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Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, I. Semester. I. Band.

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zu bezeichnen, und da ihr Gehalt dürftig ist, so erregt zunächst diese Seite deS
Buchs eine starke Langeweile, und man begreift nicht recht, zu welchem Zweck
uns der Verfasser durch dieses endlose Chaos theils unsinniger, theils halb-
wahrer Phrasen hindurchhetzt.

Nun wird der Verfasser zwar sagen, sein Buch habe einen satyrischen
Zweck: er will nämlich die Gesinnungen der pantheistischen Hegelianer schildern
und dieselben in einer Stufenleiter verschiedener Bildung veranschaulichen. Aber
einmal ist das ein wunderliches Vorhaben, da man, um diese Gestunnngen
kennen zu lernen, ja nichts weiter zu thun hat, als den Feuerbach, den Rüge
u> s. w. aufzuschlagen. Wenn man eine Lehre, auch die man für verderblich
hält, in ihrem Grunde kennen lernen will, so muß man sich doch an die be¬
deutendsten Apostel derselben wenden, denn wenn sich Zofen oder Personen von
einer ähnlichen Bildungsstufe über eine beliebige philosophische Lehre unterhalten,
so wird daraus gewiß jedes Mal ein großer Unsinn entstehen, gleichviel ob die
Philosophie christlich oder antichristlich ist. Der Verfasser hat die Lehre, die
er dem Spott Und der Verachtung des Publicums preisgeben will, ungetreu
copirt, zum Theil wol aus böser Absicht, zum Theil aber auch aus Unfähigkeit,
einen zusammenhängenden Gedankengang festzuhalten; denn es ist charakteristisch,
baß er dem ungesunden und unreifen Gefasel, welches er für moderne Philo¬
sophie ausgibt, nicht das geringste Gegengewicht entgegenstellt. Mit Ausnahme
eines orthodoxen Fanatikers, der zu Anfang des Romans erscheint, um gleich
darauf zu verschwinden und den der Verfasser selbst als eine Mischung
von Abgeschmacktheit, gemeiner Gesinnung und Bosheit dar¬
stellt, tritt in dem ganzen Buch kein einziger Christ auf; diejenigen Per¬
sonen, die von Zeit zu Zeit Anwandlungen von Christenthum haben und die
über die moderne Philosophie den Stab brechen, sind noch viel siecher^ halt¬
loser und gebrochener, als die Philosophen selbst. In dem ganzen Buch
finden wir auch nicht eine Spur religiöser Gesinnung, wenn man
Die Schlußseite ausnimmt, wo der Verfasser plötzlich und unerwartet in religiöse
Krokodilsthränen ausbricht, die Augen zu verdrehen und zu beten anfängt.
Diese Wendung findet in dem Vorhergehenden durchaus nichts Entsprechendes,
an das sie sich anknüpfen könnte; das Buch macht vielmehr den Eindruck,'als
ob es von einem jener unreifen Köpfe geschrieben sei, welche von der jung¬
deutsch-hegelianischen Bildung verdreht wurden, so daß ihre ursprüngliche Un¬
reife'und Krankhaftigkeit handgreiflich zum Vorschein kam. Viele dieser armen
Teufel sind jetzt, wo die Redensarten an und für sich, Sein und Nicht¬
sein, :c. keine Stelle mehr einbringen, in sich gegangen und haben ihre Blasiri-
heit für Bekehrung ausgegeben. Da sie nun aber in ihrem Geist keinen an¬
dern Inhalt haben, als jene auswendig gelernten Redensarten, so wissen sie
nichts Anderes damit anzufangen, als daß sie jetzt das Nämliche, was sie


zu bezeichnen, und da ihr Gehalt dürftig ist, so erregt zunächst diese Seite deS
Buchs eine starke Langeweile, und man begreift nicht recht, zu welchem Zweck
uns der Verfasser durch dieses endlose Chaos theils unsinniger, theils halb-
wahrer Phrasen hindurchhetzt.

