll oder Kostend«! ist unter den vorhererwähnten Ortschaften durch
seine heißen Schwefelquellen ausgezeichnet. Dieselben kommen ganz dampfend
aus dem Boden und man erzählte mir, daß die Einwohner an einigen Stellen
imstandeseien, Eier in dem Sprudel zu sieden. Uebrigens ist dieses nicht
der einzige Punkt in dem von mir bereisten Theile des Balkans, wo heiße
Quellen sich finden. Im sull Derwend (Sulipaß, i6 Stunden diesseits
Sophia) traf ich zwei Monate darnach auf eine solche, deren Wasser so Heiß
war, daß es die Hineinsteckung eines Fingers nicht gestattete. Es war
geschmacklos.

Als wir am andern Morgen Kostendil verließen, sahen wir in der kalten
Frühluft eine hohe Dampfsäule, offenbar von den heißen Sprudeln herrüh¬
rend, über der Ortschaft schweben. Wir wendeten uns jetzt in eine weite
Bergkehle hinein, in deren äußerstem Hintergrunde der Paß gelegen ist, wel¬
cher die Ebene von Sophia oder Sofia mit Macedonien verbindet. Es war
demnach sozusagen der letzte Reisetag auf classischer Erde. Unser Pfad über¬
schritt zu öfteren Malen ein von Norden gen Süden strömendes Gewässer,
welches Kara Su (Schwarzwasser) benannt und auf den Karten in Ver¬
bindung mit vielen Seen verzeichnet ist. Von letzteren nahm ich nur einen
wahr. Der Boden ist ungemein steinig , zuweilen nut einem Gerolle von losen
Urgesteintrümmern bedeckt. Dann und wann waren wir gezwungen abzu¬
steigen und unsre Pferde am Zügel zu führen. Dabei will ich bemerken, daß
diese Straße in nächster Zukunft eine große Bedeutung gewinnen kann, wenn
man eine Erpeditionsarmee oder mindestens einen Theil derselben an der
albanesischen Küste landen und von dort aus nach der Donau marschiren lassen
sollte. Sie würde dann Hauptetappenweg sein. Nur in der guten Jahres¬
zeit aber könnte sie meiner Meinung nach hierzu benutzt werden, nicht aus
Rücksichten der Gangbarkeit, sondern — ich komme wiederholentlich darauf
zurück — weil es an Obdach fehlt und man nichtsdestoweniger eine Truppe
im Winter nicht bivouakiren lassen kann.

In einem meiner früheren Briefe bemerkte ich bereits, daß der Balkan
eine auffallende Aehnlichkeit mit dem thüringer Waldgebirge habe. Diese
Ähnlichkeit Hort auch da nicht auf, wo er wie hier zur dreifachen Höhe des
heimatlichen Jnselberges ansteigt. (Die Gipfelhöhe des Orbelus wird näm¬
lich auf 9000 Fuß berechnet, wie ich aus der östreichischen Generalstabskarte der
europäischen Türkei ersehe). Am imposantesten tritt die Bergsormation da auf,


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[0315] Militärische Landschaftsbilder aus der Türkei. Von Kostendll nach Rad »mir. (Fortsetzung.) Kostendll oder Kostend«! ist unter den vorhererwähnten Ortschaften durch seine heißen Schwefelquellen ausgezeichnet. Dieselben kommen ganz dampfend aus dem Boden und man erzählte mir, daß die Einwohner an einigen Stellen imstandeseien, Eier in dem Sprudel zu sieden. Uebrigens ist dieses nicht der einzige Punkt in dem von mir bereisten Theile des Balkans, wo heiße Quellen sich finden. Im sull Derwend (Sulipaß, i6 Stunden diesseits Sophia) traf ich zwei Monate darnach auf eine solche, deren Wasser so Heiß war, daß es die Hineinsteckung eines Fingers nicht gestattete. Es war geschmacklos. Als wir am andern Morgen Kostendil verließen, sahen wir in der kalten Frühluft eine hohe Dampfsäule, offenbar von den heißen Sprudeln herrüh¬ rend, über der Ortschaft schweben. Wir wendeten uns jetzt in eine weite Bergkehle hinein, in deren äußerstem Hintergrunde der Paß gelegen ist, wel¬ cher die Ebene von Sophia oder Sofia mit Macedonien verbindet. Es war demnach sozusagen der letzte Reisetag auf classischer Erde. Unser Pfad über¬ schritt zu öfteren Malen ein von Norden gen Süden strömendes Gewässer, welches Kara Su (Schwarzwasser) benannt und auf den Karten in Ver¬ bindung mit vielen Seen verzeichnet ist. Von letzteren nahm ich nur einen wahr. Der Boden ist ungemein steinig , zuweilen nut einem Gerolle von losen Urgesteintrümmern bedeckt. Dann und wann waren wir gezwungen abzu¬ steigen und unsre Pferde am Zügel zu führen. Dabei will ich bemerken, daß diese Straße in nächster Zukunft eine große Bedeutung gewinnen kann, wenn man eine Erpeditionsarmee oder mindestens einen Theil derselben an der albanesischen Küste landen und von dort aus nach der Donau marschiren lassen sollte. Sie würde dann Hauptetappenweg sein. Nur in der guten Jahres¬ zeit aber könnte sie meiner Meinung nach hierzu benutzt werden, nicht aus Rücksichten der Gangbarkeit, sondern — ich komme wiederholentlich darauf zurück — weil es an Obdach fehlt und man nichtsdestoweniger eine Truppe im Winter nicht bivouakiren lassen kann. In einem meiner früheren Briefe bemerkte ich bereits, daß der Balkan eine auffallende Aehnlichkeit mit dem thüringer Waldgebirge habe. Diese Ähnlichkeit Hort auch da nicht auf, wo er wie hier zur dreifachen Höhe des heimatlichen Jnselberges ansteigt. (Die Gipfelhöhe des Orbelus wird näm¬ lich auf 9000 Fuß berechnet, wie ich aus der östreichischen Generalstabskarte der europäischen Türkei ersehe). Am imposantesten tritt die Bergsormation da auf, 39*

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341580_98851/315>, abgerufen am 29.06.2024.