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Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, I. Semester. I. Band.

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es doch ausreichend, und seine Sorgfalt in der Auswahl des Materials ersetzt,
was ihm an eigenthümlicher Farbe abgeht. Nirgend sucht er seine persönliche
Vorliebe geltendzumachen, nirgend gestattet er den Bedenken, die vielleicht
aus seiner Stellung entspringen könnten, Einfluß auf sein Urtheil. Man
kann sich seiner Führung mit Sicherheit anvertrauen.

Das Werk kann ziemlich umfangreich werden. Der erste Band, der doch
nur bis zum Ablauf des Waffenstillstands vom i. Juni geht, ist über 700
Seiten stark. Allein wenn irgendein Gegenstand verdient, die Aufmerksamkeit
des gröfiern Publicums auf eine strengere Art in Anspruch zu nehmen, als
die gewöhnliche historische Lectüre es thut, so ist es die Zeit der Freiheitskriege.
Es muß dahin kommen, daß das gesammte Volk mit allen einzelnen Bewegungen
jener Jahre so genau bekannt ist, als mit den Zeiten, die es selbst erlebt und
durchgemacht hat. --

Die deutsche Kaisergeschichte von Giesebrecht verfolgt ebenso wie
das vorige Werk einen patriotischen Zweck und ist nicht für den Gelehrten von
Fach, sondern für das größere Publicum geschrieben. Der Verfasser will durch
eine-lebendige Darstellung derjenigen Periode, in welcher dje deutsche Einheit
etwas mehr war, als eine bloße Idee, d. h. der Zeit von Otto dem Großen
bis auf den Untergang der Hohenstaufen, der Idee des Reichs gerecht werden,
dagegen das Vorhergehende und Nachfolgende nur skizziren. Das Unternehmen
verdient umsomehr Beifall, da durch Herausgabe'der wichtigsten Documente in
den letzten Jahren und durch zahlreiche monographische Forschungen ein so
überreiches Material gewonnen ist, daß eine Verarbeitung desselben als ein
dringendes Bedürfniß erscheint. Ueber die Ausführung können wir nach der
ersten Lieferung, die uns vorliegt, obgleich sie schon ziemlich ausführlich ist,
doch noch kein Urtheil abgeben, da der Verfasser noch nicht weit über die
Einleitung hinausgekommen ist. Sie geht nämlich bis zur Mitte der Regierung
Otto des Großen. Nur auf zweierlei möchten wir den Verfasser im Interesse
seines Werks aufmerksam machen. Nach der Anzeige soll das Werk in drei
Bänden erscheinen, jeder Band zu ungefähr vierzig Bogen. Es ist das nach
unsrer Ansicht schon das Mein'nun für ein Buch von populärem Charakter,
welches sich mit einem bereits mehrfach behandelten Gegenstand beschäftigt.
Freilich wird die Unternehmung nur dann Gedeihen haben, wenn ihr das
gründlichste und umfangreichste Quellenstudium vorausgeht; aber der Verfasser
möge ja nicht unternehmen, uns mit allen seinen Studien bekannt zu machen,
denn der Umfang würde damit weit über das vorgesteckte Ziel hinausgehen.
Eine kritisch vollständige Verarbeitung der bisherigen Quellen würde doch in
einer andern, strenger wissenschaftlichen Form geschehen müssen. Der Verfasser
einer populären Geschichte muß zwar über eine unübersehbare Fülle von Detail
gebieten, um für jeden bestimmten Fall einen charakteristischen Zug zur Hand


es doch ausreichend, und seine Sorgfalt in der Auswahl des Materials ersetzt,
was ihm an eigenthümlicher Farbe abgeht. Nirgend sucht er seine persönliche
Vorliebe geltendzumachen, nirgend gestattet er den Bedenken, die vielleicht
aus seiner Stellung entspringen könnten, Einfluß auf sein Urtheil. Man
kann sich seiner Führung mit Sicherheit anvertrauen.

Das Werk kann ziemlich umfangreich werden. Der erste Band, der doch
nur bis zum Ablauf des Waffenstillstands vom i. Juni geht, ist über 700
Seiten stark. Allein wenn irgendein Gegenstand verdient, die Aufmerksamkeit
des gröfiern Publicums auf eine strengere Art in Anspruch zu nehmen, als
die gewöhnliche historische Lectüre es thut, so ist es die Zeit der Freiheitskriege.
Es muß dahin kommen, daß das gesammte Volk mit allen einzelnen Bewegungen
jener Jahre so genau bekannt ist, als mit den Zeiten, die es selbst erlebt und
durchgemacht hat. —

Die deutsche Kaisergeschichte von Giesebrecht verfolgt ebenso wie
das vorige Werk einen patriotischen Zweck und ist nicht für den Gelehrten von
Fach, sondern für das größere Publicum geschrieben. Der Verfasser will durch
eine-lebendige Darstellung derjenigen Periode, in welcher dje deutsche Einheit
etwas mehr war, als eine bloße Idee, d. h. der Zeit von Otto dem Großen
bis auf den Untergang der Hohenstaufen, der Idee des Reichs gerecht werden,
dagegen das Vorhergehende und Nachfolgende nur skizziren. Das Unternehmen
verdient umsomehr Beifall, da durch Herausgabe'der wichtigsten Documente in
den letzten Jahren und durch zahlreiche monographische Forschungen ein so
überreiches Material gewonnen ist, daß eine Verarbeitung desselben als ein
dringendes Bedürfniß erscheint. Ueber die Ausführung können wir nach der
ersten Lieferung, die uns vorliegt, obgleich sie schon ziemlich ausführlich ist,
doch noch kein Urtheil abgeben, da der Verfasser noch nicht weit über die
Einleitung hinausgekommen ist. Sie geht nämlich bis zur Mitte der Regierung
Otto des Großen. Nur auf zweierlei möchten wir den Verfasser im Interesse
seines Werks aufmerksam machen. Nach der Anzeige soll das Werk in drei
Bänden erscheinen, jeder Band zu ungefähr vierzig Bogen. Es ist das nach
unsrer Ansicht schon das Mein'nun für ein Buch von populärem Charakter,
welches sich mit einem bereits mehrfach behandelten Gegenstand beschäftigt.
Freilich wird die Unternehmung nur dann Gedeihen haben, wenn ihr das
gründlichste und umfangreichste Quellenstudium vorausgeht; aber der Verfasser
möge ja nicht unternehmen, uns mit allen seinen Studien bekannt zu machen,
denn der Umfang würde damit weit über das vorgesteckte Ziel hinausgehen.
Eine kritisch vollständige Verarbeitung der bisherigen Quellen würde doch in
einer andern, strenger wissenschaftlichen Form geschehen müssen. Der Verfasser
einer populären Geschichte muß zwar über eine unübersehbare Fülle von Detail
gebieten, um für jeden bestimmten Fall einen charakteristischen Zug zur Hand


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341580_98851/102>, abgerufen am 29.06.2024.