Nun wird der Verfasser zwar sagen, sein Buch habe einen satyrischen
Zweck: er will nämlich die Gesinnungen der pantheistischen Hegelianer schildern
und dieselben in einer Stufenleiter verschiedener Bildung veranschaulichen. Aber
einmal ist das ein wunderliches Vorhaben, da man, um diese Gestunnngen
kennen zu lernen, ja nichts weiter zu thun hat, als den Feuerbach, den Rüge
u> s. w. aufzuschlagen. Wenn man eine Lehre, auch die man für verderblich
hält, in ihrem Grunde kennen lernen will, so muß man sich doch an die be¬
deutendsten Apostel derselben wenden, denn wenn sich Zofen oder Personen von
einer ähnlichen Bildungsstufe über eine beliebige philosophische Lehre unterhalten,
so wird daraus gewiß jedes Mal ein großer Unsinn entstehen, gleichviel ob die
Philosophie christlich oder antichristlich ist. Der Verfasser hat die Lehre, die
er dem Spott Und der Verachtung des Publicums preisgeben will, ungetreu
copirt, zum Theil wol aus böser Absicht, zum Theil aber auch aus Unfähigkeit,
einen zusammenhängenden Gedankengang festzuhalten; denn es ist charakteristisch,
baß er dem ungesunden und unreifen Gefasel, welches er für moderne Philo¬
sophie ausgibt, nicht das geringste Gegengewicht entgegenstellt. Mit Ausnahme
eines orthodoxen Fanatikers, der zu Anfang des Romans erscheint, um gleich
darauf zu verschwinden und den der Verfasser selbst als eine Mischung
von Abgeschmacktheit, gemeiner Gesinnung und Bosheit dar¬
stellt, tritt in dem ganzen Buch kein einziger Christ auf; diejenigen Per¬
sonen, die von Zeit zu Zeit Anwandlungen von Christenthum haben und die
über die moderne Philosophie den Stab brechen, sind noch viel siecher^ halt¬
loser und gebrochener, als die Philosophen selbst. In dem ganzen Buch
finden wir auch nicht eine Spur religiöser Gesinnung, wenn man
Die Schlußseite ausnimmt, wo der Verfasser plötzlich und unerwartet in religiöse
Krokodilsthränen ausbricht, die Augen zu verdrehen und zu beten anfängt.
Diese Wendung findet in dem Vorhergehenden durchaus nichts Entsprechendes,
an das sie sich anknüpfen könnte; das Buch macht vielmehr den Eindruck,'als
ob es von einem jener unreifen Köpfe geschrieben sei, welche von der jung¬
deutsch-hegelianischen Bildung verdreht wurden, so daß ihre ursprüngliche Un¬
reife'und Krankhaftigkeit handgreiflich zum Vorschein kam. Viele dieser armen
Teufel sind jetzt, wo die Redensarten an und für sich, Sein und Nicht¬
sein, :c. keine Stelle mehr einbringen, in sich gegangen und haben ihre Blasiri-
heit für Bekehrung ausgegeben. Da sie nun aber in ihrem Geist keinen an¬
dern Inhalt haben, als jene auswendig gelernten Redensarten, so wissen sie
nichts Anderes damit anzufangen, als daß sie jetzt das Nämliche, was sie


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[0304] zu bezeichnen, und da ihr Gehalt dürftig ist, so erregt zunächst diese Seite deS Buchs eine starke Langeweile, und man begreift nicht recht, zu welchem Zweck uns der Verfasser durch dieses endlose Chaos theils unsinniger, theils halb- wahrer Phrasen hindurchhetzt. Nun wird der Verfasser zwar sagen, sein Buch habe einen satyrischen Zweck: er will nämlich die Gesinnungen der pantheistischen Hegelianer schildern und dieselben in einer Stufenleiter verschiedener Bildung veranschaulichen. Aber einmal ist das ein wunderliches Vorhaben, da man, um diese Gestunnngen kennen zu lernen, ja nichts weiter zu thun hat, als den Feuerbach, den Rüge u> s. w. aufzuschlagen. Wenn man eine Lehre, auch die man für verderblich hält, in ihrem Grunde kennen lernen will, so muß man sich doch an die be¬ deutendsten Apostel derselben wenden, denn wenn sich Zofen oder Personen von einer ähnlichen Bildungsstufe über eine beliebige philosophische Lehre unterhalten, so wird daraus gewiß jedes Mal ein großer Unsinn entstehen, gleichviel ob die Philosophie christlich oder antichristlich ist. Der Verfasser hat die Lehre, die er dem Spott Und der Verachtung des Publicums preisgeben will, ungetreu copirt, zum Theil wol aus böser Absicht, zum Theil aber auch aus Unfähigkeit, einen zusammenhängenden Gedankengang festzuhalten; denn es ist charakteristisch, baß er dem ungesunden und unreifen Gefasel, welches er für moderne Philo¬ sophie ausgibt, nicht das geringste Gegengewicht entgegenstellt. Mit Ausnahme eines orthodoxen Fanatikers, der zu Anfang des Romans erscheint, um gleich darauf zu verschwinden und den der Verfasser selbst als eine Mischung von Abgeschmacktheit, gemeiner Gesinnung und Bosheit dar¬ stellt, tritt in dem ganzen Buch kein einziger Christ auf; diejenigen Per¬ sonen, die von Zeit zu Zeit Anwandlungen von Christenthum haben und die über die moderne Philosophie den Stab brechen, sind noch viel siecher^ halt¬ loser und gebrochener, als die Philosophen selbst. In dem ganzen Buch finden wir auch nicht eine Spur religiöser Gesinnung, wenn man Die Schlußseite ausnimmt, wo der Verfasser plötzlich und unerwartet in religiöse Krokodilsthränen ausbricht, die Augen zu verdrehen und zu beten anfängt. Diese Wendung findet in dem Vorhergehenden durchaus nichts Entsprechendes, an das sie sich anknüpfen könnte; das Buch macht vielmehr den Eindruck,'als ob es von einem jener unreifen Köpfe geschrieben sei, welche von der jung¬ deutsch-hegelianischen Bildung verdreht wurden, so daß ihre ursprüngliche Un¬ reife'und Krankhaftigkeit handgreiflich zum Vorschein kam. Viele dieser armen Teufel sind jetzt, wo die Redensarten an und für sich, Sein und Nicht¬ sein, :c. keine Stelle mehr einbringen, in sich gegangen und haben ihre Blasiri- heit für Bekehrung ausgegeben. Da sie nun aber in ihrem Geist keinen an¬ dern Inhalt haben, als jene auswendig gelernten Redensarten, so wissen sie nichts Anderes damit anzufangen, als daß sie jetzt das Nämliche, was sie

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341580_98851/304>, abgerufen am 29.06.2024.