Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, II. Semester. IV. Band.Concerte bringen manches neue Werk zur Aufführung. So hörten wir in Aehnlicher Art war ein Concertcyklus, den die Herren Radecke, Grün- Concerte bringen manches neue Werk zur Aufführung. So hörten wir in Aehnlicher Art war ein Concertcyklus, den die Herren Radecke, Grün- <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0092" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/100546"/> <p xml:id="ID_279" prev="#ID_278"> Concerte bringen manches neue Werk zur Aufführung. So hörten wir in<lb/> diesem Jahr ein Trio von Marschner (DmoU), fließend und melodiös, aber<lb/> etwas opernmäßig, eins von Stahlknecht (it8cor), das durch sehr gute Arbeit<lb/> hervorragte, eins von Kiel (IZ5 Zur), einem noch jungen Componisten, das eben¬<lb/> falls von großem Geschick und ernstem Wollen zeigte, aber nicht voll und breit<lb/> genug in der Anlage war, und ein recht achtungswerthes von Schliebner. —<lb/> Eine Combination von Claviertrios und Streichquartetten hatte endlich noch<lb/> der Kammermusikus Bimbach in drei Concerten versucht. Auch hier war die<lb/> Ausführung befriedigend; doch gelang es ihm bis jetzt nicht, ein neues Publi-<lb/> cum sich zu bilden.</p><lb/> <p xml:id="ID_280" next="#ID_281"> Aehnlicher Art war ein Concertcyklus, den die Herren Radecke, Grün-<lb/> wald und v. d. Osten unternommen hatten. Herr Radecke ist Clavier-<lb/> spieler, nicht eigentlich Virtuos auf seinem Instrument, aber auch frei von<lb/> den Fehlern der Virtuosität; er gibt uns die Sache nicht mit allem Glanz,<lb/> deren sie fähig, aber in ihren wesentlichen Hauptzügen. Herr Grünwald ist<lb/> ein beliebter Violinspieler, beliebt namentlich durch die Weichheit und Innig¬<lb/> keit seines Spiels, die er freilich etwas zu einseitig ausgebildet hat. Herr<lb/> v. d. Osten leistet in dem Vortrag kleiner, zierlicher Lieder Vorzügliches, doch<lb/> sind sowol seiner Stimme, als seinem Darstellungsvermögen enge Grenzen ge¬<lb/> zogen. Die von diesen Herren veranstalteten Concerte fanden lebendige Theil¬<lb/> nahme und machten sich derselben werth, theils durch die Sorgsamkeit der<lb/> Ausführung, theils dadurch, daß sie ihre Aufmerksamkeit auf Werke richteten,<lb/> die neu oder selten gehört waren. Zu erster» rechnen wir eine Sonate von<lb/> Gabe für Clavier und Violine, die Frühlingsphantasie von Gabe, ein Duo<lb/> für Clavier und Violine von Bargiel, einem jungen, im Stile Schumanns<lb/> schreibenden und jedenfalls ernst strebenden Componisten, Variationen für zwei<lb/> Claviere von Schumann. Auch die OmoU-Sonate von Beethoven (0p. III.), die<lb/> Herr Radecke mit großer Fertigkeit und lebendiger Auffassung spielte, ist unsers<lb/> Wissens noch niemals in Berlin öffentlich gehört worden und es gehörte ein<lb/> anerkennenswerther Muth dazu, zuerst etwas der Art zu wagen. Das große<lb/> Octett von Schubert für Streich- und Blasinstrumente, ein Werk freilich von<lb/> etwas zerfließender Weichlichkeit und mit nicht durchweg richtiger Mischung der<lb/> Instrumente, aber doch in seiner Art von großem Reiz der Erfindung und tief<lb/> gefühlvoll, kam ebenfalls in diesen Concerten zuerst zur Aufführung. Häufiger,<lb/> obschon auch selten berücksichtigt, ist das Clavierquartett von Schumann lksclur),<lb/> dessen erster Satz durch die Kraft der Gedanken und die klar verständige Ent¬<lb/> wicklung als ein Meisterstück gelten kann, während in den spätern die Phan¬<lb/> tasie bisweilen überwuchert. Zu dem Interessantesten aber, was diese Concerte<lb/> brachten, gehört das Streichquintett von Schubert, eins der genialsten Werke<lb/> dieses Meisters, fesselnd namentlich durch die Eigenthümlichkeit der Melodie,</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0092]
