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Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, I. Semester. I. Band.

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ein, und wen" wir auch über einzelne Punkte noch immer Aufschlüsse und
Erklärungen erwarten müssen, so sind die Grundlinien des Gemäldes hin¬
länglich festgestellt, und eS ist daher wol an der Zeit, an eine wirkliche Aus¬
führung des Unternehmens zu denken.

Ein gebildeter Offizier würde am besten im Stande sein, das Gemälde so
auszuführen, das; es zugleich für die Zukunft Nutzen bringt; aber freilich wird
die Zahl der Offiziere, die, abgesehen von ihrer technischen Durchbildung, auch
das richtige politische Verständniß mitbringen, nicht übertrieben groß sein. Die
schöne Zeit, wo die preußische Armee so viele glänzende Persönlichkeiten in
ihren Reihen zählte, die sich dreist als ebenbürtig neben die geistigen Führer
der Nation stellen konnten, ist lange vorüber. Der lange Friede und die
revolutionären Bestrebungen jener Zeit haben in ven größten Theil des
Offizierftandcs eine Gesinnung hervorgerufen, die mit einem geschichtliche"
Werk unvereinbar ist. Um so erfreulicher war es für uns, hier einem ge¬
bildeten und tüchtigen Offizier zu begegnen, der mit klarer Einsicht und warmer
Gesinnung die Sache der Freiheit vertritt, der aufrichtig und energisch die
Heldenthaten unsres Volks gegen die Franzosen anfühlt, und der deshalb
doch nicht in einen blinden Fwnzosenhaß verfällt; im Gegentheil hebt er schon
in der Einleitung, so lebhast er die Unsittlichkeit des gesammten Napoleonschen
Regiments empfindet, dennoch die Umstände sehr deutlich hervor, die es uns
erklären, daß dieses Gefühl sich nur ganz allmälig im deutschen Volke ent¬
wickeln konnte. Die Grundlagen und Voraussetzungen jenes französischen
Weltreichs waren verwerflich, aber sie hatten dabei etwas Großes und Jm-
Ponirendes, das die Menge fesseln mußte, und die deutschen Institutionen
waren nicht von der Art, die augenscheinlichen Vorzüge der französische" Ver¬
waltung i" Schatte" zu stellen.

Es versteht sich von selbst, daß die Darstellung der militärischen Operationen
den eigentlichen Kern des Werkes bildet. Schon darin liegt ein großes Ver¬
dienst, daß man nun das Material, welches man bis dahin in verschiedenen
Schriften zusammensuchen mußte, so gedrängt als möglich, für die Fassungskraft
mich Laien berechnet, und von einen: einheitlichen Gesichtspunkte betrachtet,
zusammenfindet. Allein wir billigen es vollkommen, daß der Verfasser dabei
nicht stehen geblieben ist, sondern die Gesammtheit der politischen Ereignisse
>" seinen Gesichtskreis gezogen hat. Denn wenn auch in dieser Beziehung
nichts wesentlich Neues gesagt ist, so war doch diese Zusammenstellung noth¬
wendig, um den Gang des Krieges klar zu machen.

Der Verfasser hat sich bemüht, von den bedeutenden Persönlichkeiten, die
sür die Befreiung Deutschlands wirkten, am geeigneten Ort, wo sie zuerst her¬
vortreten, ein im einzelnen ausgeführtes Bildniß zu entwerfen. Wenn auch
sein Talent zu charakterisieren nicht grade glänzend genannt werden kann, so ist


ein, und wen» wir auch über einzelne Punkte noch immer Aufschlüsse und
Erklärungen erwarten müssen, so sind die Grundlinien des Gemäldes hin¬
länglich festgestellt, und eS ist daher wol an der Zeit, an eine wirkliche Aus¬
führung des Unternehmens zu denken.

Ein gebildeter Offizier würde am besten im Stande sein, das Gemälde so
auszuführen, das; es zugleich für die Zukunft Nutzen bringt; aber freilich wird
die Zahl der Offiziere, die, abgesehen von ihrer technischen Durchbildung, auch
das richtige politische Verständniß mitbringen, nicht übertrieben groß sein. Die
schöne Zeit, wo die preußische Armee so viele glänzende Persönlichkeiten in
ihren Reihen zählte, die sich dreist als ebenbürtig neben die geistigen Führer
der Nation stellen konnten, ist lange vorüber. Der lange Friede und die
revolutionären Bestrebungen jener Zeit haben in ven größten Theil des
Offizierftandcs eine Gesinnung hervorgerufen, die mit einem geschichtliche»
Werk unvereinbar ist. Um so erfreulicher war es für uns, hier einem ge¬
bildeten und tüchtigen Offizier zu begegnen, der mit klarer Einsicht und warmer
Gesinnung die Sache der Freiheit vertritt, der aufrichtig und energisch die
Heldenthaten unsres Volks gegen die Franzosen anfühlt, und der deshalb
doch nicht in einen blinden Fwnzosenhaß verfällt; im Gegentheil hebt er schon
in der Einleitung, so lebhast er die Unsittlichkeit des gesammten Napoleonschen
Regiments empfindet, dennoch die Umstände sehr deutlich hervor, die es uns
erklären, daß dieses Gefühl sich nur ganz allmälig im deutschen Volke ent¬
wickeln konnte. Die Grundlagen und Voraussetzungen jenes französischen
Weltreichs waren verwerflich, aber sie hatten dabei etwas Großes und Jm-
Ponirendes, das die Menge fesseln mußte, und die deutschen Institutionen
waren nicht von der Art, die augenscheinlichen Vorzüge der französische» Ver¬
waltung i» Schatte» zu stellen.

Es versteht sich von selbst, daß die Darstellung der militärischen Operationen
den eigentlichen Kern des Werkes bildet. Schon darin liegt ein großes Ver¬
dienst, daß man nun das Material, welches man bis dahin in verschiedenen
Schriften zusammensuchen mußte, so gedrängt als möglich, für die Fassungskraft
mich Laien berechnet, und von einen: einheitlichen Gesichtspunkte betrachtet,
zusammenfindet. Allein wir billigen es vollkommen, daß der Verfasser dabei
nicht stehen geblieben ist, sondern die Gesammtheit der politischen Ereignisse
>» seinen Gesichtskreis gezogen hat. Denn wenn auch in dieser Beziehung
nichts wesentlich Neues gesagt ist, so war doch diese Zusammenstellung noth¬
wendig, um den Gang des Krieges klar zu machen.

Der Verfasser hat sich bemüht, von den bedeutenden Persönlichkeiten, die
sür die Befreiung Deutschlands wirkten, am geeigneten Ort, wo sie zuerst her¬
vortreten, ein im einzelnen ausgeführtes Bildniß zu entwerfen. Wenn auch
sein Talent zu charakterisieren nicht grade glänzend genannt werden kann, so ist


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341580_98851/101>, abgerufen am 26.06.2024.