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Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, II. Semester. IV. Band.

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Abend sein röthliches Licht und seine Nebel darauf fallen läßt, leicht Elfen¬
märchen träumen kann, und die in ihrer Mischung von Melancholie und heiterm
Leben entschiedenen Anspruch daraufhat, zu dem malerischen und romantischen
Deutschland gezählt zu werden.

Die Aussicht von der Blohmburg, einem hochbethürmten, noch in der
Vollendung begriffenen Schlosse, welches sich über dem Dorfe Selene, ungefähr
eine Meile von der Swentine aus einen TanNeugehölze erhebt, macht einen
Eindruck, der das gerade Gegentheil der Stimmung ist, in welche namentlich
der allein Wandernde in der engen, finstern Einsamkeit jenes Flusses zuletzt ge¬
räth. Hier schwelgt das Auge im Anblicke einer heitern, lachenden Landschaft,
schweift die Runde machend, rechts bis zum Meeresstrande, überblickt eine Un¬
zahl von Dörfern und Edelhöfen, von hübschen Wäldchen, die wie dunkelgrüne
Hügel über Felder mit wogenden Saaten, Bracher mit Pflügern, Boden¬
anschwellungen und Senkungen mit rothen Rindern und weißen Schafen empor¬
ragen, und ruht endlich, gesättigt, aber nicht ermüdet, auf der blauen Fläche
des Sees aus, der rund und glatt wie ein Spiegel in der Tiefe liegt.

Der Park von Salzau, der sich an seinem nördlichen User hinzieht, trägt
viel dazu bei, seine im Allgemeinen flachen und interesselosen Ufer zu ver¬
schönern. Er ist im Ganzen in einem einfachen lobenswerthen Stile gehalten.
Künsteleien, womit man die Natur zwingt, romantisch auszusehen, wo sie nicht
mag, sind, soweit ich ihn besuchte, vermieden. Nur der Umstand, daß man
an einer Stelle einen Hohlweg angelegt hat, um eine Brücke bauen zu
können, die noch überdies den Punkt entstellt, möchte in die Kategorie der Ge¬
schmacklosigkeiten gehören, in welche jenes leidige Romantisiren bei derartigen
Anlagen nur zu häufig verfällt. Auch das Schloß ist in einem edlen Stile
erbaut, und die Blumenzier seiner Verandah macht dem Gärtner, einem Hessen,
der so freundlich war, mir seine gesammten Schöpfungen im Garten und seine
Pflegebefohlenen in den sehr reichen Treibhäusern zu zeigen, alle Ehre. Der
Besitzer, Graf Blöden, gehört zu den ersten Edelleuten des Landes -- ich meine
zu den wohlhabendsten. Im Uebrigen mag von ihm lobend erwähnt werden,
daß er ein Pferdekenner ist, daß er seinerzeit zu den schönsten Männern Hol¬
steins gezählt wurde, und daß er während der Erhebung im Jahre 18i8 --
die böse Welt meint freilich, mehr in der Hoffnung auf rasche Erlangung der
vollen Epauletten, als aus Patriotismus -- anfänglich in eigner Person im
Schleswig-holsteinischen Heere diente und dann seinen Sohn in die Reiterei
eintreten ließ. Jxtzt ist dies ganz anders. Der Prinz von Noer behandelte
den Grasen lediglich als reichen Mann. Das Oberstenpatent wollte nicht
kommen, und so wurde die getäuschte Eitelkeit zuerst zum Nerdruß und hieraus
zum Gesinnungswechsel, wenn hier überhaupt von einem solchen die Rede sein
kann. Graf Blöden begann seine Augen nach Kopenhagen zu richten. Man


Abend sein röthliches Licht und seine Nebel darauf fallen läßt, leicht Elfen¬
märchen träumen kann, und die in ihrer Mischung von Melancholie und heiterm
Leben entschiedenen Anspruch daraufhat, zu dem malerischen und romantischen
Deutschland gezählt zu werden.

Die Aussicht von der Blohmburg, einem hochbethürmten, noch in der
Vollendung begriffenen Schlosse, welches sich über dem Dorfe Selene, ungefähr
eine Meile von der Swentine aus einen TanNeugehölze erhebt, macht einen
Eindruck, der das gerade Gegentheil der Stimmung ist, in welche namentlich
der allein Wandernde in der engen, finstern Einsamkeit jenes Flusses zuletzt ge¬
räth. Hier schwelgt das Auge im Anblicke einer heitern, lachenden Landschaft,
schweift die Runde machend, rechts bis zum Meeresstrande, überblickt eine Un¬
zahl von Dörfern und Edelhöfen, von hübschen Wäldchen, die wie dunkelgrüne
Hügel über Felder mit wogenden Saaten, Bracher mit Pflügern, Boden¬
anschwellungen und Senkungen mit rothen Rindern und weißen Schafen empor¬
ragen, und ruht endlich, gesättigt, aber nicht ermüdet, auf der blauen Fläche
des Sees aus, der rund und glatt wie ein Spiegel in der Tiefe liegt.