Concerte bringen manches neue Werk zur Aufführung. So hörten wir in
diesem Jahr ein Trio von Marschner (DmoU), fließend und melodiös, aber
etwas opernmäßig, eins von Stahlknecht (it8cor), das durch sehr gute Arbeit
hervorragte, eins von Kiel (IZ5 Zur), einem noch jungen Componisten, das eben¬
falls von großem Geschick und ernstem Wollen zeigte, aber nicht voll und breit
genug in der Anlage war, und ein recht achtungswerthes von Schliebner. —
Eine Combination von Claviertrios und Streichquartetten hatte endlich noch
der Kammermusikus Bimbach in drei Concerten versucht. Auch hier war die
Ausführung befriedigend; doch gelang es ihm bis jetzt nicht, ein neues Publi-
cum sich zu bilden.
Aehnlicher Art war ein Concertcyklus, den die Herren Radecke, Grün-
wald und v. d. Osten unternommen hatten. Herr Radecke ist Clavier-
spieler, nicht eigentlich Virtuos auf seinem Instrument, aber auch frei von
den Fehlern der Virtuosität; er gibt uns die Sache nicht mit allem Glanz,
deren sie fähig, aber in ihren wesentlichen Hauptzügen. Herr Grünwald ist
ein beliebter Violinspieler, beliebt namentlich durch die Weichheit und Innig¬
keit seines Spiels, die er freilich etwas zu einseitig ausgebildet hat. Herr
v. d. Osten leistet in dem Vortrag kleiner, zierlicher Lieder Vorzügliches, doch
sind sowol seiner Stimme, als seinem Darstellungsvermögen enge Grenzen ge¬
zogen. Die von diesen Herren veranstalteten Concerte fanden lebendige Theil¬
nahme und machten sich derselben werth, theils durch die Sorgsamkeit der
Ausführung, theils dadurch, daß sie ihre Aufmerksamkeit auf Werke richteten,
die neu oder selten gehört waren. Zu erster» rechnen wir eine Sonate von
Gabe für Clavier und Violine, die Frühlingsphantasie von Gabe, ein Duo
für Clavier und Violine von Bargiel, einem jungen, im Stile Schumanns
schreibenden und jedenfalls ernst strebenden Componisten, Variationen für zwei
Claviere von Schumann. Auch die OmoU-Sonate von Beethoven (0p. III.), die
Herr Radecke mit großer Fertigkeit und lebendiger Auffassung spielte, ist unsers
Wissens noch niemals in Berlin öffentlich gehört worden und es gehörte ein
anerkennenswerther Muth dazu, zuerst etwas der Art zu wagen. Das große
Octett von Schubert für Streich- und Blasinstrumente, ein Werk freilich von
etwas zerfließender Weichlichkeit und mit nicht durchweg richtiger Mischung der
Instrumente, aber doch in seiner Art von großem Reiz der Erfindung und tief
gefühlvoll, kam ebenfalls in diesen Concerten zuerst zur Aufführung. Häufiger,
obschon auch selten berücksichtigt, ist das Clavierquartett von Schumann lksclur),
dessen erster Satz durch die Kraft der Gedanken und die klar verständige Ent¬
wicklung als ein Meisterstück gelten kann, während in den spätern die Phan¬
tasie bisweilen überwuchert. Zu dem Interessantesten aber, was diese Concerte
brachten, gehört das Streichquintett von Schubert, eins der genialsten Werke
dieses Meisters, fesselnd namentlich durch die Eigenthümlichkeit der Melodie,
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