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Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, I. Semester. I. Band.

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kreises. Es ist nämlich klar, daß, indem die Festung einen ihrer Flügel an
den Landsee, den andern ans Meer anlehnt , der von Norden aus südwärts
operirende Feind um die ganze Längenausdehnung des Sees ausweichen müssen
wird, um seine Operationen an dem Platze vorüberzuleiten. Greift er den
letzteren selbst an, so wird er einer Flotille auf dem See bedürfen, um die
Verbindung seines Einschließungscorps herzustellen, welches andernfalls in
zwei getrennte Hälften zerfallen und aller unmittelbaren Communication ent¬
behren wird. Aber auch mit der Flotille wird der Angreifer einen schweren
Stand haben, namentlich wenn die Besatzung Warnas vermehrt werden und
auf die Stärke eines kleinen Armeecorps gebracht werden sollte, wie dies
im letzten Kriege geschehen. Alsdann läuft der Feind Gefahr, einzeln ge¬
schlagen zu werden, wogegen die Vertheidigung ihre Streitmittel stets con-
centrirt behält und außerdem die freie Verbindung mit dem Meere offen hat.

Letzterer Umstand ist ganz besonders geeignet, im gegenwärtigen Moment
das ernsteste Interesse regezumachen. Keine andere türkische Festung in Bul¬
garien, d. h. auf dem Donaukriegstheater, ist in ähnlicher Lage und kann
auf Grund derselben seewärts zu jeder Zeit unterstützt werden, wie eben diese.
Keine auch eignet sich deshalb so sehr zum großen Depotplatz, d. h. zum
Niederlagepunkt des Kriegsmaterials und aller Heereöbedürfnisse.


Nach Kostendil.

Von dem Wirth des Hans oder "Hanschi" in Palanga erfuhren wir,
daß wir bis Sophia noch drei Tagereisen zu machen hätten, von denen jede
auf "sieben gute Stunden" berechnet werden könne. Der Weg sei ziemlich
gut; hohe Berge uur noch einmal dicht vor Sophia zu übersteigen und von
Räubern oder sonstigen Gefahren keine Rede. Ich führe diesen sonst wenig
belangreichen Umstand absichtlich an, weil in neuester Zeit verschiedene Blätter
im russischen und griechischen Interesse, ob wissentlich oder absichtslos will ich
dahingestellt sein lassen, bemüht gewesen sind, die Türkei als ein von Räuber-
und Diebesbanden wimmelndes Land darzustellen. Die Wahrheit ist, daß hier
wie allerwärts unter der Sonne Uebelthaten geschehen; daß solche in ver¬
schiedenen Gegenden, unter andern in Konstantinopel selbst, häufiger als sonst
vorkommen, daß aber dagegen auch von ganzen Provinzen, namentlich seit
langer Zeit schon von Bulgarien, dem nordwestlichen Rumelien und Serbien
die Sicherheit auf den Landstraßen sehr gerühmt werden kann. Dieses ist
nicht ein bloßes Oh'ngefähr, sondern die Wirkung des einsichtigen Bemühens
der Regierung, Leben und Eigenthum ihrer Unterthanen gegen jede Gewalt¬
that sicherzustellen. Auf dem Lande wie in den Städten wird die Polizeigewalt


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kreises. Es ist nämlich klar, daß, indem die Festung einen ihrer Flügel an
den Landsee, den andern ans Meer anlehnt , der von Norden aus südwärts
operirende Feind um die ganze Längenausdehnung des Sees ausweichen müssen
wird, um seine Operationen an dem Platze vorüberzuleiten. Greift er den
letzteren selbst an, so wird er einer Flotille auf dem See bedürfen, um die
Verbindung seines Einschließungscorps herzustellen, welches andernfalls in
zwei getrennte Hälften zerfallen und aller unmittelbaren Communication ent¬
behren wird. Aber auch mit der Flotille wird der Angreifer einen schweren
Stand haben, namentlich wenn die Besatzung Warnas vermehrt werden und
auf die Stärke eines kleinen Armeecorps gebracht werden sollte, wie dies
im letzten Kriege geschehen. Alsdann läuft der Feind Gefahr, einzeln ge¬
schlagen zu werden, wogegen die Vertheidigung ihre Streitmittel stets con-
centrirt behält und außerdem die freie Verbindung mit dem Meere offen hat.

Letzterer Umstand ist ganz besonders geeignet, im gegenwärtigen Moment
das ernsteste Interesse regezumachen. Keine andere türkische Festung in Bul¬
garien, d. h. auf dem Donaukriegstheater, ist in ähnlicher Lage und kann
auf Grund derselben seewärts zu jeder Zeit unterstützt werden, wie eben diese.
Keine auch eignet sich deshalb so sehr zum großen Depotplatz, d. h. zum
Niederlagepunkt des Kriegsmaterials und aller Heereöbedürfnisse.


Nach Kostendil.

Von dem Wirth des Hans oder „Hanschi" in Palanga erfuhren wir,
daß wir bis Sophia noch drei Tagereisen zu machen hätten, von denen jede
auf „sieben gute Stunden" berechnet werden könne. Der Weg sei ziemlich
gut; hohe Berge uur noch einmal dicht vor Sophia zu übersteigen und von
Räubern oder sonstigen Gefahren keine Rede. Ich führe diesen sonst wenig
belangreichen Umstand absichtlich an, weil in neuester Zeit verschiedene Blätter
im russischen und griechischen Interesse, ob wissentlich oder absichtslos will ich
dahingestellt sein lassen, bemüht gewesen sind, die Türkei als ein von Räuber-
und Diebesbanden wimmelndes Land darzustellen. Die Wahrheit ist, daß hier
wie allerwärts unter der Sonne Uebelthaten geschehen; daß solche in ver¬
schiedenen Gegenden, unter andern in Konstantinopel selbst, häufiger als sonst
vorkommen, daß aber dagegen auch von ganzen Provinzen, namentlich seit
langer Zeit schon von Bulgarien, dem nordwestlichen Rumelien und Serbien
die Sicherheit auf den Landstraßen sehr gerühmt werden kann. Dieses ist
nicht ein bloßes Oh'ngefähr, sondern die Wirkung des einsichtigen Bemühens
der Regierung, Leben und Eigenthum ihrer Unterthanen gegen jede Gewalt¬
that sicherzustellen. Auf dem Lande wie in den Städten wird die Polizeigewalt


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341580_98851/275>, abgerufen am 26.06.2024.