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Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, I. Semester. I. Band.

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in der fraglichen Region zu zerbrechen und die Stromlaufe des Riemen und
Bog (Bug) für die Zukunft zu Preußens Ostgrenzcn zu macheu.

Wir wollen und können die Hoffnung noch nicht aufgeben, daß Preußen
in den nächsten Monaten die Nothwendigkeit seiner Betheiligung in diesem
Sinne an dem großen Kampfe erkennen und die dynastischen Familieninteressen
wie sich gebührt -- zumal sie nur secundärer und vorübergehender Natur sind
-- hintansetzend, der lauten Stimme nachgeben wird, welche in den Orga¬
nen der öffentlichen Meinung aus einen Krieg gegen Rußland zur Retablirung
der preußischen Macht im Osten immer dringender hinweist. Noch hat dieses
Königreich und großherzige Volk, noch Deutschland in Preußen eine große
Zukunft vor sich, noch darf es hoffen -- aber von, dem Ausgange des eben
entsponnenen Kampfes wird es abhängen, ob diese Hoffnungen sich verwirk¬
lichen sollen. Passives Zuschauen heißt mehr als neutral bleiben, heißt Ru߬
land einen Schild schaffen, der es nach der Richtung hin deckt, wo.sein Leben
getroffen werden könnte; passives Zuschauen heißt die einzige Gelegenheit
vorübergehen lassen, in der Preußen das zurückgewinnen könnte, was es nim¬
mer in die Hände eines Erbfeindes des deutschen Namens hätte gerathen
lassen sollen, heißt der Prophezeiung eine neue Chance verleihen, welche der
sterbende Heros auf Se. Helena als europäische Cassandra sprach:

"nach fünfzig Jahren wird Europa kosackisch sein."




Leopold Schefer.

Hafis in Hellas. Von einem Hadschi. Hamburg, Hoffmann u. Campe. --Koran
der Liebe nebst kleiner Sunna. Von L. Schefer. Hamburg, Hoffmann u.
Campe. -- Hansreden. Von L. Schefer. Dessau, Katz. --

Mit nicht geringer Theilnahme haben wir die neuesten Werke des' greisen
Dichters angesehen, der in seinem 70. Jahr noch mit der ganzen Innigkeit der
Jugend seinen alten Träumen nachhängt und für die Melodien, die ihn früher
bewegten, noch immer die anmuthigsten Variationen zu finden weiß. Im
innersten Kerne seines Denkens, Empfindens und Schaffens zeigt sich bei
Schefer fast gar keine Entwicklung. Wir können die Dichtungen, mit denen
er im Jahre 1811 zuerst auftrat, unbefangen neben die des gegenwärtigen
Jahres stellen, und wir werde)! den Abstand nicht groß finden; ja wir werden
kaum jenen Unterschied des Alters merken, der, auch wo das Wesen dasselbe
bleibt, wenigstens den Grad vermehrt oder vermindert. Wir haben uns schon
mehrfach mit dem Dichter beschäftigt, nicht aus Sympathie für seinen Inhalt,
sondern wie man einer durchaus fremden Erscheinung immer von neuem ent-


in der fraglichen Region zu zerbrechen und die Stromlaufe des Riemen und
Bog (Bug) für die Zukunft zu Preußens Ostgrenzcn zu macheu.

Wir wollen und können die Hoffnung noch nicht aufgeben, daß Preußen
in den nächsten Monaten die Nothwendigkeit seiner Betheiligung in diesem
Sinne an dem großen Kampfe erkennen und die dynastischen Familieninteressen
wie sich gebührt — zumal sie nur secundärer und vorübergehender Natur sind
— hintansetzend, der lauten Stimme nachgeben wird, welche in den Orga¬
nen der öffentlichen Meinung aus einen Krieg gegen Rußland zur Retablirung
der preußischen Macht im Osten immer dringender hinweist. Noch hat dieses
Königreich und großherzige Volk, noch Deutschland in Preußen eine große
Zukunft vor sich, noch darf es hoffen — aber von, dem Ausgange des eben
entsponnenen Kampfes wird es abhängen, ob diese Hoffnungen sich verwirk¬
lichen sollen. Passives Zuschauen heißt mehr als neutral bleiben, heißt Ru߬
land einen Schild schaffen, der es nach der Richtung hin deckt, wo.sein Leben
getroffen werden könnte; passives Zuschauen heißt die einzige Gelegenheit
vorübergehen lassen, in der Preußen das zurückgewinnen könnte, was es nim¬
mer in die Hände eines Erbfeindes des deutschen Namens hätte gerathen
lassen sollen, heißt der Prophezeiung eine neue Chance verleihen, welche der
sterbende Heros auf Se. Helena als europäische Cassandra sprach:

„nach fünfzig Jahren wird Europa kosackisch sein."




Leopold Schefer.

Hafis in Hellas. Von einem Hadschi. Hamburg, Hoffmann u. Campe. —Koran
der Liebe nebst kleiner Sunna. Von L. Schefer. Hamburg, Hoffmann u.
Campe. — Hansreden. Von L. Schefer. Dessau, Katz. —

Mit nicht geringer Theilnahme haben wir die neuesten Werke des' greisen
Dichters angesehen, der in seinem 70. Jahr noch mit der ganzen Innigkeit der
Jugend seinen alten Träumen nachhängt und für die Melodien, die ihn früher
bewegten, noch immer die anmuthigsten Variationen zu finden weiß. Im
innersten Kerne seines Denkens, Empfindens und Schaffens zeigt sich bei
Schefer fast gar keine Entwicklung. Wir können die Dichtungen, mit denen
er im Jahre 1811 zuerst auftrat, unbefangen neben die des gegenwärtigen
Jahres stellen, und wir werde)! den Abstand nicht groß finden; ja wir werden
kaum jenen Unterschied des Alters merken, der, auch wo das Wesen dasselbe
bleibt, wenigstens den Grad vermehrt oder vermindert. Wir haben uns schon
mehrfach mit dem Dichter beschäftigt, nicht aus Sympathie für seinen Inhalt,
sondern wie man einer durchaus fremden Erscheinung immer von neuem ent-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341580_98851/20>, abgerufen am 26.06.2024.