Der Park von Salzau, der sich an seinem nördlichen User hinzieht, trägt
viel dazu bei, seine im Allgemeinen flachen und interesselosen Ufer zu ver¬
schönern. Er ist im Ganzen in einem einfachen lobenswerthen Stile gehalten.
Künsteleien, womit man die Natur zwingt, romantisch auszusehen, wo sie nicht
mag, sind, soweit ich ihn besuchte, vermieden. Nur der Umstand, daß man
an einer Stelle einen Hohlweg angelegt hat, um eine Brücke bauen zu
können, die noch überdies den Punkt entstellt, möchte in die Kategorie der Ge¬
schmacklosigkeiten gehören, in welche jenes leidige Romantisiren bei derartigen
Anlagen nur zu häufig verfällt. Auch das Schloß ist in einem edlen Stile
erbaut, und die Blumenzier seiner Verandah macht dem Gärtner, einem Hessen,
der so freundlich war, mir seine gesammten Schöpfungen im Garten und seine
Pflegebefohlenen in den sehr reichen Treibhäusern zu zeigen, alle Ehre. Der
Besitzer, Graf Blöden, gehört zu den ersten Edelleuten des Landes — ich meine
zu den wohlhabendsten. Im Uebrigen mag von ihm lobend erwähnt werden,
daß er ein Pferdekenner ist, daß er seinerzeit zu den schönsten Männern Hol¬
steins gezählt wurde, und daß er während der Erhebung im Jahre 18i8 —
die böse Welt meint freilich, mehr in der Hoffnung auf rasche Erlangung der
vollen Epauletten, als aus Patriotismus — anfänglich in eigner Person im
Schleswig-holsteinischen Heere diente und dann seinen Sohn in die Reiterei
eintreten ließ. Jxtzt ist dies ganz anders. Der Prinz von Noer behandelte
den Grasen lediglich als reichen Mann. Das Oberstenpatent wollte nicht
kommen, und so wurde die getäuschte Eitelkeit zuerst zum Nerdruß und hieraus
zum Gesinnungswechsel, wenn hier überhaupt von einem solchen die Rede sein
kann. Graf Blöden begann seine Augen nach Kopenhagen zu richten. Man


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[0051] Abend sein röthliches Licht und seine Nebel darauf fallen läßt, leicht Elfen¬ märchen träumen kann, und die in ihrer Mischung von Melancholie und heiterm Leben entschiedenen Anspruch daraufhat, zu dem malerischen und romantischen Deutschland gezählt zu werden. Die Aussicht von der Blohmburg, einem hochbethürmten, noch in der Vollendung begriffenen Schlosse, welches sich über dem Dorfe Selene, ungefähr eine Meile von der Swentine aus einen TanNeugehölze erhebt, macht einen Eindruck, der das gerade Gegentheil der Stimmung ist, in welche namentlich der allein Wandernde in der engen, finstern Einsamkeit jenes Flusses zuletzt ge¬ räth. Hier schwelgt das Auge im Anblicke einer heitern, lachenden Landschaft, schweift die Runde machend, rechts bis zum Meeresstrande, überblickt eine Un¬ zahl von Dörfern und Edelhöfen, von hübschen Wäldchen, die wie dunkelgrüne Hügel über Felder mit wogenden Saaten, Bracher mit Pflügern, Boden¬ anschwellungen und Senkungen mit rothen Rindern und weißen Schafen empor¬ ragen, und ruht endlich, gesättigt, aber nicht ermüdet, auf der blauen Fläche des Sees aus, der rund und glatt wie ein Spiegel in der Tiefe liegt. Der Park von Salzau, der sich an seinem nördlichen User hinzieht, trägt viel dazu bei, seine im Allgemeinen flachen und interesselosen Ufer zu ver¬ schönern. Er ist im Ganzen in einem einfachen lobenswerthen Stile gehalten. Künsteleien, womit man die Natur zwingt, romantisch auszusehen, wo sie nicht mag, sind, soweit ich ihn besuchte, vermieden. Nur der Umstand, daß man an einer Stelle einen Hohlweg angelegt hat, um eine Brücke bauen zu können, die noch überdies den Punkt entstellt, möchte in die Kategorie der Ge¬ schmacklosigkeiten gehören, in welche jenes leidige Romantisiren bei derartigen Anlagen nur zu häufig verfällt. Auch das Schloß ist in einem edlen Stile erbaut, und die Blumenzier seiner Verandah macht dem Gärtner, einem Hessen, der so freundlich war, mir seine gesammten Schöpfungen im Garten und seine Pflegebefohlenen in den sehr reichen Treibhäusern zu zeigen, alle Ehre. Der Besitzer, Graf Blöden, gehört zu den ersten Edelleuten des Landes — ich meine zu den wohlhabendsten. Im Uebrigen mag von ihm lobend erwähnt werden, daß er ein Pferdekenner ist, daß er seinerzeit zu den schönsten Männern Hol¬ steins gezählt wurde, und daß er während der Erhebung im Jahre 18i8 — die böse Welt meint freilich, mehr in der Hoffnung auf rasche Erlangung der vollen Epauletten, als aus Patriotismus — anfänglich in eigner Person im Schleswig-holsteinischen Heere diente und dann seinen Sohn in die Reiterei eintreten ließ. Jxtzt ist dies ganz anders. Der Prinz von Noer behandelte den Grasen lediglich als reichen Mann. Das Oberstenpatent wollte nicht kommen, und so wurde die getäuschte Eitelkeit zuerst zum Nerdruß und hieraus zum Gesinnungswechsel, wenn hier überhaupt von einem solchen die Rede sein kann. Graf Blöden begann seine Augen nach Kopenhagen zu richten. Man

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341580_100453/51>, abgerufen am 22.07.2024.