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Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, II. Semester. IV. Band.

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umrankt, verräth ein hohes Alter. Der Rittersaal, eine hochgewölbte Halle,
mit Wappen und bunten Glasfenstern geschmückt, enthält berühmte Helden in
ihren Rüstungen und komisch nimmt sich neben diesen Heldengestalten die
Rüstung eines drei Spannen langen Zwerges aus, der bei einem Hochzeits-
mahle in einer Pastete verborgen aufgetragen ward und zu aller Vergnügen
daraus hervortretend die Braut in zierlicher Rede begrüßte. In der alter¬
thümlichen Begräbnißkapelle steht man die Grabsteine der Erbacher, unter
ihnen den Sarkophag, der die Asche Eginhards und Emmas birgt; er stand
früher vergessen in der dunkeln Sakristei eines Benedictinerklosters zu Seligen-
stadt und wurde hierher gebracht, weil sich die Grafen der Abkunft von jenem
Liebespaare rühmen. Allerliebst ist der Landsitz Eulbach und ausgezeichnet
durch seinen großen Thiergarten. Gern schweift von den höheren Punkten
dieses Parks der Blick über die tiefen, ruhigen Waldungen und einsamen
Bergschluchten nach den blauen Höhen des Spessart und der Brust wird es
wohl in dieser würzigen Bergesluft. Für die Schönheit dieses Lustwaldes vor¬
theilhaft ist ein See, in dessen Mitte eine Kapelle steht; den Alterthumforscher
ziehen die zahlreichen römischen Denkmäler an, die in den Umgebungen des
nahen Dorfes Würzberg, wo ein römisches Lager stand, ausgegraben worden sind.
Der Odenwald bildete einst einen Theil des hercynischen Waldes und war Jahr¬
hunderte durch seiner undurchdringlichen Wälder und Sümpfe wegen fremder
Eroberungssucht verschlossen. Da drangen die Römer, wahrscheinlich unter
Hadrian, in seine unwirthbaren Schluchten ein, auf der einen Seite vom
Maine her bis Obernburg und aus der andern vom Neckar in der Gegend bei
Eberbach.

Nach guter Bewirthung im Gasthause zum "goldenen Adler" besuchte ich
den Erdbach, der unsern Erbach sich in die Erde verliert und nach einer Viertel¬
stunde bei Stockheim wieder hervorkommt. Ein reizender Weg durch das Thal
führt nach Michelstadt, dem bedeutendsten Orte der ehemaligen Grafschaft,
einst Sitz der Regierung und angeblich von Eginhard erbaut. Das Städtchen
hat eine wahrhaft malerische Lage, verschönert durch die Klosterruine Stein¬
bach und das alte Schloß Fürstena u mit kühn gesprengten Thorbogen und
belebt durch Hammerwerke und Schmelzöfen. Die Kirche, ein Denkmal gothi¬
scher Baukunst, enthält in der angrenzenden Sakristei viele Jncunabeln aus
den Jahren -98, gedruckt durch Johannes Faust und Peter Schöffer.

Unterhalb Fürstenau, bei Zell, erweitert sich das schöne Mimlingthal. Ueber
König, einen Flecken mit Schloß und Kirche auf steiler Anhöhe, Höchst, ein
ehemaliges Benedictinerkloster, das zu Fulda gehörte und dessen Einkünfte seit
der Reformation zu wohlthätigen Zwecken angewiesen sind, kam ich nach Neu¬
stadt. Burg Breuberg, der zu Füßen Neustadt liegt und die stolz über
üppige Buchenhaine sich erhebt, heißt die Krone des Odenwaldes, und nicht


umrankt, verräth ein hohes Alter. Der Rittersaal, eine hochgewölbte Halle,
mit Wappen und bunten Glasfenstern geschmückt, enthält berühmte Helden in
ihren Rüstungen und komisch nimmt sich neben diesen Heldengestalten die
Rüstung eines drei Spannen langen Zwerges aus, der bei einem Hochzeits-
mahle in einer Pastete verborgen aufgetragen ward und zu aller Vergnügen
daraus hervortretend die Braut in zierlicher Rede begrüßte. In der alter¬
thümlichen Begräbnißkapelle steht man die Grabsteine der Erbacher, unter
ihnen den Sarkophag, der die Asche Eginhards und Emmas birgt; er stand
früher vergessen in der dunkeln Sakristei eines Benedictinerklosters zu Seligen-
stadt und wurde hierher gebracht, weil sich die Grafen der Abkunft von jenem
Liebespaare rühmen. Allerliebst ist der Landsitz Eulbach und ausgezeichnet
durch seinen großen Thiergarten. Gern schweift von den höheren Punkten
dieses Parks der Blick über die tiefen, ruhigen Waldungen und einsamen
Bergschluchten nach den blauen Höhen des Spessart und der Brust wird es
wohl in dieser würzigen Bergesluft. Für die Schönheit dieses Lustwaldes vor¬
theilhaft ist ein See, in dessen Mitte eine Kapelle steht; den Alterthumforscher
ziehen die zahlreichen römischen Denkmäler an, die in den Umgebungen des
nahen Dorfes Würzberg, wo ein römisches Lager stand, ausgegraben worden sind.
Der Odenwald bildete einst einen Theil des hercynischen Waldes und war Jahr¬
hunderte durch seiner undurchdringlichen Wälder und Sümpfe wegen fremder
Eroberungssucht verschlossen. Da drangen die Römer, wahrscheinlich unter
Hadrian, in seine unwirthbaren Schluchten ein, auf der einen Seite vom
Maine her bis Obernburg und aus der andern vom Neckar in der Gegend bei
Eberbach.

Nach guter Bewirthung im Gasthause zum „goldenen Adler" besuchte ich
den Erdbach, der unsern Erbach sich in die Erde verliert und nach einer Viertel¬
stunde bei Stockheim wieder hervorkommt. Ein reizender Weg durch das Thal
führt nach Michelstadt, dem bedeutendsten Orte der ehemaligen Grafschaft,
einst Sitz der Regierung und angeblich von Eginhard erbaut. Das Städtchen
hat eine wahrhaft malerische Lage, verschönert durch die Klosterruine Stein¬
bach und das alte Schloß Fürstena u mit kühn gesprengten Thorbogen und
belebt durch Hammerwerke und Schmelzöfen. Die Kirche, ein Denkmal gothi¬
scher Baukunst, enthält in der angrenzenden Sakristei viele Jncunabeln aus
den Jahren -98, gedruckt durch Johannes Faust und Peter Schöffer.

Unterhalb Fürstenau, bei Zell, erweitert sich das schöne Mimlingthal. Ueber
König, einen Flecken mit Schloß und Kirche auf steiler Anhöhe, Höchst, ein
ehemaliges Benedictinerkloster, das zu Fulda gehörte und dessen Einkünfte seit
der Reformation zu wohlthätigen Zwecken angewiesen sind, kam ich nach Neu¬
stadt. Burg Breuberg, der zu Füßen Neustadt liegt und die stolz über
üppige Buchenhaine sich erhebt, heißt die Krone des Odenwaldes, und nicht


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341580_100453/72>, abgerufen am 24.08.2024.