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Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, II. Semester. IV. Band.

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sinds. Und dann, hören Sie mal, diese Reichsmünze, was für ein dummer
Schnack! Ja wohl, und der tappere Landsoldat, den sie uns vorspielen. Wir
lassen aber die Vorhänge herunter, wenn sie kommen, und kein Mensch ist
auf der Gasse. Ach wenn das unser guter König wüßte! Sehen Sie , ich
will meinen König ehren und achten und hochschätzen und gehorchen (sogar
lieben wollte die Wortreiche ihn unbekannterweise) -- wir wollen ihnen ge¬
horsam sein in allen Stücken, da es nun einmal nicht anders ist; aber (hier
schlug sie sich mit der geballten Faust auf das Knie) -- aber ihren Willen,
nein, den thun wir ihnen nicht."

In diesem Tone ging es weiter, und ich war wirklich froh, als wir, über
den Kampfplatz bei Altenhof fahrend, durch die prächtigen Buchen des
Schnellmarker Holzes die ersten Häuser von Eckernförde erblickten. So ernst¬
haft die Sache war, stand ich doch mehrmals in Gefahr, über der scurrilen
Form, in der sie vorgetragen wurde, die Contenance zu verlieren und der
wackern Matrone ins Gesicht zu lachen.

Es ist übrigens bemerkenswert!), wie das Volk mit der oft gehörten
Redensart: "Ja, wenns der König wüßte! Unser König ist gut!" einerseits
seine Anhänglichkeit an den Thron bekundet, andrerseits aber die Ahnung
verräth, daß Friedrich der Siebente wenigstens nicht direct an der Mißhand¬
lung der Herzogthümer Schuld hat. Auf die Dauer freilich wird diese Loya¬
lität schwerlich wiederhalten, und schon gibt es genug Leute auch niedern Stan¬
des, die einen ganz andern Helfer in der Noth als das Wohlwollen irgend¬
welches Fürsten erwarten. Wer aber trüge die Schuld, wenn dieses loyale
Volk bei der nächsten Erhebung eine Fahne aufpflanzen sollte, welche kein
Wappen trägt?

Die eckernförder Bucht ist breiter, aber, wie schon der starke Wellenschlag
am Ufer erkennen ließ, weniger gegen Stürme gewahrt als die kieler. Sie
ist auch nicht so anmuthig. Ihr Gestade, im Süden bewaldet, ist mit einem
Saume von gelbem Sande und schwarzem Seetang umrändert. Die Stadt,
zu beiden Seiten einer kleinen Meerenge gelegen, welche aus der Bai in das
Windebyer Moor, eine von grünen Hügelwellen eingeschlossene Seidenhunde,
führt und überbrückt ist, hat weder eine besonders hübsche Lage noch sonstige
Sehenswürdigkeiten. Von fern kann sie der,, welcher nicht weiß, daß hier
blos die Städte Ziegeldächer haben, leicht für ein großes Dorf halten. Man
sieht fast nur einstöckige Häuser, darunter aber manches nette kleine Ding-
Auch hier stehen die meisten mit dem Giebel der Gasse zugewendet. Die Kirche,
die nur ein ganz winziges Thürmchen hat, war für den Reisenden blos so
lange eines Besuches werth, als in ihrer Vorderwand einer der Riesenanker
Christians des Achten eingemauert war. Nach der Zahl der im Hafen befind¬
lichen Schiffe zu urtheilen, kann der Handel nicht eben lebhaft sein. Ein-


sinds. Und dann, hören Sie mal, diese Reichsmünze, was für ein dummer
Schnack! Ja wohl, und der tappere Landsoldat, den sie uns vorspielen. Wir
lassen aber die Vorhänge herunter, wenn sie kommen, und kein Mensch ist
auf der Gasse. Ach wenn das unser guter König wüßte! Sehen Sie , ich
will meinen König ehren und achten und hochschätzen und gehorchen (sogar
lieben wollte die Wortreiche ihn unbekannterweise) — wir wollen ihnen ge¬
horsam sein in allen Stücken, da es nun einmal nicht anders ist; aber (hier
schlug sie sich mit der geballten Faust auf das Knie) — aber ihren Willen,
nein, den thun wir ihnen nicht."

In diesem Tone ging es weiter, und ich war wirklich froh, als wir, über
den Kampfplatz bei Altenhof fahrend, durch die prächtigen Buchen des
Schnellmarker Holzes die ersten Häuser von Eckernförde erblickten. So ernst¬
haft die Sache war, stand ich doch mehrmals in Gefahr, über der scurrilen
Form, in der sie vorgetragen wurde, die Contenance zu verlieren und der
wackern Matrone ins Gesicht zu lachen.

Es ist übrigens bemerkenswert!), wie das Volk mit der oft gehörten
Redensart: „Ja, wenns der König wüßte! Unser König ist gut!" einerseits
seine Anhänglichkeit an den Thron bekundet, andrerseits aber die Ahnung
verräth, daß Friedrich der Siebente wenigstens nicht direct an der Mißhand¬
lung der Herzogthümer Schuld hat. Auf die Dauer freilich wird diese Loya¬
lität schwerlich wiederhalten, und schon gibt es genug Leute auch niedern Stan¬
des, die einen ganz andern Helfer in der Noth als das Wohlwollen irgend¬
welches Fürsten erwarten. Wer aber trüge die Schuld, wenn dieses loyale
Volk bei der nächsten Erhebung eine Fahne aufpflanzen sollte, welche kein
Wappen trägt?

Die eckernförder Bucht ist breiter, aber, wie schon der starke Wellenschlag
am Ufer erkennen ließ, weniger gegen Stürme gewahrt als die kieler. Sie
ist auch nicht so anmuthig. Ihr Gestade, im Süden bewaldet, ist mit einem
Saume von gelbem Sande und schwarzem Seetang umrändert. Die Stadt,
zu beiden Seiten einer kleinen Meerenge gelegen, welche aus der Bai in das
Windebyer Moor, eine von grünen Hügelwellen eingeschlossene Seidenhunde,
führt und überbrückt ist, hat weder eine besonders hübsche Lage noch sonstige
Sehenswürdigkeiten. Von fern kann sie der,, welcher nicht weiß, daß hier
blos die Städte Ziegeldächer haben, leicht für ein großes Dorf halten. Man
sieht fast nur einstöckige Häuser, darunter aber manches nette kleine Ding-
Auch hier stehen die meisten mit dem Giebel der Gasse zugewendet. Die Kirche,
die nur ein ganz winziges Thürmchen hat, war für den Reisenden blos so
lange eines Besuches werth, als in ihrer Vorderwand einer der Riesenanker
Christians des Achten eingemauert war. Nach der Zahl der im Hafen befind¬
lichen Schiffe zu urtheilen, kann der Handel nicht eben lebhaft sein. Ein-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341580_100453/62>, abgerufen am 25.08.2024.