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Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, II. Semester. IV. Band.

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Dieser Beruf ward uns, ihm bleibe man ferne;
Lasse man uns statt anderer Götter gewähren!
Mit uns habere Keiner!
Bannte doch unser Geschlecht, dies blutige, götterverhaßte,
Zeus von seinem Angesicht.
Aus den Höhn Sturm ich denn
Mächtigen Schwungs, setze den Fuß
schweren Falls auf den Feind;
Schnellen Laufs, gleitet er,
Stürzt in schweres Verderben.

Dann sinkt Hoffart, die sich zum Aether emporschwang,
Ruhmlos hinab in die Erd und verkümmert im Staube,
Wenn wir in schwarze Gewände verhüllt und in unheilvollen Reigen
tanzend nahm.

stürzend merkt ers nicht in des Wahns Verblendung;
So mit verdunkelten Schwingen umflattert die Schuld ihn.
Daß Graun düsterer Nacht um das Haus sich gelagert,
Kurbel lauten Jammers Ruf.


Man erkennt aus diesem Chor, der mit außerordentlichem Geschick nach¬
gebildet ist, doch soviel heraus, daß die VerSmaße des griechischen Chors für unser
Ohr nicht mehr gemacht sind. Bei uns kann die Wortfolge nicht so geordnet
werden, daß sie natürlich klingt, und so empfängt unser Ohr nur einen harten
Schall ohne Melodie und der Sinn versteckt sich hinter erkünstelten Construc-
tionen. Es bleibt das für die Uebersetzungen der alten Tragiker immer ein
großer Uebelstand, denn wenn man es versucht, bei den Chören das antike
Maß ganz aufzugeben und nach Schillers Vorgang Reime einzuführen, wie es
neuerdings wieder einige Male geschehen ist, so geht dadurch die einheitliche
Färbung des Ganzen verloren.

Wenn bei den Tragikern vorzugsweise nur die Chöre schwer nachzuah¬
men sind, da die sonst angewendeten VerSmaße, wenn man nur nicht die Ge¬
setze der griechischen Metrik ohne weiteres aus die deutsche Sprache übertragen
will, sich sehr leicht nachbilden lassen, so geht uns bei den Komikern auch diese
Hilfsquelle verloren. Der feierliche Trimeter der Tragiker läßt sich wie ein
deutsches Versmaß behandeln, aber die leichtfertige Art und Weise, wie Arifto-
Phaneö und Terenz damit umspringen, würde bei uns jeden Begriff eines
Versmaßes aufheben. -- Der Uebersetzer des Terenz in dieser Sammlung,
Professor Herbst, hat daher ohne weiteres den fünffüßigen Jambus eingeführt,
ohne alle Rücksicht auf das wechselnde Versmaß des lateinischen Dichters. Im
Ganzen müssen wir dieses Verfahren billigen, denn was nützt ein Versmaß,
das man nicht hört? Wollte man aber hier den Trimeter nach Art der Tragiker
behandeln, so würde er zur komischen Stimmung nicht passen. Zu bedauern


Grenzboten. IV. 48so. 4 g

Dieser Beruf ward uns, ihm bleibe man ferne;
Lasse man uns statt anderer Götter gewähren!
Mit uns habere Keiner!
Bannte doch unser Geschlecht, dies blutige, götterverhaßte,
Zeus von seinem Angesicht.
Aus den Höhn Sturm ich denn
Mächtigen Schwungs, setze den Fuß
schweren Falls auf den Feind;
Schnellen Laufs, gleitet er,
Stürzt in schweres Verderben.

Dann sinkt Hoffart, die sich zum Aether emporschwang,
Ruhmlos hinab in die Erd und verkümmert im Staube,
Wenn wir in schwarze Gewände verhüllt und in unheilvollen Reigen
tanzend nahm.

stürzend merkt ers nicht in des Wahns Verblendung;
So mit verdunkelten Schwingen umflattert die Schuld ihn.
Daß Graun düsterer Nacht um das Haus sich gelagert,
Kurbel lauten Jammers Ruf.


Man erkennt aus diesem Chor, der mit außerordentlichem Geschick nach¬
gebildet ist, doch soviel heraus, daß die VerSmaße des griechischen Chors für unser
Ohr nicht mehr gemacht sind. Bei uns kann die Wortfolge nicht so geordnet
werden, daß sie natürlich klingt, und so empfängt unser Ohr nur einen harten
Schall ohne Melodie und der Sinn versteckt sich hinter erkünstelten Construc-
tionen. Es bleibt das für die Uebersetzungen der alten Tragiker immer ein
großer Uebelstand, denn wenn man es versucht, bei den Chören das antike
Maß ganz aufzugeben und nach Schillers Vorgang Reime einzuführen, wie es
neuerdings wieder einige Male geschehen ist, so geht dadurch die einheitliche
Färbung des Ganzen verloren.

