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Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, I. Semester. I. Band.

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katholischen Vereine zu .Wien gibt es in Deutschland bereits sechzig katholische
Gesellenvereine, die von bischöflicher Seite her mächtig favoristrt werden. Hier¬
aus läßt sich abnehmen, welch beträchtlichen Einfluß der römische Klerus auch
im Bereiche des Handwerkerstandes zu gewinnen gewußt hat.


Die Vereine der heiligen Kindheit Jesu.

Um auch die zarte
Jugend schon an die Bestrebungen zur Erweiterung der Kirche Roms zu fesseln,
zur Opferwilligkeit in späteren Jahren vorzubereiten, sie an die Influenz der
katholischen Seelsorger zu gewöhnen und ihr Scherflein für Kirchenzwecke ver¬
wenden zu können, sind diese Vereine begründet, um monatliche Kreuzerspenden
von Schulkindern entgegenzunehmen. Der Ertrag ist für Missionsangelegen¬
heiten bestimmt, namentlich um die Zahl der Bekenner des katholischen Glau¬
bens zu vermehren und durch Spendung des heiligen Taufsacraments armen
Heidenkindern, vorzugsweise in China "das Erbe der ewigen Seligkeit zuzu¬
wenden." Klerikalische Berichte geben an, daß in einer einzigen Stadt allein,
dem sogenannten schlesischen Rom, (Neisse) bereits 630 Schulkinder bei diesem
frommen Werke betheiligt sind und "Schätze für den Himmel" sich anlegen.


Die Vereine vom heiligen Vincenz.

Ein großer Eifer herrscht in
der katholischen Priesterschaft, der in den einzelnen Gemeinden sich kundgebenden
materiellen Noth entgegenzusteuern. In den Kreisen des Klerus spricht man
sich dahin aus, daß die Armuth von Jahr zu Jahr überhandnähme, daß die
größten Staatsmänner vergeblich nach Mitteln sich umsahen, dem Elende Ein¬
halt zu thun; dabei zeige sich ein schrecklicher Abfall von Gott und seiner
heiligen Religion, ein absonderlicher Unglaube und eine freche Sittenlosigkeit,
dergleichen man in früheren Zeiten nicht gekannt (?); der gläubige (!) Christ
erkenne in diesen Erscheinungen einen Zusammenhang und gelange zu der
Ueberzeugung, daß an den meisten Leiden der Zeit der Unglaube und die
Sündhaftigkeit der Menschen schuldsei, welche .die Gerechtigkeit Gottes bestrafen
müsse; diese göttliche Gerechtigkeit wolle endlich durch die härtesten Prüfungen
zum (katholischen) Glauben und zum religiösen Leben wieder zurückführen. Der
ausgesprochene Zweck der Vincenzvereine, welche, um confessionell zu reden,
mit kirchlichen Gnaden reichlich ausgestattet sind, ist, die Vereinsmitglieder in
der katholischen Frömmigkeit zu fördern und an andern armen Brüdern außer¬
halb des Vereinsverbandes Werke leiblicher und "geistlicher" Barmherzigkeit
zu üben. Unter der Obhut der Priester wirkt der Verein in Wahrheit sehr
erfolgreich für die Unterstützung Nothleidendn; wie sehr dabei Gelegenheit
vorhanden ist, die durch Noth, Krankheit und Entbehrungen aller Art gestörten
Gemüther der geistlichen Seelsorge zugänglich zu machen, leuchtet ein. Der
Arme findet bei seinem Priester nicht allein religiösen Trost, sondern auch Ab¬
hilfe der leiblichen Bedrängnisse und Linderung der Nahrungssorgen.

Aus den vorangegangenen Mittheilungen vermag man zu beurtheilen,


katholischen Vereine zu .Wien gibt es in Deutschland bereits sechzig katholische
Gesellenvereine, die von bischöflicher Seite her mächtig favoristrt werden. Hier¬
aus läßt sich abnehmen, welch beträchtlichen Einfluß der römische Klerus auch
im Bereiche des Handwerkerstandes zu gewinnen gewußt hat.


Die Vereine der heiligen Kindheit Jesu.

Um auch die zarte
Jugend schon an die Bestrebungen zur Erweiterung der Kirche Roms zu fesseln,
zur Opferwilligkeit in späteren Jahren vorzubereiten, sie an die Influenz der
katholischen Seelsorger zu gewöhnen und ihr Scherflein für Kirchenzwecke ver¬
wenden zu können, sind diese Vereine begründet, um monatliche Kreuzerspenden
von Schulkindern entgegenzunehmen. Der Ertrag ist für Missionsangelegen¬
heiten bestimmt, namentlich um die Zahl der Bekenner des katholischen Glau¬
bens zu vermehren und durch Spendung des heiligen Taufsacraments armen
Heidenkindern, vorzugsweise in China „das Erbe der ewigen Seligkeit zuzu¬
wenden." Klerikalische Berichte geben an, daß in einer einzigen Stadt allein,
dem sogenannten schlesischen Rom, (Neisse) bereits 630 Schulkinder bei diesem
frommen Werke betheiligt sind und „Schätze für den Himmel" sich anlegen.


Die Vereine vom heiligen Vincenz.

