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Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, II. Semester. IV. Band.

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wüßten keinen andern, so erlaube ich mir zu widersprechen. Auch ein Gang
am Kanäle von der Schleußenbrücke und dem prächtigen Parke bei Knoop
nach Holtenau hat große Reize, und ein Ausflug nach dem Eiderthale oder
nach dem Kessel des vielgekrümmten Westensees bringt in außerordentlich an¬
muthige Gegenden. Namentlich möchte ich alle, die Kiel zu besuchen vorhaben,
auf den letzteren und das überraschend schöne Panorama aufmerksam machen,
welches den belohnt, der sich die Mühe nicht verdrießen läßt, einen der Berge
in seiner Umgebung zu besteigen.

Andere, aber des Aufsuchens nicht weniger werthe Bilder, gewähren das
Thal der Swentine, der seiender See mit der Blohmburg, der am entgegen¬
gesetzten Ufer sich hinziehende Park von Salzau und die nordöstlich von hier
gelegenen Dörfer der sogenannten Propstei. Ein günstiges Geschick ließ mich
diese verschiedenenPunkte grade zu der Zeit sehen, wo sie ihren vollen Glanz
entfalten. Ich fand das Thal und die Ufer des Sees geschmückt mit dem
ersten Grün des Frühlings, und ich besuchte die Propstei während der Festzeit,
welche ihren Bewohnern die hier zu Lande fehlende Kirmes ersetzt, während
der jubelvollen Tage der Psingstgilde.

Die Swentine gilt des malerischen Wechsels ihrer Uferscenerie halber für
den schönsten Fluß in Holstein. Hell und klar wie unsre Forellenbäche, aber
breiter und tiefer als die meisten unter ihnen, schlängelt sie sich vor ihrer
Mündung bei dem stattlichen Dorfe Neumühlen zwischen schilfigen Rändern
durch ein breites lichtgrünes Wiesenthal, dessen Hügelbegrenznng, mit einge¬
hegten Ackerfeldern bedeckt, sich oberhalb des Gutes Obbendorf und seines alter¬
thümlichen Schlosses mehr und mehr verengt und bewaldet, bis der Wanderer,
der dem Fußpfade folgt, sich endlich in einem dunkeln Grunde befindet, wo ihn
die tiefste, schwermüthigste Einsamkeit umgibt. Zwei Mühlen mit brausenden
Wehren, moosige Buchen an steilen Thalwänden, ausgewaschene Ufer mit über¬
hangenden Wurzeln und in den Strom gestürzten Stämmen, einzelne Fels¬
blöcke, kleine mit Erlen bewachsene Eilande bildend, ein Wasser, das sich bald
rasch durch ein einziges schmales, strudelreiches Bett drängt, bald sich in mehre
Arme theilt, bald langsam und geräuschlos durch einen waldbeschatteten, rohr¬
umkränzten See flutet, bisweilen eine Wiese, an deren überschwemmten Rande
die Vettern der Frösche des Aristophanes


"an sonnenhellen Tagen
Unter Wasserdost und Kalmus
Höcker, hüpfen, Wassertreten
Froh des wucherischer Gequaks,"

hin und wieder eine weiße Möve, ein gravitätischer Storch oder ein kreischen¬
der Raubvogel, mitunter wol auch ein Boot mit einem angelnden Fischer geben
eine Reihenfolge von Bildern, in deren Mitte ein Dichter, zumal wenn der


wüßten keinen andern, so erlaube ich mir zu widersprechen. Auch ein Gang
am Kanäle von der Schleußenbrücke und dem prächtigen Parke bei Knoop
nach Holtenau hat große Reize, und ein Ausflug nach dem Eiderthale oder
nach dem Kessel des vielgekrümmten Westensees bringt in außerordentlich an¬
muthige Gegenden. Namentlich möchte ich alle, die Kiel zu besuchen vorhaben,
auf den letzteren und das überraschend schöne Panorama aufmerksam machen,
welches den belohnt, der sich die Mühe nicht verdrießen läßt, einen der Berge
in seiner Umgebung zu besteigen.

Andere, aber des Aufsuchens nicht weniger werthe Bilder, gewähren das
Thal der Swentine, der seiender See mit der Blohmburg, der am entgegen¬
gesetzten Ufer sich hinziehende Park von Salzau und die nordöstlich von hier
gelegenen Dörfer der sogenannten Propstei. Ein günstiges Geschick ließ mich
diese verschiedenenPunkte grade zu der Zeit sehen, wo sie ihren vollen Glanz
entfalten. Ich fand das Thal und die Ufer des Sees geschmückt mit dem
ersten Grün des Frühlings, und ich besuchte die Propstei während der Festzeit,
welche ihren Bewohnern die hier zu Lande fehlende Kirmes ersetzt, während
der jubelvollen Tage der Psingstgilde.

Die Swentine gilt des malerischen Wechsels ihrer Uferscenerie halber für
den schönsten Fluß in Holstein. Hell und klar wie unsre Forellenbäche, aber
breiter und tiefer als die meisten unter ihnen, schlängelt sie sich vor ihrer
Mündung bei dem stattlichen Dorfe Neumühlen zwischen schilfigen Rändern
durch ein breites lichtgrünes Wiesenthal, dessen Hügelbegrenznng, mit einge¬
hegten Ackerfeldern bedeckt, sich oberhalb des Gutes Obbendorf und seines alter¬
thümlichen Schlosses mehr und mehr verengt und bewaldet, bis der Wanderer,
der dem Fußpfade folgt, sich endlich in einem dunkeln Grunde befindet, wo ihn
die tiefste, schwermüthigste Einsamkeit umgibt. Zwei Mühlen mit brausenden
Wehren, moosige Buchen an steilen Thalwänden, ausgewaschene Ufer mit über¬
hangenden Wurzeln und in den Strom gestürzten Stämmen, einzelne Fels¬
blöcke, kleine mit Erlen bewachsene Eilande bildend, ein Wasser, das sich bald
rasch durch ein einziges schmales, strudelreiches Bett drängt, bald sich in mehre
Arme theilt, bald langsam und geräuschlos durch einen waldbeschatteten, rohr¬
umkränzten See flutet, bisweilen eine Wiese, an deren überschwemmten Rande
die Vettern der Frösche des Aristophanes


„an sonnenhellen Tagen
Unter Wasserdost und Kalmus
Höcker, hüpfen, Wassertreten
Froh des wucherischer Gequaks,"

hin und wieder eine weiße Möve, ein gravitätischer Storch oder ein kreischen¬
der Raubvogel, mitunter wol auch ein Boot mit einem angelnden Fischer geben
eine Reihenfolge von Bildern, in deren Mitte ein Dichter, zumal wenn der


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341580_100453/50>, abgerufen am 22.07.2024.