Wenn bei den Tragikern vorzugsweise nur die Chöre schwer nachzuah¬
men sind, da die sonst angewendeten VerSmaße, wenn man nur nicht die Ge¬
setze der griechischen Metrik ohne weiteres aus die deutsche Sprache übertragen
will, sich sehr leicht nachbilden lassen, so geht uns bei den Komikern auch diese
Hilfsquelle verloren. Der feierliche Trimeter der Tragiker läßt sich wie ein
deutsches Versmaß behandeln, aber die leichtfertige Art und Weise, wie Arifto-
Phaneö und Terenz damit umspringen, würde bei uns jeden Begriff eines
Versmaßes aufheben. — Der Uebersetzer des Terenz in dieser Sammlung,
Professor Herbst, hat daher ohne weiteres den fünffüßigen Jambus eingeführt,
ohne alle Rücksicht auf das wechselnde Versmaß des lateinischen Dichters. Im
Ganzen müssen wir dieses Verfahren billigen, denn was nützt ein Versmaß,
das man nicht hört? Wollte man aber hier den Trimeter nach Art der Tragiker
behandeln, so würde er zur komischen Stimmung nicht passen. Zu bedauern


Grenzboten. IV. 48so. 4 g
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[0081] Dieser Beruf ward uns, ihm bleibe man ferne; Lasse man uns statt anderer Götter gewähren! Mit uns habere Keiner! Bannte doch unser Geschlecht, dies blutige, götterverhaßte, Zeus von seinem Angesicht. Aus den Höhn Sturm ich denn Mächtigen Schwungs, setze den Fuß schweren Falls auf den Feind; Schnellen Laufs, gleitet er, Stürzt in schweres Verderben. Dann sinkt Hoffart, die sich zum Aether emporschwang, Ruhmlos hinab in die Erd und verkümmert im Staube, Wenn wir in schwarze Gewände verhüllt und in unheilvollen Reigen tanzend nahm. stürzend merkt ers nicht in des Wahns Verblendung; So mit verdunkelten Schwingen umflattert die Schuld ihn. Daß Graun düsterer Nacht um das Haus sich gelagert, Kurbel lauten Jammers Ruf. Man erkennt aus diesem Chor, der mit außerordentlichem Geschick nach¬ gebildet ist, doch soviel heraus, daß die VerSmaße des griechischen Chors für unser Ohr nicht mehr gemacht sind. Bei uns kann die Wortfolge nicht so geordnet werden, daß sie natürlich klingt, und so empfängt unser Ohr nur einen harten Schall ohne Melodie und der Sinn versteckt sich hinter erkünstelten Construc- tionen. Es bleibt das für die Uebersetzungen der alten Tragiker immer ein großer Uebelstand, denn wenn man es versucht, bei den Chören das antike Maß ganz aufzugeben und nach Schillers Vorgang Reime einzuführen, wie es neuerdings wieder einige Male geschehen ist, so geht dadurch die einheitliche Färbung des Ganzen verloren. Wenn bei den Tragikern vorzugsweise nur die Chöre schwer nachzuah¬ men sind, da die sonst angewendeten VerSmaße, wenn man nur nicht die Ge¬ setze der griechischen Metrik ohne weiteres aus die deutsche Sprache übertragen will, sich sehr leicht nachbilden lassen, so geht uns bei den Komikern auch diese Hilfsquelle verloren. Der feierliche Trimeter der Tragiker läßt sich wie ein deutsches Versmaß behandeln, aber die leichtfertige Art und Weise, wie Arifto- Phaneö und Terenz damit umspringen, würde bei uns jeden Begriff eines Versmaßes aufheben. — Der Uebersetzer des Terenz in dieser Sammlung, Professor Herbst, hat daher ohne weiteres den fünffüßigen Jambus eingeführt, ohne alle Rücksicht auf das wechselnde Versmaß des lateinischen Dichters. Im Ganzen müssen wir dieses Verfahren billigen, denn was nützt ein Versmaß, das man nicht hört? Wollte man aber hier den Trimeter nach Art der Tragiker behandeln, so würde er zur komischen Stimmung nicht passen. Zu bedauern Grenzboten. IV. 48so. 4 g

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341580_100453/81>, abgerufen am 25.08.2024.