Ein großer Eifer herrscht in
der katholischen Priesterschaft, der in den einzelnen Gemeinden sich kundgebenden
materiellen Noth entgegenzusteuern. In den Kreisen des Klerus spricht man
sich dahin aus, daß die Armuth von Jahr zu Jahr überhandnähme, daß die
größten Staatsmänner vergeblich nach Mitteln sich umsahen, dem Elende Ein¬
halt zu thun; dabei zeige sich ein schrecklicher Abfall von Gott und seiner
heiligen Religion, ein absonderlicher Unglaube und eine freche Sittenlosigkeit,
dergleichen man in früheren Zeiten nicht gekannt (?); der gläubige (!) Christ
erkenne in diesen Erscheinungen einen Zusammenhang und gelange zu der
Ueberzeugung, daß an den meisten Leiden der Zeit der Unglaube und die
Sündhaftigkeit der Menschen schuldsei, welche .die Gerechtigkeit Gottes bestrafen
müsse; diese göttliche Gerechtigkeit wolle endlich durch die härtesten Prüfungen
zum (katholischen) Glauben und zum religiösen Leben wieder zurückführen. Der
ausgesprochene Zweck der Vincenzvereine, welche, um confessionell zu reden,
mit kirchlichen Gnaden reichlich ausgestattet sind, ist, die Vereinsmitglieder in
der katholischen Frömmigkeit zu fördern und an andern armen Brüdern außer¬
halb des Vereinsverbandes Werke leiblicher und „geistlicher" Barmherzigkeit
zu üben. Unter der Obhut der Priester wirkt der Verein in Wahrheit sehr
erfolgreich für die Unterstützung Nothleidendn; wie sehr dabei Gelegenheit
vorhanden ist, die durch Noth, Krankheit und Entbehrungen aller Art gestörten
Gemüther der geistlichen Seelsorge zugänglich zu machen, leuchtet ein. Der
Arme findet bei seinem Priester nicht allein religiösen Trost, sondern auch Ab¬
hilfe der leiblichen Bedrängnisse und Linderung der Nahrungssorgen.

Aus den vorangegangenen Mittheilungen vermag man zu beurtheilen,


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[0311] katholischen Vereine zu .Wien gibt es in Deutschland bereits sechzig katholische Gesellenvereine, die von bischöflicher Seite her mächtig favoristrt werden. Hier¬ aus läßt sich abnehmen, welch beträchtlichen Einfluß der römische Klerus auch im Bereiche des Handwerkerstandes zu gewinnen gewußt hat. Die Vereine der heiligen Kindheit Jesu. Um auch die zarte Jugend schon an die Bestrebungen zur Erweiterung der Kirche Roms zu fesseln, zur Opferwilligkeit in späteren Jahren vorzubereiten, sie an die Influenz der katholischen Seelsorger zu gewöhnen und ihr Scherflein für Kirchenzwecke ver¬ wenden zu können, sind diese Vereine begründet, um monatliche Kreuzerspenden von Schulkindern entgegenzunehmen. Der Ertrag ist für Missionsangelegen¬ heiten bestimmt, namentlich um die Zahl der Bekenner des katholischen Glau¬ bens zu vermehren und durch Spendung des heiligen Taufsacraments armen Heidenkindern, vorzugsweise in China „das Erbe der ewigen Seligkeit zuzu¬ wenden." Klerikalische Berichte geben an, daß in einer einzigen Stadt allein, dem sogenannten schlesischen Rom, (Neisse) bereits 630 Schulkinder bei diesem frommen Werke betheiligt sind und „Schätze für den Himmel" sich anlegen. Die Vereine vom heiligen Vincenz. Ein großer Eifer herrscht in der katholischen Priesterschaft, der in den einzelnen Gemeinden sich kundgebenden materiellen Noth entgegenzusteuern. In den Kreisen des Klerus spricht man sich dahin aus, daß die Armuth von Jahr zu Jahr überhandnähme, daß die größten Staatsmänner vergeblich nach Mitteln sich umsahen, dem Elende Ein¬ halt zu thun; dabei zeige sich ein schrecklicher Abfall von Gott und seiner heiligen Religion, ein absonderlicher Unglaube und eine freche Sittenlosigkeit, dergleichen man in früheren Zeiten nicht gekannt (?); der gläubige (!) Christ erkenne in diesen Erscheinungen einen Zusammenhang und gelange zu der Ueberzeugung, daß an den meisten Leiden der Zeit der Unglaube und die Sündhaftigkeit der Menschen schuldsei, welche .die Gerechtigkeit Gottes bestrafen müsse; diese göttliche Gerechtigkeit wolle endlich durch die härtesten Prüfungen zum (katholischen) Glauben und zum religiösen Leben wieder zurückführen. Der ausgesprochene Zweck der Vincenzvereine, welche, um confessionell zu reden, mit kirchlichen Gnaden reichlich ausgestattet sind, ist, die Vereinsmitglieder in der katholischen Frömmigkeit zu fördern und an andern armen Brüdern außer¬ halb des Vereinsverbandes Werke leiblicher und „geistlicher" Barmherzigkeit zu üben. Unter der Obhut der Priester wirkt der Verein in Wahrheit sehr erfolgreich für die Unterstützung Nothleidendn; wie sehr dabei Gelegenheit vorhanden ist, die durch Noth, Krankheit und Entbehrungen aller Art gestörten Gemüther der geistlichen Seelsorge zugänglich zu machen, leuchtet ein. Der Arme findet bei seinem Priester nicht allein religiösen Trost, sondern auch Ab¬ hilfe der leiblichen Bedrängnisse und Linderung der Nahrungssorgen. Aus den vorangegangenen Mittheilungen vermag man zu beurtheilen,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341580_98851/311>, abgerufen am 29.06.2024.