Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, I. Semester. I. Band. Und herrlich, . . aber hocherröthet! zürnend mir! Dann auch von unsern Kindern sang ich noch bethört -- Und plötzlich sprangen sie im Saale laut und froh! Doch da mein künftig Weib ja doch noch Jungfrau war -- Erbleichte sie vor Scham und sank gestorben hin. Da zürnt ich Hera, zürnte allen Göttern schwer, Die, mich an ihre Tafel ladend, nur verhöhnt, Und nach dem Tode meiner Fran ich selbst wie todt, Und keine Götter achtend, sang ich stolz ein Lied, Worin die Götter sterben und sie Nacht bedeckt. Und so geschahs vor meinen Angen: Jeder Gott Erbleichte, jede Göttin starb. Und alle todt Umhüllte Finsterniß, daß Grausen mich ergriff. Da tappt ich noch nach Weib und Kindern angsterstickt Umsonst! Nur todte, kalte Götter faßt ich an! Lautschreicnd nach den Meinen, weckt ich selbst mich aus Und die Moral, die aus diesen Heineschen Phantasten gezogen wird, ist So geht es jedem, den die selber arme-Schar Der Götter, willenlos an ihre Tafel zieht -- Den goldnen Lebenstisch! Gesang er schafft umher Uns unsern Traum lebendig; und die Liebe schafft Ihn süß. -- Du, liebe heut! und lebst du morgen noch, So liebe morgen, frei und treu, nie menschenscheu; Denn morgen sind sie... bist du . . . sind die Götter todt. Diese Poesie ist nichts Anderes, als ein geistiger Opiumrausch, dessen Und herrlich, . . aber hocherröthet! zürnend mir! Dann auch von unsern Kindern sang ich noch bethört — Und plötzlich sprangen sie im Saale laut und froh! Doch da mein künftig Weib ja doch noch Jungfrau war — Erbleichte sie vor Scham und sank gestorben hin. Da zürnt ich Hera, zürnte allen Göttern schwer, Die, mich an ihre Tafel ladend, nur verhöhnt, Und nach dem Tode meiner Fran ich selbst wie todt, Und keine Götter achtend, sang ich stolz ein Lied, Worin die Götter sterben und sie Nacht bedeckt. Und so geschahs vor meinen Angen: Jeder Gott Erbleichte, jede Göttin starb. Und alle todt Umhüllte Finsterniß, daß Grausen mich ergriff. Da tappt ich noch nach Weib und Kindern angsterstickt Umsonst! Nur todte, kalte Götter faßt ich an! Lautschreicnd nach den Meinen, weckt ich selbst mich aus Und die Moral, die aus diesen Heineschen Phantasten gezogen wird, ist So geht es jedem, den die selber arme-Schar Der Götter, willenlos an ihre Tafel zieht — Den goldnen Lebenstisch! Gesang er schafft umher Uns unsern Traum lebendig; und die Liebe schafft Ihn süß. — Du, liebe heut! und lebst du morgen noch, So liebe morgen, frei und treu, nie menschenscheu; Denn morgen sind sie... bist du . . . sind die Götter todt. 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Weil sich alle seine Realität in den Nebelduft<lb/> des Traums einhüllt, weil Ursache und Wirkung, Schuld und Schicksal nie<lb/> in einen bestimmten Gegensatz treten, fehlt seinen Gemälden jene organische<lb/> Gruppirung, welche die Phantasie zwingend mit sich fortführt. Wenn nach<lb/> seinem Lieblingsbild die Memnonssciule, von den Strahlen der Sonne an¬<lb/> gehaucht, plötzlich in Töne ausbricht, um den Sinn der Gestirne zu erfüllen,<lb/> so ist das nicht eine von innen heraus tönende Stimme, nicht ein Ausdruck<lb/> des Geistes, sondern eine mystische Naturbeziehung, die vom Traume ausgeht<lb/> und wieder zum Traume zurückführt. Wenn sich der Dichter, wie z. B. im</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0026]
Und herrlich, . . aber hocherröthet! zürnend mir!
Dann auch von unsern Kindern sang ich noch bethört —
Und plötzlich sprangen sie im Saale laut und froh!
Doch da mein künftig Weib ja doch noch Jungfrau war —
Erbleichte sie vor Scham und sank gestorben hin.
Da zürnt ich Hera, zürnte allen Göttern schwer,
Die, mich an ihre Tafel ladend, nur verhöhnt,
Und nach dem Tode meiner Fran ich selbst wie todt,
Und keine Götter achtend, sang ich stolz ein Lied,
Worin die Götter sterben und sie Nacht bedeckt.
Und so geschahs vor meinen Angen: Jeder Gott
Erbleichte, jede Göttin starb. Und alle todt
Umhüllte Finsterniß, daß Grausen mich ergriff.
Da tappt ich noch nach Weib und Kindern angsterstickt
Umsonst! Nur todte, kalte Götter faßt ich an!
Lautschreicnd nach den Meinen, weckt ich selbst mich aus
Und die Moral, die aus diesen Heineschen Phantasten gezogen wird, ist
zwar entschieden gegen jene Transscendenz gerichtet, aber hat doch anch nur
den Schein des Lebens.
So geht es jedem, den die selber arme-Schar
Der Götter, willenlos an ihre Tafel zieht —
Den goldnen Lebenstisch! Gesang er schafft umher
Uns unsern Traum lebendig; und die Liebe schafft
Ihn süß. — Du, liebe heut! und lebst du morgen noch,
So liebe morgen, frei und treu, nie menschenscheu;
Denn morgen sind sie... bist du . . . sind die Götter todt.
Diese Poesie ist nichts Anderes, als ein geistiger Opiumrausch, dessen
glänzend schimmernde Bewegung aus dem wilden Fieber einer krankhaft erregten
Sinnlichkeit hervorgeht. Liebe und Schlaf sind die beiden Güter, nach denen
sich Hafis in seinen Irrfahrten sehnt, die ihn von dem verhaßten Licht befreien
sollen, welches ihm harte, bestimmte Gestalten entgegenführt. Für den aus¬
übenden Künstler ist diese Stimmung gefährlich, denn in seine Zeichnung kommt
dadurch etwas Verwaschenes. Weil sich alle seine Realität in den Nebelduft
des Traums einhüllt, weil Ursache und Wirkung, Schuld und Schicksal nie
in einen bestimmten Gegensatz treten, fehlt seinen Gemälden jene organische
Gruppirung, welche die Phantasie zwingend mit sich fortführt. Wenn nach
seinem Lieblingsbild die Memnonssciule, von den Strahlen der Sonne an¬
gehaucht, plötzlich in Töne ausbricht, um den Sinn der Gestirne zu erfüllen,
so ist das nicht eine von innen heraus tönende Stimme, nicht ein Ausdruck
des Geistes, sondern eine mystische Naturbeziehung, die vom Traume ausgeht
und wieder zum Traume zurückführt. Wenn sich der Dichter, wie z. B. im
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